Thüringer Gesetz zur Reform des land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks-, Landpachtverkehrs- und Siedlungsrechts

Dr. Marit Wagler

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/9113

 

Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauer! „Die Tatsache, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Oh, oh, oh!)

 

und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern.“ So begründete das Bundesverfassungsgericht im Januar 1967 die Sonderstellung von Grund und Boden in der rechtlichen Behandlung im Vergleich zu anderen Gütern.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Hört, hört!)

 

Der landwirtschaftliche Grundstücksverkehr, also der Verkauf von landwirtschaftlicher Nutzfläche, ist einer der meist regulierten Bereiche der Marktwirtschaft in Deutschland. Verkäufe von Agrarland können von den Behörden unter bestimmten Bedingungen verboten werden, obwohl das ein Eingriff ins Eigentumsrecht ist. Wie sieht es also mit dem landwirtschaftlichen Grund und Boden hier in Thüringen aus? Laut Situationsbericht der Landwirtschaft haben sich die Kaufpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen im bundesweiten Durchschnitt seit 2007 mehr als verdreifacht. Bei den Pachtpreisen sieht es ein wenig moderater aus. Das Kapital sucht besonders in Krisenzeiten nach günstigen Anlagemöglichkeiten. Auch wenn landwirtschaftliche Fläche auch keine großen Renditechancen bietet, so bietet sie doch große Sicherheit vor einem Werteverfall. Besonders die vielen mittelgroßen bis großen Betriebsstrukturen im Osten, mit den entsprechenden Flächen, wecken da große Begehrlichkeiten. So stieg der Pachtpreis im Flächenagrarland Mecklenburg-Vorpommern allein im letzten Jahr um 8 Prozent. In Thüringen liegen die Pachtpreise noch bei vergleichsweise moderaten 219 Euro pro Hektar, aber in Thüringen haben wir uns bis jetzt unsere kleinteiligen, komplexen Strukturen bewahrt. Das wird allerdings nicht so bleiben, denn 2019, da horchte das Land auf, als die Adib Agrargesellschaft mit rund 6.000 Hektar Eigentums- und Pachtfläche für insgesamt 40 Millionen Euro an die außerlandwirtschaftliche Boscor Group ging, ein Teil der Aldi-Stiftung.

 

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Genau so war es!)

 

Der rechtlich eigentlich hoch regulierte Bodenmarkt funktioniert also heute de facto heute nur noch bedingt, um landwirtschaftliche Böden für die, die sie bewirtschaften, nämlich unsere Landwirtinnen und Landwirte, zu bewahren. Die Preise für Land sind so hoch, dass der Kaufpreis durch die Bestellung des Bodens nicht mehr zu erwirtschaften ist. Dadurch bietet das Vorrangrecht nach Grundstückverkehrsgesetz keinen Schutz mehr vor einer Konkurrenz, mit den kapitalstarken Nicht-Landwirten. Die Konkurrenz mit Nicht-Landwirten kann sich bei den derzeitigen Flächenpreisen kein Landwirt und keine Landwirtin mehr leisten.

 

Hinzu kommt, dass wir hier in Thüringen mit einer Pachtquote von 75 Prozent den höchsten Pachtflächenanteil in Deutschland zu verzeichnen haben, der Bundesdurchschnitt liegt bei rund 60 Prozent. Durch die bisher fehlenden Anzeigepflichten sind die wahren Eigentumsverhältnisse auf dem Bodenmarkt zudem auch völlig unbekannt. Als Beispiel: Bereits 2017 gehörte im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg knapp die Hälfte der Betriebe und der Flächen nicht mehr regional ansässigen Landwirtinnen und Landwirten – auf diese Situation wollen wir ja nicht zusteuern. In Thüringen verlieren wir auch seit mehr als 30 Jahren stetig an landwirtschaftlicher Nutzfläche, vor allen Dingen durch den Zubau von Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur. Unsere Bevölkerung sinkt in Thüringen im gleichen Zeitraum ebenfalls stetig. Das bedeutet, immer weniger Menschen verbrauchen also immer mehr Fläche, und auch das lässt die landwirtschaftlichen Kauf- und Pachtpreise steigen.

Nicht zuletzt wird der Ausbau der Solarenergie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen stark vorangetrieben. Über die Energieerzeugung verspricht der Kauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen für Investoren noch höhere Anlagesicherheiten und Renditeerwartungen als bisher. Das fatale Zusammenspiel von zunehmender Flächenkonkurrenz und damit einhergehender Preissteigerung bei Landkauf und Pacht wird sich dadurch noch um ein Vielfaches verstärken. Hinzu kommt auch noch die Regelungslücke von indirekten Landkäufen bei Anteilskäufen, den sogenannten Share Deals. Durch diese Regelungslücke wird das im Grundstücksverkehrsgesetz festgeschriebene Vorkaufsrecht für Landwirtinnen und Landwirte de facto seit Jahren ausgesetzt und gleichzeitig weiß niemand, wie viele Agrarflächen so jährlich von Investoren gekauft werden. Dieser unregulierte Rechtsraum steht dem ansonsten hoch regulierten Wohnmarkt de facto gegenüber. Denkt man dieses Monopoly zu Ende, werden nicht die Landwirtinnen und Landwirte zukünftige Flächeneigentümer sein, sondern landwirtschaftsferne Unternehmenskonstrukte wie die Aldi-Stiftung. Deswegen wollte meine Fraktion trotz der Vorbehalte, die uns wegen der DDR-Vergangenheit und der Bodenreform entgegenschlagen würden, ein Agrarstrukturgesetz auf den Weg bringen, das diese Regelungslücken schließt. Dieses Agrarstrukturgesetz sollte dafür sorgen, dass landwirtschaftlicher Boden nicht zweckentfremdet und zum Spekulationsobjekt wird. Auch den Zugang für regionale Landwirtinnen und Landwirte über faire Pacht- und Kaufpreise sollte es sicherstellen.

 

Die Landesregierung hat nun einen Gesetzentwurf erarbeitet und macht damit von der eigenen Zuständigkeit für das landwirtschaftliche Bodenrecht Gebrauch. Leider dauerte der Prozess im Vorfeld viel zu lange und uns bleibt für diesen komplexen Gesetzentwurf nunmehr wenig Zeit. Ich kann nur dafür werben, gemeinsam in die Bearbeitung zu gehen, denn es gibt noch einigen Verbesserungsbedarf an diesem Gesetz. Es fehlt zum Beispiel ein Leitbild, welches die gewünschten gesellschaftlichen Agrar- und Forstflächenstrukturen beschreibt. Ein breit getragenes Leitbild ist unglaublich wichtig für die Rechtssicherheit, der mit einem Agrarstrukturgesetz verbundenen Eingriffe ins verfassungsrechtlich stark geschützte Eigentum. Die Erarbeitung hier im Landtag verbunden mit einer breiten Verbändebeteiligung im Rahmen einer mündlichen Anhörung benötigt aber viel Zeit, die wir kaum noch haben. Mit einem Leitbild würde auch geregelt, welcher Vorkaufsberechtigte künftig den Zuschlag erhält, wenn es mehrere Interessenten gibt. So eine Regelung macht jedoch keinen Sinn, wenn es im Gesetzentwurf heißt, die agrarstrukturellen Ziele sind erfüllt, wenn ein Landwirt kauft, die forststrukturellen Ziele sind erfüllt, wenn ein Waldbesitzer füllt. Die Schweizer Post besaß bestimmt schon ein Stück Wald, bevor sie 2.500 Thüringer Wald im Landkreis Schmalkalden-Meiningen kaufte. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf wäre das okay. Es führt aber nicht so richtig zum Ziel. Bewirtschaftet werden auch künftig Thüringer diesen Wald, die Gewinne fließen jedoch in die Schweiz und die Bodenpreise, die der Gesetzentwurf an Gemarkungen festmacht, dürften sich damit im Raum Wasungen mit einem Schlag verdreifacht haben, obwohl die Schweizer Post noch nicht mal die Hälfte des in der Schweiz Üblichen für den Wald des Herrn von Sachsen-Weimar-Eisenach zahlte.

Leider hat der Gesetzentwurf bisher auch noch keine Lösung für die Verhinderung des Verkaufs von ganzen Agrarbetrieben an nicht landwirtschaftliche Investoren, wie der am Anfang beschriebene Fall vom Unternehmen von Klaus Kliem.

 

Nur der Verkauf kann untersagt werden. Aber was passiert dann? Manchmal müssen Eigentümer solche Unternehmen verkaufen, zum Bespiel, wenn sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sind oder das Rentenalter erreicht haben und keinen Nachfolger finden. Was tun, wenn sich kein geeigneter Agrarbetrieb aus der Umgebung findet, der einen solchen Riesen übernehmen und bezahlen kann. Gerade für solche Fälle müssen wir im parlamentarischen Verfahren Wege finden, da das Gesetz sonst gerichtlich angreifbar ist.

 

Mit der Hoffnung auf eine intensive Beratung und Überarbeitung im Interesse unserer heimischen Land- und Forstwirtschaft bitte ich um die Überweisung an den Infrastrukturausschuss. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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