Thüringer Gesetz zur Erstattung von Mehrkosten nach dem Zweiten, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für das Jahr 2024 aufgrund des Rechtskreiswechsels von aus der Ukraine Geflüchteten

Katharina König-Preuss

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/9423

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen auf der Tribüne und auch diejenigen am Livestream, vielleicht, um es noch mal klar zu machen: Sie haben ja jetzt gerade zwei Reden gehört, die nicht wirklich etwas mit dem zu tun haben, um was es in dem vorliegenden Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün geht. Dazu hat Frau Rothe-Beinlich ganz am Anfang ausgeführt. Wir wollen, dass die Städte hier in Thüringen, die Kommunen, die ukrainische Menschen unterbringen, eben auch die komplette Kostenerstattung erhalten. Dazu muss ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden, so wie wir es auch bereits im letzten Jahr gemacht haben. Teil dieses Gesetzes ist es – und da zitiere ich, weil vermutlich unter anderem die Rechtsaußenpartei da nicht wirklich liest –, dass 100 Prozent erstattet werden sollen. 100 Prozent heißt alles! Jetzt kann man sich natürlich hinstellen und sagen: „Alles ist nicht alles!“ Aber wenn 100 Prozent erstattet werden sollen, dafür auch die Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, frage ich mich: Welche Debatte hier eigentlich von Rechtsaußen aufgemacht wird? Nichts anderes als mal wieder zu versuchen dazustellen, dass das Land Thüringen die Kommunen im Stich lassen würde im Hinblick auf die Finanzierung für die Menschen, die aus der Ukraine kommen und aus der Ukraine untergebracht werden. Das ist einfach falsch. Das ist auch unfair. Das ist auch unfair gegenüber den Kommunen, die wirklich mit einem großen Engagement seit mittlerweile zwei Jahren fast sich mit darum kümmern, dass die Menschen, die vor Putins Angriffskrieg, der ja dann wiederum teils auch auf Zustimmung aus der Rechtsaußenpartei stößt, hierher fliehen, um sich und ihre Kinder zu schützen.

 

Hintergrund des Ganzen – und ich glaube, das ist nicht ganz irrelevant, warum sind denn Ukrainer eigentlich in einem Finanzsystem sozusagen, warum sind sie eben genau keine Asylbewerber; das verwechselt ja leider auch die CDU immer mal wieder – ist sogenannte Massenzustrom-Richtlinie, die die Europäische Union verabschiedet hat im März 2022, und mit dieser Massenzustrom-Richtlinie sollte dafür gesorgt werden, dass europaweit Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, untergebracht werden können und eben keine individuelle Einzelfallprüfung stattfindet, weil klar und klar ist, in der Ukraine ist Krieg und die Menschen, die von dort fliehen, da braucht es keine individuelle Prüfung, ob sie sozusagen jetzt den Schutz benötigen, sondern das ist klar, dass sie aufgrund des Angriffskrieges den Schutz bekommen müssen und bekommen sollen.

 

Davon ausgehend, von dieser Europäischen Massenzustrom-Richtlinie, wurde dann in Deutschland der § 24 Aufenthaltsgesetz entsprechend aktiviert. Der sieht eben vor, dass die Menschen, die hier keinen Asylantrag stellen, sondern die nach dieser EU-Richtlinie in den europäischen Ländern sind, hier nicht unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sondern sich eine Wohnung suchen können, sofort arbeiten können, aber eben auch Anspruch auf Bürgergeld haben.

 

Ich glaube, jetzt muss man mehrere Punkte mit beachten und da versucht die Rechtsaußenpartei – und ich muss sagen, leider auch der Entschließungsantrag der CDU – mehrere Punkte zu vermischen. Jetzt wird sozusagen unterstellt, die wollen alle nicht arbeiten und die kommen nur deswegen nach Deutschland, weil hier die Sozialleistungen höher wären als in anderen europäischen Ländern. Dann wird dazu noch eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung angeblich zitiert. Ich sage „angeblich“, weil das, was hier gerade vorne am Pult gesagt wurde, ist einfach eine Lüge, eine richtige Lüge!

 

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

 

Diese Studie stellt nicht fest, dass die Leute aufgrund der Sozialleistungen, die sie hier erhalten, nach Deutschland kommen, und stellt nicht fest, dass aufgrund der Sozialleistungen, die sie hier bekommen, so wenig arbeiten würden. Sondern die Studie stellt ehrlicherweise genau das Gegenteil fest und sagt nämlich, in anderen europäischen Ländern, darunter Tschechien, Polen, Estland, Litauen, Bulgarien, in Tschechien sind 3,2 Prozent der Bevölkerung aus der Ukraine aktuell, in den anderen von mir gerade benannten Ländern sind es mehr als 2 Prozent, arbeiten richtig viele der Ukrainerinnen und Ukrainer, und die bekommen dort viel weniger Sozialleistungen. Die gehen nicht in diese Länder und die kommen nicht, weil Deutschland so viel Geld geben würde, nein, die gehen in diese Länder auch deswegen, weil sie es dort viel einfacher haben, um arbeiten zu können.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das hat viel mit der Bürokratie, die wir in Deutschland haben, zu tun. Auch das stellt die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung fest. Aber das ist dann das klassische Vorgehen dieser Rechtsaußen-Partei: Fakten weglassen, eigene Lügen als vermeintliche Fakten hinzufügen und diese dann unter dem Label der Friedrich-Ebert-Stiftung präsentieren und damit auch noch zu versuchen, der Friedrich-Ebert-Stiftung von hintenherum eine rechte Interpretation, eine Studie mit entsprechend für die AfD verwertbaren rechten Ergebnissen darzustellen. Sorry, aber das ist ein Umgang, das macht man einfach nicht, hätte meine Oma gesagt, und meine Oma war eine der Frauen, die sich immer an solche Grundwerte gehalten hat, dass man eben nicht lügt. Das ist leider hier drüben, rechts außen kontinuierlich der Fall.

 

Es wird in der Studie dargestellt, dass es unter anderem für Ukrainer in Deutschland viel schwieriger ist, in die Selbstständigkeit zu gehen, zum Beispiel Friseurinnen, die gern einen eigenen Laden aufmachen würden oder auch einen kleinen Imbiss aufmachen würden – allerdings, dass die bürokratischen Hürden so hoch sind, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt, das in Deutschland innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu schaffen. Ich glaube, was immer wieder vergessen wird, ist: Ein Großteil der Menschen aus der Ukraine, die hierhergekommen sind, ist geflohen, unter anderem weil sie ihre Kinder in Sicherheit bringen wollten. Und unter den Kindern sind gar nicht so wenige, die schlimmste Erlebnisse hinter sich haben. Da sind dann die Mütter zum Teil auch damit beschäftigt, erst mal dafür zu sorgen, dass es ihren Kindern wieder gutgeht. Ich habe mehrere solcher Mütter kennengelernt. Wir waren im Spätsommer in mehreren Landkreisen in Thüringen unterwegs, haben dort mit Beschäftigten aus den Behörden gesprochen, mit Sozialarbeiterinnen gesprochen, aber auch mit Menschen in den Unterkünften und mit Leuten aus der Ukraine gesprochen. Für mich ist eine Sache wahnsinnig wichtig im Kopf geblieben, nämlich: Das, was wir zum Teil machen, hat wenig mit den realen Bedarfen der Leute zu tun. Ein Beispiel: Eine Ukrainerin, die tagsüber, wenn ihre Tochter im Kindergarten ist, arbeitet. Die arbeitet in einer Telefonzentrale, spricht fließend Englisch, funktioniert alles. Sie würde aber gern endlich Deutsch lernen, um dann auch höher qualifizierte Jobs annehmen zu können. Sie kann nämlich viel mehr. Das Problem ist, die Sprachkurse, die es hier in Thüringen – aber deutschlandweit, muss man sagen – gerade gibt, sind nicht nur massiv überfüllt, sodass man ewig warten muss, um überhaupt Deutsch lernen zu können – und da finanziert Thüringen schon zusätzlich Sprachkurse –, sondern diese Sprachkurse finden nicht abends statt. Und sie sagt, ich arbeite tagsüber. Abends will ich zu Hause sein bei meiner Tochter. Und da braucht es unbürokratische und – ich sage auch – an der Realität ausgerichtete Lösungen, genauso wie wir dieses bürokratische System minimieren müssen, damit Menschen, die vorhaben, hier a) in ihren alten Jobs zu arbeiten, das auch können – die Berufsanerkennung ist da, glaube ich, ein weiteres Problem –, und damit b) Menschen, die Interesse haben, sich hier selbstständig zu machen, das auch hinbekommen, ohne erst mal anderthalb Jahre mit irgendwelchen Notaren, Rechtsanwälten, was weiß ich was alles, zu verbringen.

Anstatt das aber zu thematisieren, thematisieren CDU und dann folgend die Rechtsaußen-Partei, dass sie alle nur hierherkommen würden, um Deutschland auszunutzen. Das ist nicht der Fall.

 

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Das hat keiner gesagt!)

 

Genauso ist die Unterstellung nicht der Fall, dass sie wegen der Sozialleistungen hier wären.

 

Ich will zwei Sachen noch ganz zum Schluss sagen. Zum Ersten: Es gibt ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht, das relativ klar sagt – nicht nur relativ, das sagt es eineindeutig –, die in Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren. Das sollte sich die CDU mal dick hinter die Ohren schreiben, dass Sie mit Ihren ganzen Anträgen ein Ziel verfolgen, nämlich die Menschenwürde in Klassen einzuteilen. Das werden wir nicht zulassen und das lassen wir auch nicht zu, deswegen lehnen wir Ihren Entschließungsantrag auch ab. Das Zweite: Da die CDU unter anderem darauf abhebt, dass die Bezahlkarte, so wie sie in Greiz eingeführt wurde, in Thüringen eingeführt werden soll – nein, auch das werden wir nicht zulassen, weil, so wie die Bezahlkarte in Greiz eingeführt wurde, ist sie die Umsetzung der Residenzpflicht durch die Hintertür, indem es eine Begrenzung auf Postleitzahlengebiete gibt. Auch das machen wir nicht, denn natürlich haben Menschen, die hierherkommen, das Recht, Freunde, Familienangehörige, wen auch immer, in anderen Landkreisen, anderen Postleitzahlgebieten zu besuchen und dann dort auch mal mit der Karte zahlen zu können oder mit der Karte Geld abheben zu können. Wir stehen für eine humanitäre Asylpolitik. Herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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