Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU – Drucksache 6/1658


Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Scherer hat seiner Fraktion gedankt für das nonverbale Zeichen. Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ich kann Ihnen noch mal sagen, Sie konterkarieren es selbst, wenn Sie es begleiten mit Zwischenrufen an unsere Fraktion mit dem Inhalt „Drecksack“. Denn da wird nämlich Ihre Ernsthaftigkeit einer tatsächlichen Einzelfallprüfung auch im Sachverhalt mit der Auseinandersetzung von konkreten Personen ad absurdum geführt. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, auch als jemand, der etwas später geboren worden ist und das Glück oder das Pech hat, in der DDR nicht so massiv involviert gewesen zu sein wie viele andere von Ihnen, ich finde, Ihr Zeichen wirkt auch etwas instrumentalisierend, wenn ich daran denke, dass es Ihre Partei ist, die erst im letzten Jahr begonnen hat, ihre eigene Vergangenheit und ihre eigene Verantwortung in Thüringen im Unrechtsstaat DDR systematisch aufzuarbeiten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielleicht wäre etwas mehr Zurückhaltung Ihrerseits angemessen gewesen, anstatt zu versuchen, sich hier als Moralinstanz zu generieren.


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: …)


(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das stimmt nicht!)


Meine Damen und Herren – Herr Emde, ich habe Sie nicht ganz verstanden.


(Unruhe CDU)


Entschuldigung, Sie können nachher gern hier noch die Gelegenheit nutzen, dazu Stellung zu nehmen. Ich wollte Ihnen meinen Eindruck widerspiegeln, und den müssen Sie erst mal zur Kenntnis nehmen, dass er genauso entstanden ist, Herr Mohring.


(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Sie setzen ja Herrn Kuschel unter die ersten zehn Listenplätze!)


Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, haben sich im Koalitionsvertrag die Parteien Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke darauf verständigt, die Aufarbeitung der Geschichte und des Unrechts in der DDR intensiv fortzuführen und auch auf eine neue qualitative Ebene zu heben. Ich denke, ich muss nicht daran erinnern, welcher Diskussionsprozess auch einzelne Formulierungen der gesondert neben dem Koalitionsvertrag bestehenden Erklärung zum DDR-Unrecht in den Parteien geführt worden ist und zu welchen Erkenntnisprozessen dies geführt hat. Ich möchte hier insbesondere wiederholen, was wir gemeinsam verankert haben; gerade auch in Kenntnis und der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Geschichte, dem Unrecht und gerade der Verantwortung der SED, in deren rechtlicher, aber natürlich auch politischer Nachfolge wir stehen, haben wir uns dazu verständigt, diese Aufarbeitung fortzuführen, weil sie weder überflüssig noch rückwärtsgewandt ist. Herr Scherer, alles andere hier als Vorwurf entsprechend des Änderungsantrags zu formulieren, ist einfach absurd und verkennt die tatsächliche Ernsthaftigkeit, wie man sich im letzten Jahr diesem Thema angenommen hat und auch den Versuch, sehr intensiv miteinander darüber zu diskutieren, welche neue Qualität nach 25 Jahren Geschichtsdebatte wir vielleicht entwickeln müssen, um bestimmte Schemata, die die letzten 25 Jahre Geschichtsaufarbeitung bestimmt haben, zu überwinden, weil sie möglicherweise nicht geeignet waren, tatsächlich Klarheit auch in Verantwortlichkeiten, Systematiken, Entstehungsgeschichten mit hineinzubringen.


(Unruhe CDU)


Meine Damen und Herren, es ist Ihnen doch bekannt, Frau Tasch, dass Die Linke seit Anbeginn, seit 1989, seit dem außerordentlichen Parteitag der SED sehr intensiv an der Aufarbeitung auch ihrer eigenen Geschichte arbeitet. Wir brauchen da auch nicht Ihre Belehrung. Natürlich ist dieser Prozess ein sehr schmerzhafter, weil natürlich Biografien von Menschen in diesem Land, die heute in Thüringen leben, Verantwortung haben, auch sehr eng mit der DDR verbunden sind. Das erfordert natürlich auch eine sehr selbstkritische Betrachtung der eigenen Handlungen, der eigenen Geschichte und auch ein Sich-ständig-infrage-Stellen. Das ist offensichtlich eine Eigenschaft, die bei Ihnen nicht weit verbreitet ist in der Fraktion, wie ich feststellen muss.


Aber da brauchen Sie nun wirklich der Linken, der PDS, keine Vorwürfe zu machen. Seit Anbeginn erwarten wir, auch als die politischen Verantwortungsträger in dieser Partei, dass sich Kandidatinnen und Kandidaten für Parteiämter, aber auch für Wahlämter mit ihrer politischen Biografie, mit ihrer Verantwortung auch in einer inoffiziellen, offiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS der Diskussion in der Partei stellen und dies öffentlich machen, um genau eine solche einzelfallbezogene Diskussion zu ermöglichen und rauszukommen aus dem Schemata du ja, du nein, sondern um eine Debatte auch um Ursachen persönlicher Verstrickungen miteinander führen zu können. Meine Damen und Herren der CDU, da brauchen wir nun wahrlich keine Belehrung Ihrerseits. Diesen Prozess, den führen wir seit 1990 mit unseren Mitgliedern und auch mit unseren Kandidaten.


(Beifall DIE LINKE)


Meine Damen und Herren, in der ersten Beratung zum nun diskutierten Abgeordnetenüberprüfungsgesetz hatte meine Kollegin Katharina König für die Fraktion Die Linke zwei grundsätzliche Punkte benannt. Erstens: Wir tragen eine weitere Überprüfung von Abgeordneten auch in der 7. Legislaturperiode mit. Deswegen, Herr Scherer, verstehe ich gar nicht, was Sie hier an einem Gerüst bauen und konstruieren wollen.


Wir haben zweitens gesagt, wir haben darüber hinaus aber auch einen Änderungsbedarf am Gesetz, weil es nicht angemessen erscheint, wie Sie mit diesem Gesetz umgehen, um dem politischen Effekt wegen einfach nur eine Zahl im Gesetz zu ändern und damit möglicherweise – darauf komme ich noch zurück – eine bundesgesetzliche Entscheidung, die noch aussteht, vorwegzunehmen, sondern wir sagen, es erfordert etwas mehr, sich diesem sehr komplexen und verantwortungsreichen Themen der Aufarbeitung auch persönlicher Geschichte von Abgeordneten zu stellen. Denn wichtig ist beim genauen Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten: Nach demokratischen Grundsätzen, Herr Scherer, steht es allein den Wählerinnen und Wählern zu, über Geeignetheit einer Bewerberin oder eines Bewerbers bzw. eines Abgeordneten für ein Parlamentsmandat zu entscheiden. Das Parlament hat diese Entscheidung der Wählerinnen und Wähler zu respektieren. Das haben auch die Verfassungsgerichte in all ihren Entscheidungen klargestellt. Daher sah – darauf will ich verweisen, Herr Scherer – und sieht das Überprüfungsverfahren im Bundestag von Anfang an auch nur die Feststellung und Offenlegung von Tatsachen vor. Der Bundestag selbst oder seine Mehrheit nimmt keine eigene Wertung vor. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 44 b im Abgeordnetengesetz des Bundes wurde dieses Bewertungsvorrecht der Wählerinnen und Wähler auch ausdrücklich betont.


Herr Scherer, ich stelle mir gerade vor, wie Sie diese Diskussion auf Grundlage dieser bundesgesetzlichen Regelung gleichlautend in Ihrer Bundestagsfraktion an dieser Stelle führen wollen. Das würde mich interessieren.


Nun haben wir als Koalitionsfraktionen genau auf dieser Grundlage und auch in Kenntnis der Debatten, die es die letzten Jahre gegeben hat, auch in Kenntnis der Gerichtsentscheidungen, die es dazu gegeben hat, einen Änderungsantrag zum vorliegenden CDU-Gesetzentwurf eingereicht. Auch diese Änderungen wurden in den Fachanhörungen begutachtet und erhielten, Herr Scherer, von zahlreichen Anzuhörenden deutliche Unterstützung, auch von Organisationen und Fachleuten, die sich explizit mit dem DDR-Unrecht und der Aufarbeitung des DDR-Unrechts beschäftigen, auch aus dem Bereich der Opferverbände.


Die Änderungsanträge, das ist bekannt, richteten sich inhaltlich praktisch an einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aus der 5. Legislaturperiode aus und spiegelten auch das wider, was wir im Koalitionsvertrag an Ernsthaftigkeit für Aufarbeitung von Geschichte und persönlicher Verantwortung formuliert haben. Der Änderungsantrag beinhaltete drei Punkte:


Erstens: Eine erneute Einzelfallüberprüfung soll es im jeweiligen Fall nur geben, wenn beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen neue Erkenntnisse aus der Anfrage in der Sache vorliegen. Diese Präzisierung dient nicht der Verharmlosung, Herr Scherer; sie dient der Umsetzung eines wichtigen verfassungsrechtlichen Prinzips, nämlich der Verhältnismäßigkeit. Ein Überprüfungsverfahren stellt unter bestimmten Bedingungen einen unzulässigen Eingriff in die freie Mandatsausübung dar. Auch das könnten Sie wissen, wenn Sie sich mit den Urteilen der Verfassungsgerichte beschäftigt hätten. Denn wenn klar ist, dass alle verfügbaren Tatsachen schon vorliegen und schon alles überprüft ist und keine neuen Erkenntnisse hinzugekommen sind, ist eine erneute Überprüfung im Sinne demokratischer Transparenz nicht nur nicht mehr notwendig, sondern dann eben auch vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht mehr zulässig.


Zweitens: § 8 Abgeordnetenüberprüfungsgesetz solle gestrichen werden. Es regelt den Mandatsentzug und steht immer noch im Gesetzestext, obwohl bereits mit Urteil des Thüringer Verfassungsgerichts entschieden worden ist, dass diese Regelung verfassungswidrig und nichtig ist. Es nützt doch auch nichts, vor dem Hintergrund einer solchen Entscheidung auf die rein theoretische Möglichkeit im Strafrecht zu verweisen. Hier hat ein Verfassungsgericht genau auf Grundlage des Abgeordnetenüberprüfungsgesetzes den Mandatsentzug und damit die Aberkennung des passiven Wahlrechts für verfassungswidrig erklärt. Und es ist absurd, wenn Sie hier entgegen dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung versuchen darzustellen: Dort ist es möglich und deswegen muss es doch hier auch zulässig sein.


(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Unsinn!)


Drittens – jetzt kommen wir an den Kern, denke ich, der Auseinandersetzung: Wir haben vorgeschlagen, die Bewertung mit einem Etikett der Parlamentsunwürdigkeit zu streichen. Nun haben Sie daran festgemacht, das wäre die Verharmlosung, das wäre der Entzug praktisch jeder Verantwortung zur einzelnen Auseinandersetzung mit politischer Verantwortung auch in der Vergangenheit, auch persönlicher Verantwortung. Da will ich Ihnen eines sagen: Es geht hierbei nicht nur allein um die Frage des Begriffs der Würde. Es hat schon eine gewisse Widersprüchlichkeit in sich, wenn im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht, dass die Würde unantastbar ist, und ein Parlament schafft ein Gesetz, wo es explizit auch noch wortwörtlich schreibt, dass ein Abgeordneter diese Würde auf Beschluss der Mehrheit verliert. Das hat eine gewisse Widersprüchlichkeit.


(Beifall DIE LINKE)


Aber, meine Damen und Herren, es hilft uns in der Sache auch nicht weiter. Es hilft uns doch nicht weiter, wenn wir 25 Jahre nach der friedlichen Revolution, nach der Wende, glauben, dass wir allein mit der Bewertung und mit dem Anheften eines Etiketts eine tatsächliche Aufarbeitung von persönlicher Verantwortung, von politischer Verantwortung oder auch für das Entstehen von bestimmten Prozessen, wo Menschen eben auch Unrecht begehen oder es nicht verhindern oder daran mitwirken, erreichen, weil es sich eben in der politischen Auseinandersetzung praktisch darauf reduziert, welches Etikett die Mehrheit einem Menschen anklebt oder eben nicht. Mit dem Streichen der Parlamentsunwürdigkeit hätten wir den Weg eröffnet, tatsächlich darüber hinaus zu denken, dass es nicht nur darum geht, dass derjenige Täter ist, der eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hat, sondern dass auch jemand, der in der DDR Verantwortung für Unrecht hatte, der eine solche Verpflichtungserklärung nicht unterschrieben hat, aber möglicherweise sehr viel intensiver in Verwaltung, in politischen Prozessen mitgewirkt hat. Aber das erfordert doch mehr als nur ein Etikett. Das erfordert die tatsächliche Auseinandersetzung, das erfordert auch die Aussprache. Wenn Sie sich hinstellen, Herr Scherer, und sagen, es wäre unangemessen, dass wir hier eine Aussprache darüber führen gegenüber dem Gremium, dann sage ich: Es ist unangemessen, wenn Sie eine solche Aussprache und Diskussion im Plenum meinen verhindern zu müssen; unangemessen gegenüber der Verantwortung, auch verantwortlich mit den Ergebnissen der Einzelfallprüfung umzugehen und damit auch transparent umzugehen und transparent zu erörtern und gemeinsam darüber zu diskutieren.


Meine Damen und Herren, in einer solchen Aussprache kann jeder Abgeordnete für sich an dieser Stelle das Wort ergreifen und kann sagen, was er moralisch, was er ethisch oder nach welchen Grundsätzen auch immer von einem anderen Abgeordneten hält. Das tut ja jeder Abgeordnete in diesem Land sowieso an jeder geeigneten und auch ungeeigneten Stelle. Aber es ist dann eben nicht die Etikettierung der Unwürdigkeit durch einen Mehrheitsbeschluss, die nicht der tatsächlichen Aufarbeitung von Prozessen dient als Grundlage, auch Wiederholung zu vermeiden. Sondern – und dabei bleibe ich – es ist letztendlich die reine Etikettierung, die allein die Frage zu klären hat, ob jemand schuldig oder nicht schuldig ist, aber das System der DDR – und das wissen Sie alle, die in der DDR gelebt haben und auch in Ihrer Fraktion Verantwortung in der DDR hatten – ist nicht so leicht zu erklären, wie Sie glauben, das an dieser Stelle tun zu können.


Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang sind noch zwei Gesichtspunkte weiterhin zu beachten, die natürlich durchaus eine Rolle spielen, denn hier geht es nicht um Moral, sondern hier geht es letztendlich auch immer um Verfassungsrecht. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof stellt im Urteil aus dem Jahr 2000 fest, solche Einschränkungen demokratischer Abgeordnetenrechte wie das Thüringer Überprüfungsverfahren in seiner bisherigen Form sind nur in Zeiten des Verfassungsumbruchs und nur für den Übergang befristet zulässig.


Meine Damen und Herren, allein die Tatsache, dass man vielleicht 22 Jahre nach dem Inkrafttreten der Thüringer Verfassung nicht mehr über Verfassungsumbruch oder Übergangsphase reden kann, sollte uns vielleicht dazu animieren, auch einmal intensiver über das Abgeordnetenüberprüfungsgesetz und das Abgeordnetenüberprüfungsverfahren nachzudenken. Würde man das Verfahren der Erklärung als parlamentsunwürdig über 2019 hinaus verlängern, stellt sich diese Frage sogar noch umso mehr, weil wir dann einen Zeitraum von 30 Jahren mit zu umfassen haben.


Dennoch – und das sage ich ganz deutlich – und das ist, denke ich, aus den Beschlussempfehlungen und dem Antrag der Koalitionsfraktionen sichtbar geworden: Die Linke und auch Grüne und SPD stehen ohne Zweifel dazu, eine solche Einzelfallprüfung auch in der kommenden Legislaturperiode fortzusetzen. Das ist überhaupt nicht die Frage – Herr Scherer, darum geht es letztendlich überhaupt nicht –, sondern um die Frage: Wie gestalten wir diese Einzelfallprüfung? Mit welchem Ergebnis gehen wir in die öffentliche Auseinandersetzung, auch im Interesse verantwortlicher Aufarbeitung? Da verfolgen wir einen anderen Ansatz. Über den können wir diskutieren, aber es ist doch tatsächlich den Fakten widersprechend, wenn Sie sagen, wir würden uns dieser Aufarbeitung auch über 2019 hinaus verweigern.


Meine Damen und Herren, die öffentliche Debatte, die wir auch über 2019 hinaus gern führen wollen, eröffnet gerade den Bürgerinnen und Bürgern auch die Möglichkeit, sich selbst ein Urteil zu bilden, die Entscheidung des Souveräns auch in dieser Frage an sich zu ziehen und natürlich darüber mitzuentscheiden, ob ein Kandidat würdig ist, Abgeordneter zu werden – diese Entscheidung müssen Wählerinnen und Wähler nach ganz unterschiedlichen Kriterien bei jeder Wahl treffen. Da hat jeder Wähler und jede Wählerin ganz unterschiedliche Kriterien.


Diese Grundlage dafür, dass der Souverän nicht nur die Möglichkeiten dazu bekommt, sondern auch an einer solchen Diskussion beteiligt wird, wollten wir mit unserem Änderungsantrag schaffen. Aber – Herr Scherer, Sie haben es angesprochen, das ist auch schon im Internet verbreitet worden – wir sind uns genau in dieser Frage in der Koalition nicht einig geworden. Ich glaube, dass eines tatsächlich auch wichtig ist, in diesem Zusammenhang mit diesem Thema festzustellen: Das ist keine Entscheidung, die wir einfach einmal über das Knie brechen, die wir einfach möglicherweise nach solchen Schwarz-weiß-Kriterien, wie Sie sie hier vorgestellt haben, entscheiden, sondern wir haben tatsächlich die Verantwortung, auch gerade vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Erfahrungen in der DDR, auch mit den unterschiedlichen Erfahrungen mit erlebtem und begangenem Unrecht in der DDR, mit der eigenen Erfahrung der historischen und persönlichen Verankerung in der DDR haben wir die Verantwortung, auch diese Diskussion weiter zu führen. Wir haben auch nicht den Zeitdruck, heute an dieser Stelle eine abschließende Entscheidung zu treffen. Wenn wir heute die Beschlussempfehlung des Justizausschusses ablehnen und in der Konsequenz aber auch Ihren Gesetzentwurf, dann bleibt die bisherige Rechtslage bestehen. Das Einzelfallüberprüfungsverfahren wird sich fortsetzen, wie es bereits in der Vergangenheit geführt worden ist. Wir haben dann die Möglichkeit, wenn der Bundesgesetzgeber im Jahr 2017 darüber entscheidet, ob für Thüringen überhaupt ab dem Jahr 2019 und darüber hinaus die Möglichkeit noch bestehen wird, Zugang zu den Akten für eine Einzelfallprüfung zu haben, aber dann auch die Verantwortung gemeinsam über die Art und Weise des Überprüfungsverfahrens intensiv zu diskutieren und einen entsprechenden Vorschlag in den Landtag einzubringen. Das ist jedenfalls unsere Position, zu der wir nach einer intensiven Debatte in der Koalition gefunden haben. Aber eines bedeutet diese Entscheidung mit Sicherheit nicht, Herr Scherer: eine Verweigerung der Aufarbeitung nicht nur der Geschichte der Parteien, die hier sitzen,


(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Was denn sonst?)


und da hat die Linke eine besondere Verantwortung, anders als SPD und Bündnis90/Die Grünen. Es ist keine Verweigerung der Aufarbeitung auch der eigenen persönlichen Involviertheit in der DDR, der eigenen politischen und persönlichen Verantwortung für Unrecht oder für das Funktionieren von Unrecht schaffenden Systemen. Aber das ist eben auch eine Auseinandersetzung die weit über die Frage hinausgeht, ob wir ein Etikett im Gesetz belassen oder nicht. Herzlichen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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