Verhinderung der 380-kV-Hochspannungstrasse durch den Thüringer Wald

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/125 -

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Worm, Herr Kollege Weber, der Thüringer Landtag kann sehr wohl eine politische Willenserklärung abgeben und er kann sehr wohl heute hier Nein sagen zu dieser 380-kV-Leitung. Das zum Ersten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Zweiten kann der Thüringer Landtag sehr wohl auch fordern, und zwar einen gesetzlichen Grundsatz einfordern, dass man zuerst einmal Netzoptimierung vor Netzverstärkung, vor Netzneubau prüft, dass man also Alternativen prüft. Dazu kann man dabei auch das Jarass-Gutachten nutzen, das jedem vorliegt oder das man sich zumindest besorgen kann. Man kann also prüfen, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt als diesen Neubau. Und das Jarass-Gutachten sagt ganz eindeutig, diese 380-kV-Leitung durch Thüringen nach Bayern ist nicht notwendig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt hier ansprechen - das EnLAG. Ich sage Ihnen eines und ich komme nachher auch in meiner Rede noch mal ganz deutlich dazu, wenn wir die Tür aufstoßen - und ich sage Ihnen, die Bürgerinitiativen, die Städte und Gemeinden werden die Tür aufstoßen -, dass man dieses Gesetz auf Verfassungsmäßigkeit überprüft, dann bin ich fest davon überzeugt, dass dieses Gesetz kassiert wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme jetzt zu meiner eigentlichen Rede. Seit nunmehr drei Jahren währt der Kampf der Bürgerinnen und Bürger der Städte und Gemeinden und Landkreise gegen die 380-kV-Höchstspannungsleitung durch Thüringen nach Bayern. Erst vor wenigen Tagen hat eine Veranstaltung in Masserberg stattgefunden, organisiert von der Interessengemeinschaft "Achtung Hochspannung" und die vereint 13 Bürgerinitiativen aus Thüringen und Bayern. Diese Veranstaltung hat wieder eindeutig und ganz klar gezeigt, der Widerstand ist und bleibt ungebrochen und Bürgerinnen und Bürger sind nicht mehr gewillt, zulasten ihrer Heimat, der Natur und Umwelt und ihrer Lebensqualität weitere Einschnitte vorzunehmen. Ich denke, es wurde auch in dieser Veranstaltung ganz deutlich, dass das bisherige Denken auf dem Gebiet der Energiepolitik hoffnungslos veraltet und falsch ist. Aus Gründen des Klimaschutzes, der Verantwortung für unsere Umwelt bzw. auch für die uns nachfolgenden Generationen und der Ressourcenknappheit sowie aus prinzipiellen sozialen Aspekten müssen wir diese verkrusteten Denkstrukturen aufbrechen. Wir können es uns nicht mehr leisten, nur in den Gleisen der heutigen Energieversorgung zu denken. Wir brauchen ein Umdenken. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir brauchen mehr Energieeffizienz und wir brauchen im Besonderen dezentrale Energieerzeugung, -verteilung und -versorgung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen gerade in Thüringen den Mix regenerativer Energien. Es sei an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich betont, die Bürgerinitiativen gegen die 380-kV-Leitungen stehen ausdrücklich für diesen Paradigmenwechsel. Sie sind keine Modernisierungsverhinderer oder Zukunftspessimisten. Im Gegenteil, diese Menschen stehen für ein Zukunftskonzept, für eine ernsthafte Alternative und das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bedarf unserer Unterstützung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben auch wir diesen Antrag in den Thüringer Landtag eingebracht und wir wollen die, die gegen diese Leitung ideenreich und demokratisch kämpfen, unterstützen. Erstens geht es meiner Fraktion in diesem Zusammenhang um die notwendigen Schritte, die juristischen Handlungsmöglichkeiten zur Verhinderung dieser Leitungen auszuschöpfen. Zweitens wollen wir vor allen Dingen auch ein politisches Signal setzen. Der Thüringer Landtag kann auch jetzt noch diese Höchstspannungstrasse ablehnen und damit mit Tausenden, die sich organisiert haben, gegen diese Widerstand leisten. Drittens geht es uns auch darum, konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir mit einer zeitgemäßen, modernen Energiepolitik ohne Atomstrom und möglichst schnell auch ohne Kohle mit den Ressourcen, die wir hier vor Ort in Thüringen vorfinden - und dazu gehört für uns auch die Ressource Intelligenz und Wissenschaft genauso wie Sonne, Wind, Erdwärme, Holz und Wasser - den Energiebedarf decken können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor 100 Jahren waren Stahlgittermasten ein Zeichen für den technischen Fortschritt. Heute sind sie ein Relikt der Vergangenheit und werden mit Recht von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Das ist nicht nur so in Thüringen, das ist auch in anderen Bundesländern so, überall dort, wo es Ziel ist, solche Leitungen zu bauen. Um diesem Protest begegnen zu können, hat der Deutsche Bundestag die in einem demokratischen Gemeinwesen üblichen Wege der Meinungsbildung außer Kraft gesetzt, in die Trickkiste der Planwirtschaft gegriffen und am Ende seiner vorherigen Legislaturperiode, am 21. August dieses Jahres, das sogenannte Energieleitungsausbaugesetz beschlossen. Wir sagen, es ist ein fundamentaler Eingriff in das bundesdeutsche Rechtssystem und meine Fraktion ist nicht bereit, diese Bevormundung der Länder sowie die Einschränkung der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern und Kommunen hinzunehmen.

Wir sagen, erstens, das EnLAG ist ein unzulässiger Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen nach Artikel 28 des Grundgesetzes, da solche Großprojekte örtliche Projekte betroffener Gemeinden behindern und einschränken können.

Wir sagen zweitens, das Gesetz/der Gesetzestext bezieht sich ausdrücklich auf einzelne Versorgungsgroßprojekte privater Energieversorger. Der Geist des Gesetzes folgt somit lediglich den Interessen von ausgewählten Wirtschaftsunternehmen und nicht dem wirtschaftlichen Gemeinwohl. Es handelt sich daher aus unserer Sicht um ein nach dem Grundgesetz verbotenes Einzelfallgesetz.

Drittens fehlt dem Bund für das EnLAG die nach Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz notwendige Gesetzgebungskompetenz. Diese bestünde nämlich nur, wenn gleichberechtigte Lebensverhältnisse in allen Bundesländern geschaffen werden sollen, und mit Blick auf die 380-kV-Leitung ist das nicht so.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen weiteren Sachverhalt dieses Gesetzes aufgreifen. Es kann doch wirklich nicht sein, dass einem privaten Versorgungsträger per Gesetz die Möglichkeit eingeräumt wird, sich auszusuchen, ob ein bereits laufendes Verfahren nach neuer oder nach alter Rechtslage zu beurteilen und abzuwickeln ist. Allein das ist schon ein Aspekt, den man im Rahmen einer Normenkontrolle überprüfen muss. Es ist auch nicht hinzunehmen, dass ohne vorherige ergebnisoffene Alternativprüfung per Gesetz bundesweit 24 Vorhaben im 380-kV-Netz, darunter auch die hier in Thüringen betreffende Leitung Halle-Schweinfurt, als notwendig eingestuft werden, und das ob der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit im Nachhinein nicht mehr infrage gestellt werden kann und so der Überprüfung der zuständigen Behörden der Bundesländer und der Kommunen entzogen wird. Genauso kritisch sehen wir die im EnLAG einhergehende Verkürzung des Rechtswegs, erst- und letztinstanzlich soll für die genannten Vorhaben allein das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein. Nicht mit uns, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir hoffen, dass Sie sich mit einer Zustimmung - ich habe ja jetzt schon gehört -, zumindest eine Diskussion im Wirtschaftsausschuss weiterführen wollen und vielleicht auch nach der Diskussion in diesem Ausschuss unserem Antrag und unserer Auffassung anschließen können.

Genauso wie wir hoffen, dass Sie unsere Auffassung, diese Stromleitung zu verhindern, mittragen. Diese Leitung ist für die Übertragung von im Norden erzeugter Windenergie - Kollege Adams hat es hier auch schon sehr deutlich gemacht - nicht notwendig. Nach wie vor gilt die Aussage, die die renommierten Wissenschaftler Prof. Jarass und Obermair in ihrem von 33 Landräten, Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Bürgerinitiativen in Auftrag gegebenen Gutachten bereits vor über 2 Jahren, im Oktober 2007 gemacht haben. Diese Aussage konnte bis jetzt niemand widerlegen, keiner. Warum? Weil Jarass und Obermair anhand der Lastflussanalysen von Vattenfall überzeugend nachweisen konnten, dass die Notwendigkeit neuer Leitungen im Übertragungsnetz wesentlich dadurch verursacht wird, weil die Energieversorger bei Starkwindeinspeisung und Starklast ihre konventionellen Kraftwerke nicht angemessen zurückfahren werden. Das ist nicht nur eine Aussage im Gutachten, sondern diese Aussage hat ebenfalls eine Vertreterin von Vattenfall im Juni vergangenen Jahres auf einer Energiekonferenz an der TU Ilmenau bestätigt.

Neue Leitungen werden also nur dafür gebraucht, den überschüssigen konventionellen Strom weiträumig abzutransportieren. Es geht bei dieser 380-kV-Leitung nicht um Windenergie, es geht bei dieser 380-kV-Leitung nicht um Klimaschutz, es geht um Profit, es geht um nichts anderes, es geht um Maximalprofit. Und nur, weil sich der Profit am besten mit veralteten aber eingelaufenen Technologien für die Stromkonzerne am besten sichern lässt, hält man an dem lebensgefährlichen Atomstrom fest und ist auch nicht bereit, die welterprobten Techniken zur Optimierung der Stromnetze, wie Hochtemperaturseile und Freileitungsmonitoring in Deutschland einzuführen. Hier sage ich, hier ist die Politik gefordert, nicht die Lobbyinteressen von Vattenfall und Co. zu vertreten, sondern die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

Ich sage es ganz offen: Wir müssen hier bei uns in Thüringen Vattenfall und anderenorts E.ON, RWE und EnBW ihre Grenzen aufzeigen. Das ist nach unserer Überzeugung eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass der notwendige Klimawandel auch gelingt. Die neue Struktur der Energieversorgung wird in der Zukunft nicht von Monopolen geprägt sein, sondern wird schon durch die Vielzahl der Energieanbieter sich demokratischer organisieren müssen. Kern werden die kommunalen Stadtwerke sein und davon bin ich überzeugt. Genauso, wie ich davon überzeugt bin, dass wir nur so in der Lage sind, die für den Energiewandel notwendigen intelligenten Netze aufzubauen, sogenannten "smart grids", wo z.B. der Stromverbrauch der einer Erzeugung folgt, mit modernen leistungsfähigen Speichern, um die Nachteile der fluktuierenden Erzeugung von Elektroenergie aus Wind und Sonne zu überwinden. Ein weltweit agierender Energiekonzern - das will ich hier auch einmal an dieser Stelle sagen - hat offensichtlich die Zeichen der Zeit verstanden. Dong energy hat sein Vorhaben, in Greifswald ein neues Kohlekraftwerk aufzubauen, Anfang dieser Woche aufgegeben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch, denke ich mal, ein beachtenswertes Signal. Warum kann das nicht auch sein mit dieser 380-kV-Leitung? Ich denke, wenn wir hier politisch agieren, wenn wir diese Leitung ablehnen, wenn wir alles dafür tun, dass diese Leitung, dass dieses Vorhaben nicht durchgesetzt wird, dann kann auch das für uns hier zum Erfolg werden.

Ich freue mich erst einmal, dass der Antrag im Ausschuss diskutiert werden soll. Es liegt ja noch ein Entschließungsantrag vor. Auch dieser, habe ich gehört, soll noch einmal Diskussionsschwerpunkt im Ausschuss werden, das würde ich teilen. Ich war erst für eine Abstimmung heute hier, weil ich denke, dass schnellstmöglich eine öffentliche Anhörung stattfinden muss noch vor Abschluss des Planfeststellungsverfahrens für den Abschnitt Vieselbach/Altenfeld. Aber, ich denke, wenn wir uns zeitnah mit dieser Problematik im Ausschuss beschäftigen, kann dem meine Fraktion folgen.

(Beifall DIE LINKE)

So, jetzt Ihre Frage.

Vizepräsidentin Hitzing:

Herr Abgeordneter Weber, bitte.

Abgeordneter Weber, SPD:

Frau Kollegin Enders, ich schätze Ihr Engagement in der Frage sehr und auch Ihr profundes Fachwissen. Deshalb erlauben Sie mir bitte zwei Fragen: Zum einen: Sie kennen auch die weiteren Gutachten und nicht nur das Jarass-Gutachten in der Frage? Eine weitere Frage: Sie wissen, dass es faktisch nur möglich ist, ein Normenkontrollverfahren auf den Weg zu bringen, wenn ein Genehmigungsverfahren erteilt wurde?

Abgeordnete Enders, DIE LINKE:

Das ist verkehrt. Normenkontrollantrag - das Gesetz ist rechtswirksam. Damit kann also jetzt auch ein Normenkontrollantrag durch die Landesregierung gemacht werden. Was man machen kann als zweiter Weg wäre, dass z.B. nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens, das gegenwärtig noch läuft, dann der Klageweg durch Beteiligte, durch Kommunen oder Bürgerinnen und Bürger gemacht werden kann. Das wäre ein weiterer Weg. Ein dritter Weg, der würde jetzt auch noch gehen bis nächstes Jahr August, das wäre also die Kommunalverfassungsbeschwerde. Ich sage Ihnen, wir werden einen dieser Wege einschlagen. Die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, wir werden an dieser Stelle alles tun.

Zum anderen, Sie hatten noch einmal nach dem Gutachten gefragt. Ja, es gibt noch ein weiteres Gutachten, das die Landesregierung in Auftrag gegeben hatte. Das war das Gutachten, das die Professoren Bellmann und Säcker auch erstellt haben. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass dieses Gutachten - ich sage es jetzt mal so - einen juristischen Teil hat und einen technischen Teil. Man hat also in diesem Gutachten mehr oder weniger sich auf juristische Fakten gestützt. Das ist erst einmal auch ein Punkt und hat sehr wenig oder überhaupt nicht oder ganz wenig die technischen Alternativen auch überprüft.

Ich möchten Ihnen auch noch einmal weitere Defizite aus dem Gutachten - wir können gern darüber diskutieren, ich habe es gelesen, mich damit beschäftigt, Gespräche geführt mit Bellmann und Säcker, Jarass usw. Es sind da eben auch sehr unzureichende Betrachtungen zur wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Netzausbaus enthalten. Das Gutachten, was von Säcker und Bellmann erstellt worden ist, das setzt sich überhaupt nicht kritisch auch mit der dena auseinander. Ich sage hier und, ich glaube, im Moment laufen ja auch weitere Betrachtungen, das ist die dena 1, die die Grundlage auch für das EnLAB darstellt. Ich sage, die dena 1 ist technisch und juristisch veraltet. Hier sind sehr, sehr viele große Defizite auch in der dena zu finden. Man hat sich also überhaupt nicht auch mal Gedanken gemacht z.B. zur Kosten-Nutzen-Analyse. Das heißt, ist dieser Neubau überhaupt zweckmäßig. Man hat auch die gesetzlichen Grundlagen, was auch im EEG bzw. ENWG auch ganz korrekt verankert ist, dass man erst einmal den gesetzlichen Grundsatz auch überprüft; Netzoptimierung, Netzverstärkung, Netzneubau. Auch das wurde nicht überprüft. Es gibt also dort sehr viele Dinge. Ich würde das gern mit Ihnen im Ausschuss diskutieren. Ich könnte Ihnen auch noch eine Abhandlung zur dena halten. Das will ich aber jetzt nicht tun. Ich glaube, weil das doch auch technische Details in dem Zusammenhang sind.

(Beifall DIE LINKE)

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