UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen wirksam und zeitnah in Thüringen umsetzen

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/184 -

Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, Frau Künast hat bereits darauf hingewiesen, dass in der Ausschuss-Sitzung der Antrag der Fraktion DIE LINKE inhaltlich sehr, sehr intensiv beraten wurde und trotzdem, denke ich, gibt es noch ein paar Punkte, auf die wir heute noch mal unbedingt eingehen müssen.

Ich fange an mit der Plenarsitzung vom Dezember 2009 und komme auch auf die Sozialausschuss-Sitzung noch mal zurück: Ich hatte den Eindruck, alle Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen waren sich in den Sitzungen einig, dass die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen, die, wie wir wissen, seit März 2009 in Kraft getreten ist, einen wirklich wichtigen Beschluss, einen Leitfaden sozusagen von außerordentlich großer Bedeutung darstellt. Ich möchte es an dieser Stelle auch noch einmal wiederholen, und dies mit Recht, dass die UN-Konvention somit einen globalen Paradigmenwechsel zugunsten von behinderten Menschen darstellt und ein Meilenstein ist.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage auch, die UN-Konvention ist nicht nur ein Stück Papier, in der viele, viele Artikel formuliert worden sind, sondern sie ist ein richtungsweisendes Instrument für Bund, Land und Kommunalpolitik, was mit Leben erfüllt werden muss. Darin, werte Abgeordnete aller Fraktionen, dies hatte ich so herausgehört, bestand Einigkeit. So weit, so gut, könnte man denken, aber über die Schritte und die Intensität, wie wir diese UN-Konvention mit Leben erfüllen müssen auf den unterschiedlichsten Ebenen, gab es, so hatte ich den Eindruck, über die Fraktionen hinaus sehr, sehr große Unterschiede.

Lassen Sie mich in dem Sinne also noch mal auf den Antrag der LINKEN eingehen, denn der ist ja Grundlage auch heute und steht zur Abstimmung. Punkt 1 unseres Antrags war eine Berichterstattung, die wir im Dezember hörten. Ich weise auch noch mal darauf hin, dass die Berichterstattung seitens der Ministerin sehr gut gelaufen ist, dass da viele Ziele formuliert worden sind. Nun wollen wir sie aber an der Umsetzung der dort formulierten Ziele messen.

Punkt 2 unseres Antrags hatte drei Unterpunkte. Der eine war die Umsetzung der UNKonvention auf Bundes- und Landesebene, die Erstellung eines Berichts zur Situation von Menschen mit Behinderungen, das war ein zweiter Unterpunkt, und die Novelle des Thüringer Gleichstellungsgesetzes somit ein dritter.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU, ich habe selten so viele Ausflüchte und so viele Erklärungsnöte von Ihnen im Ausschuss gehört wie genau zu diesen drei formulierten Punkten. Lassen Sie mich noch einmal im Einzelnen darauf eingehen. Wir haben gefordert, dass die Landesregierung bis zum Mai 2011 uns einen schriftlichen Bericht über die Situation von Menschen mit Behinderungen vorlegen soll. Sie hatten ja Mühe zu erklären, was alles nicht geht. Da war Ihnen die Zeitschiene zu knapp, da muss ein Institut beauftragt werden, da war die Frage des Geldes noch nicht geklärt, da war also auch noch nicht geklärt, was man aufnehmen müsste in einem Bericht - also Sie haben sich gewunden wie ein Aal und trotzdem sind Sie uns nicht argumentativ entgegengekommen, wo wir Sie aufgefordert haben, da nehmen wir doch einen anderen Termin, wo ein Bericht vorgelegt werden kann. Sie haben schlicht und einfach nicht gewollt, dass genau die Fraktion DIE LINKE diese Einforderung eines Berichts sehr, sehr zeitnah zur Abstimmung stellt. Sie haben durch Ablehnung dieses Antrags auch in dem Punkt meiner Meinung nach Ihr Desinteresse bekundet.

Ähnlich wie bei der Berichterstellung erging es dem Punkt, man möge doch einen Landesaktionsplan formulieren. Sie verwiesen immer wieder darauf, dass erst der Bund einen nationalen Aktionsplan erstellen müsse und dass Sie als Landesregierung ja dann erst handeln könnten, und außerdem würden Sie ja auch als Landesregierung genau an dieser Stelle mitarbeiten. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, ich denke, genau diese Argumentation, genau dieses Herangehen ist falsch, denn wir als Land haben natürlich die Aufforderung erhalten über die UN-Konvention, eigenständig zu handeln. Wir müssen nicht warten, bis ein Bund sich irgendwann einmal bemüht zu reagieren oder zu handeln, da ja, wie wir auch wissen, die sogenannte Bund-Länder-Kommission noch nicht einmal im Januar getagt hatte.

(Beifall DIE LINKE)

Es kommt noch schlimmer. Ich habe mich damit befasst, was im Bundestag für Anfragen gestellt wurden. So gibt es eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten der LINKEN, Ilja Seifert, wo er die Bundesregierung befragte, bis wann sie denn nun den gefassten Beschluss aus dem Bundesrat vom Dezember letzten Jahres zur Erstellung von nationalen Aktionsplänen umsetzen wollten. In der Antwort auf die Anfrage des Bundestagsabgeordneten ist zu lesen, man warte ab und vor 2011 wird die Bundesregierung nicht anfangen, Aktionspläne überhaupt erst einmal zu diskutieren. Hier frage ich Sie ganz ernsthaft, Frau Ministerin: Wollen wir denn so lange warten, bis der Bund sich irgendwann mal bemüht zu reagieren, oder wollen wir nicht eigenständig endlich anfangen, in Thüringen genau diese Handlungen vorzunehmen? Wollen wir denn zulassen, dass mit solchen Hinauszögerungen die Menschen mit Behinderungen in eine Art Warteschleife geschickt werden? Ich denke, das steht uns gemeinsam nicht zu.

(Beifall DIE LINKE)

Ich erkläre noch einmal, wir haben einfach die Möglichkeit, Frau Taubert, zu handeln, wir haben ein Schulgesetz, was weiterhin qualifiziert werden muss, wir haben die Bauordnung, wir haben in der Justiz verschiedene Bereiche, lassen Sie es uns einfach tun.

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Da sind wir doch schon lange dabei.)

(Beifall DIE LINKE)

Frau Taubert, ich habe auch recherchiert. Ihre Amtskollegin aus Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, lässt sich nicht in die Warteschleife des Bundes schicken, was die Erstellung von nationalen Aktionsplänen anbelangt, sondern sie sagt - ich zitiere: "Jetzt geht es darum, die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Praxis mit Leben zu erfüllen. Deshalb arbeiten wir in Rheinland-Pfalz daran, einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention zu entwickeln. Am 25. März 2010" - ich wiederhole es noch einmal, am 25. März 2010 - "soll dieser Aktionsplan der Öffentlichkeit vorgestellt werden." So die Ministerin aus Rheinland-Pfalz.

Ich frage mich, warum ist das, was in Rheinland-Pfalz seit vielen, vielen Monaten gang und gäbe ist, nicht auch in Thüringen umsetzbar. Motor dieser Initiative von Rheinland-Pfalz ist der rheinland-pfälzische Landesbehindertenbeauftragte Ottmar Miles-Paul und er sagte - auch hier darf ich zitieren: "Mit diesem Aktionsplan wollen wir einen Rahmen schaffen, um möglichst viele Verbündete zu finden, wo jeder und jeder in seinem Bereich der Verantwortung dafür trägt, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am Leben teilnehmen können." Diesen Worten ist nichts mehr hinzuzusetzen. Ich hoffe, ich hoffe einfach, dass der Thüringer Landesbehindertenbeauftragte Herr Dr. Brockhausen eine ähnliche Durchsetzungskraft entwickelt, wie das Ihr Amtskollege macht in Rheinland-Pfalz.

Werte Abgeordnete, nun liegt uns ein Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD heute zur Beratung vor. Ich habe lange überlegt, was daran wirklich alternativ ist. Ich habe nicht viel gefunden. Ich möchte noch einmal im Einzelnen auf die Punkte eingehen:

In Punkt 1, werte Kollegen der Koalitionsfraktion, fordern Sie die Landesregierung auf, also sie wird gebeten, sich auf Bundesebene mit der Erarbeitung und Verwirklichung eines nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der behinderten Menschen mit den Thüringen Verbänden ins Benehmen zu setzen und sich da einzubringen. Zu diesem Punkt kann ich schlicht und einfach nur sagen, das ist Ihr Job als Landesregierung, genau im Bund und im Bundesrat sich dafür einzusetzen. Warum muss ich das heute einfach noch einmal als Landtag beschließen? Sie haben uns im Ausschuss erklärt, Sie arbeiten mit in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, also sind Sie schon aktiv und ich sehe gar nicht, warum man hier einfach noch einmal das uns als Parlament vorlegt, dass wir dieses noch einmal beschließen müssen. Ich finde, dieser Punkt ist einfach nur Lyrik.

Punkt 2: Sie wollen die Durchführung eines Fachforums, was das Gleichstellungsgesetz anbelangt. Ja, sage ich, da sind wir bei Ihnen, wir sind auch dabei, dass Sie gemeinsam ein Fachforum hier auf den Weg bringen. Aber hier hätte ich mir mehr Verbindlichkeiten, was eine Terminsetzung anbelangt, gern gewünscht. Hier steht nichts drin, wann dieses Fachforum durchgeführt werden soll. Ja, wird es in diesem Jahr noch werden, kommt es 2011 oder wann? Ich denke einfach, dieser Punkt ist sehr, sehr unkonkret.

Punkt 3: Sie fordern die Landesregierung auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und SPD, man möge wieder prüfen, inwieweit nationale Aktionspläne etc. umgesetzt werden können. Ich habe bereits vorhin darüber gesprochen, dass wir nicht erst prüfen müssen, sondern dass wir handeln müssen, Frau Taubert, handeln, und zwar gemeinsam, auch hier über den Landtag und gemeinsam mit den Verbänden. Daran hapert es im Moment, so scheint mir. Einfach nur eine förmliche Umsetzung, sozusagen auf die lange Bank zu schieben, zu warten bis der Bund reagiert, ist mit uns nicht zu machen.

Punkt 4: Das ist die Berichterstattung, die Sie in den Antrag geschrieben haben. Hier, denke ich, ich habe lange über diesen Punkt nachgedacht, haben Sie wirklich, werte Kollegen von der CDU und SPD, die UN-Konvention noch nicht richtig verinnerlicht.

(Beifall DIE LINKE)

Die Menschen mit Behinderungen wollen nicht als Teil eines Sozialberichts gehandhabt werden. Sie möchten einen eigenständigen Bericht, denn sie gehören zu einer Querschnittsaufgabe. Sie sind nicht Anhängsel vom Sozialen, sondern hier brauchen wir einen eigenständigen Bericht.

(Beifall DIE LINKE)

Aus diesen Gründen, die ich gerade alle genannt habe, habe ich meiner Fraktion empfohlen, Ihren Alternativantrag, der wirklich keine Alternative zu unserem Antrag darstellt, nicht mit anzunehmen. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich bitte Sie einfach, sich auch noch einmal unseren Antrag anzuschauen, er ist einfach der weitergehende. Ich plädiere dafür, unseren Antrag anzunehmen, Ihrer würde demnach nicht abgelehnt, unserer wird angenommen; denn er ist wirklich der weiterführende. Mit dem Bericht oder mit dem Alternativantrag von CDU und SPD ist für meine Begriffe ein kläglicher Versuch, die behindertenpolitische Kompetenz ihrerseits zu formulieren, gescheitert. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien