Thüringer Gesetz zur Neuordnung der Zuständigkeiten und Aufgaben im Bereich der Migration durch Errichtung einer Zentralen Ausländerbehörde zur Beschleunigung der Aufnahme und Rückführung 1/2

Katharina König-Preuss

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9116

 

Sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen,

 

(Zwischenruf Abg. Dr. Dietrich, AfD: Der deutschen demokratischen Fraktionen!)

 

liebe Gäste auf der Besucherinnentribüne und am Livestream! Herzlich willkommen im Thüringer Landtag, Ahlan wa sahlan (أھلاً وسهلاً) an diejenigen, die gegebenenfalls aus Syrien zu uns gekommen sind. Wir reden hier heute über einen Gesetzentwurf, bei dem man ehrlich sagen muss, als der uns vorlag, musste kurz mal geprüft werden, ob die AfD sich verschrieben und CDU eingefügt hat oder ob dieser Gesetzentwurf wirklich so, wie er vorliegt, von der CDU stammt. Ja, er stammt von der CDU.

 

Der Gesetzentwurf enthält an mehreren Punkten und insbesondere auch, wenn man sich die Pressekonferenz der CDU und die Berichte, die es daraus gab, vor Augen führt, nichts als eine inhumane, eine unmenschliche, eine teils auch rassistische Politik, die nicht davon ausgeht, dass Menschen, die hierher fliehen, ein Recht haben hierzubleiben, die nicht davon ausgeht, dass Menschen, die hierher fliehen, schlimme Wege hinter sich haben und hier auch erst mal ankommen sollten, sondern dieser Gesetzentwurf geht in erster Stelle davon aus, wie es denn gelingt, möglichst viele davon abzuschieben. Auch wenn Sie dafür jetzt ein neues Wort verwenden – rückführen –, weil es gegebenenfalls freundlicher klingt, am Ende geht es um Abschieben.

 

Die CDU hat dazu in der Pressekonferenz, die sie durchgeführt hat, ein Bild verteilt, mit dem sie versucht, ihren Gesetzentwurf möglichst einfach darzustellen. Auf diesem Bild sieht man, dass die Einreise über die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl erfolgen soll und dann die Verteilung nach Bleibeperspektive und geringer Bleibeperspektive – man könnte auch sagen Nützlichkeitsfaktoren und keine Nützlichkeitsfaktoren – erfolgen soll, also faktisch wird die Erstaufnahmeeinrichtung zu einer Art Sortierzentrum für Menschen. Und diejenigen, die keine Bleibeperspektive haben – Bleibeperspektive bedeutet, Menschen aus Ländern, deren Anerkennungsquote im Asylverfahren unter 50 Prozent liegt –, sollen in die neu zu schaffenden vier – ich nenne es Lager –, die CDU nennt es TZAR in ihrer Abkürzung und sollen von dort aus zurückgeführt werden. Das ergibt sich aus dem Schaubild, was die CDU verteilt hat.

 

Jetzt rechnen wir das mal durch. Gehen wir mal davon aus, dass in Thüringen aktuell keine Menschen sind, die einen Asylantrag stellen und dass wir ab Januar – also in wenigen Wochen – das Modell der CDU haben. In allen Prognosen, in allen Statistiken, die uns hier in Thüringen vorliegen, ist es so, dass ungefähr 600 Menschen im Monat nach Thüringen kommen und hier einen Asylantrag stellen. Von diesen 600 Menschen haben ca. 50 Prozent sofort – also sozusagen nicht sofort, aber nach der Prüfung – das Bleiberecht, ein Asylrecht und diejenigen, die dann gegebenenfalls in ein Klageverfahren kommen, in ein Klageverfahren gehen, von denen kommen noch mal weitere 20 Prozent hinzu. Das heißt, die normale Schutzquote liegt bei etwas über 50 Prozent, die sogenannte bereinigte Schutzquote nach einem entsprechenden juristischen Verfahren liegt bei etwas über 70 Prozent.

 

Von den 600 Menschen kommen also 600 in Suhl an. Gehen wir mal davon aus, dass Suhl als Erstaufnahmeeinrichtung bleibt. So ein Asylverfahren dauert, bevor sozusagen die Verschiebung, die Aufteilung in die Lager stattfinden kann. Das heißt, mindestens sechs Monate muss man rechnen, bis überhaupt die Aufteilung in eines der vier Lager stattfindet. In diesen sechs Monaten haben sich in Suhl – Sie haben ja keinen anderen Vorschlag aktuell, wo das ganze stattfinden soll – 3.600 Menschen angesammelt, 3.600, ohne entsprechende Integrationsmaßnahmen, ohne entsprechende Bildungsmöglichkeiten, ohne entsprechende medizinische Versorgung. Wir sind noch gar nicht bei so etwas wie einer psychotherapeutischen Versorgung. Der Klassiker ist, dass die Männer nicht zuhören, wenn Frauen reden.

 

(Unruhe CDU)

 

Das müssen Männer mal lernen zuzuhören, wenn Frauen reden,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

weil Frauen oft Wichtiges zu sagen haben.

3.600 wären dann…

 

Präsidentin Pommer:

 

Also, ich bitte schon um Mäßigung. Frau König-Preuss hat hier das Wort. Bitte.

 

Abgeordnete König-Preuss, DIE LINKE:

 

3.600 wären dann im Juni 2024 in der Erstaufnahmeeinrichtung. Und dann, denn nach ca. sechs Monaten sind diese Asylverfahren in einem ersten Schritt abgeschlossen, beginnt die Verteilung, 50 Prozent in die Kommunen, 50 Prozent in die vier Lager. Wenn man sich das mal anschaut, weil – „zwei Jahre“ sagen Sie – längstens zwei Jahre sollen die Menschen in diesen vier Lagern bleiben, dann befinden sich in diesen vier Lagern nach zwei Jahren jeweils ca. 1.800 Menschen.

 

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Waren Sie schon mal in Hermsdorf? Herzlichen Glückwunsch, dass ist die Situation, die Sie zu verantworten haben!)

 

Das heißt, in Thüringen wären ab Ende 2025 a) eine Erstaufnahmeeinrichtung mit 3.600, die kontinuierlich bei der Befüllung von 3.600 Menschen bleibt, und vier Lager, in denen kontinuierlich 1.800 Menschen untergebracht sind. Wir reden von ca. 8.000 Menschen in Lagern, die Sie dort halten wollen. Nichts anderes ist das. Denn aus Ihrem Gesetzentwurf geht an keiner Stelle hervor, wie das denn mit den Kindergartenplätzen laufen soll, wie das mit dem Recht auf Bildung laufen soll für die Kinder. Das haben Sie an keiner Stelle mit durchdacht.

 

(Unruhe CDU)

 

Welche Kommune ist in der Lage, für ca. 2.000 Menschen die Versorgung, die über das reine Halten in einem Lager hinaus geht, zu sorgen?

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Wenn Sie das eigene Handeln mal betrachten würden!)

 

Welche Kosten entstehen dadurch eigentlich? Sie sagen ja in Ihrem Gesetzentwurf, dass Ihr Plan am Ende sogar noch Kosten sparen würde. Ich habe, als ich mir das durchgelesen habe, so ein großes Lol im Kopf gehabt, weil ich gedacht habe: Meine Güte, so schlecht kann doch nicht mal die CDU sein,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

davon auszugehen, wenn Sie vier Lager im Thüringen schaffen, dass das am Ende noch eine Kostenersparnis wäre. Da reden wir noch gar nicht davon, was mit diesen Menschen im Lager passiert. Eingesperrt, eingepfercht, ohne Integrationsmaßnahmen, ohne Sprachkurse, ohne Bildungsangebote. Wissen Sie, wir können gerne über Hermsdorf reden. Wir können gerne auch über Suhl reden. Und ich bin die Letzte …

 

(Unruhe CDU)

 

Ja, dann hören Sie zu! Dann hören Sie doch mal zu!

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Dann sagen Sie mal was!)

 

Wenn Sie zuhören könnten!

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Tun Sie doch endlich mal was!)

 

Wir könnten über Hermsdorf und über Suhl reden. Ich bin die Letzte, die das gut findet, was dort passiert, dass 700 Menschen eingepfercht sind in Hermsdorf, dass es dort keine Sprachkurse gibt, dass es dort keine Integrationsangebote gibt.

 

(Zwischenruf aus der Fraktion der CDU: Wer ist verantwortlich?)

 

Verantwortlich ist an erster Stelle, dass es in diesem Land, in Deutschland, über Jahrzehnte am Ende nicht gelungen ist, und definitiv auch auf Kosten Ihrer Regierungen, an denen Sie beteiligt waren, der soziale Wohnungsbau, die soziale Infrastruktur, alles wurde vernachlässigt.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Da lachen Sie?! Aber dann vielleicht mal für diejenigen, die uns gerade zuhören.

 

(Unruhe CDU)

 

Wissen Sie, Flüchtlingskrise, Flüchtlingskrise! 2022 begann der verbrecherische Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist Ihre Flüchtlingskrise!)

 

(Zwischenruf aus der Fraktion der CDU: Was hat das denn damit zu tun?)

 

Doch, das hat etwas damit zu tun! Denn seitdem fliehen eben Zehntausende Menschen,

 

(Unruhe DIE LINKE, CDU)

 

Hundertausende Menschen vor einem Krieg, vor russischen Bomben fliehen. Und die fliehen unter anderem nach Deutschland. Die fliehen unter anderem nach Thüringen. Wir haben in Thüringen irgendwas über 30.000 Menschen aus der Ukraine untergebracht. Diejenigen, die hierherkommen, um Asyl zu beantragen, da geht es um 7.500 Menschen. Das sind nicht wirklich mehr, als 2015, 2016. Das Problem, in dem wir uns befinden, hat was mit dem russischen Angriffskrieg zu tun. Sie versuchen, das Problem auf dem Rücken der Schwächsten der Schwachen auszutragen und diese in Lager zu stecken, anstelle für eine humanitäre Unterbringung zu sorgen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das lehnen wir nicht nur ab, wir werden einen alternativen Gesetzentwurf dazu im Januarplenum einreichen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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