Umsetzung eines Archivs zu NSU und Rechtsterrorismus in Thüringen

Katharina König-Preuss

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/6602

 

Sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, erst mal danke schön für die Aktuelle Stunde. Ich glaube, wichtig ist, ein Stück weit zu unterscheiden, worüber man redet, weil in der Begründung und in der Einreichung geht es um zwei verschiedene Sachen, nämlich einmal um das NSU-Archiv, was wir hier in Thüringen beschlossen haben, wo auch Herr Kellner vollkommen zu Recht und richtigerweise gesagt hat, das ist ein gemeinsamer Beschluss, den wir hier in Thüringen umsetzen wollen – auch herzlichen Dank dafür, Herr Kellner, dass Sie das noch mal für die CDU-Fraktion heute hier so bekräftigt haben –, und das Andere ist das Archiv „Rechtsterrorismus“, das auf Bundesebene kommen soll. Die beiden Sachen können zusammengehen, sie müssen aber nicht zusammengehen. Und das halte ich schon auch für wichtig, wenn wir hier über dieses Archiv reden: Über welches reden wir und um welche Akten geht es da genau? Ich bin auch dafür, dass wir in Thüringen das NSU-Archiv errichten. Ich bin aber auch dafür, dass wir uns dafür einsetzen, dass das Archiv „Rechtsterrorismus“ nach Thüringen kommt. Allerdings bin ich dagegen, dass wir warten, bis auf Bundesebene irgendeine Entscheidung getroffen wird, sondern wir fangen hier an.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Und wenn auf Bundesebene entschieden werden sollte, dass das Bundesarchiv zum Rechtsterrorismus in Thüringen gut angesiedelt wäre, ich glaube, Herr Kellner, dann sollten wir uns gerade mit den Erfahrungen der zwei Untersuchungsausschüsse zum NSU-Komplex dem nicht entgegenstellen, sondern das befördern und unterstützen. Ich glaube, das steht Thüringen wirklich gut an, gerade angesichts – wie auch Frau Marx gesagt hatte – der wirklich guten Aufklärungsarbeit, die die beiden Untersuchungsausschüsse zum NSU-Komplex hier geleistet haben. Trotzdem: Ja, es ist an der Zeit, das NSU-Archiv in Thüringen umzusetzen.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich hoffe, dass es uns gelingt, jetzt in diesem Jahr die entsprechenden juristischen Klärungen endlich auch abzuschließen, um dann die entsprechenden Mittel zur Umsetzung in den Haushalt 2024 einzustellen. Da sollten wir uns alle nichts vormachen: Vermutlich geht es da nicht um eine kleine sechsstellige Summe, sondern wir reden da eher von einem kleineren Millionenbetrag, der benötigt wird, um diese ganzen Aktenordner – 12.000 – a) entsprechend zu lagern und b) zu digitalisieren. Ich glaube, so ganz ohne zusätzliches Personal wird auch das Staatsarchiv es nicht stemmen können, wenn diese Akten auch entsprechend aufbereitet für Forschung, Wissenschaft und weitere Aufarbeitung zur Verfügung gestellt werden sollen.

 

Ich will an einer Stelle mal ganz kurz dieser Sache widersprechen. Oder ich weiß gar nicht, ob es ein Widerspruch ist, dass wir nur mit den weiteren Akten aus den anderen Bundesländern vorankommen würden. Ja, ich bin Fan davon, dass alles übereinander zu legen und zwar nicht nur aus den Bundesländern, sondern auch aus dem Gerichtsprozess und auch Recherchen beispielsweise von antifaschistischen Gruppierungen, aber auch investigativen Journalist/-innen. Ich glaube aber, dass allein das NSU-Archiv in Thüringen und die Akten, die wir hier in Thüringen haben, schon so viel weiteres Aufklärungspotential haben, wenn es gelingen könnte, die einmal wirklich komplett zu lesen, übereinander zu legen und wie ein Puzzle zu versuchen, weitere Informationen dort herauszuholen. Weil wenn wir ehrlich sind, auch wenn die beiden Thüringer Untersuchungsausschüsse gut gearbeitet haben. Auch den beiden Thüringer Untersuchungsausschüsse ist es nicht gelungen, alle Aktenordnern, wir reden hier von über 12.000, einmal komplett zu lesen, geschweige denn dann die Informationen auch mit weiteren Informationen aus Zeugenvernehmungen oder auch Sachverständigenanhörungen übereinander zu legen. Das heißt auch mit dem NSU-Archiv in Thüringen gibt es schon eine hohe Chance, die Aufklärung ein Stück weiter voranzutreiben.

 

Und zuletzt in Bezug auf die Veröffentlichung des hessischen Berichtes: Das ist schon spannend, wenn man sich diesen Bericht anschaut und feststellt, dass in einem hessischen Bericht zum NSU-Komplex an erster Stelle mit den meisten Meldungen a.) Thomas Gerlach, ein führender Hammer-Skin, der hier in Thüringen, in Altenburg lebt und der übrigens auch bei diesen Montagsdemonstrationen mit aktiv ist, genannt wird. Insgesamt 28 Mal wird der in einem hessischen Bericht genannt. Und an zweiter Stelle folgt dann Torsten Heise, der ja auch gut bekannt und befreundet ist mit dem Fraktionsvorsitzenden der Rechtsaußen-Partei, auch in diesem hessischen Bericht an zweiter Stelle. Und dazu kommen weitere Thüringer Neonazis, die genannt werden. Ich glaube, man muss sich das mal bewusstmachen, dieser Bericht und diese zugrundeliegenden Informationen lagen den beiden Thüringer Untersuchungsausschüssen nicht vor, trotzdem wir auch hätten geheime Akten verwerten dürfen. Das heißt auch, mindestens an der Stelle gibt es eine Aufklärungslücke, die durch das Credo der Verfassungsschutzbehörden, Geheimschutz steht vor Aufklärung, Quellenschutz steht vor Aufarbeitung, verhindert wurde zu schließen, diese Lücke zu schließen. Und ich glaube schon, dass es notwendig ist und dass wir versuchen, soweit wie es nur geht, alle Lücken der Aufklärung im NSU-Komplex zu schließen. Ich freue mich, dass die CDU weiter mit dabei ist. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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