Thüringer Gesetz zur Erstattung von Mehrkosten nach dem Zweiten, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für das Jahr 2024 aufgrund des Rechtskreiswechsels von aus der Ukraine Geflüchteten (ThürRKwErstG 2024) 2/2

Katharina König-Preuss

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/9423

 

Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen! Meine Kollegin Madeleine Henfling hatte gerade schon ein paar Punkte benannt. Ich will – auch wenn es mir so vorkommt, als ob wir das zum zweiten, zum dritten, zum vierten, zum fünften Mal hier machen müssen, weil es vermutlich nicht durchdringt bei denjenigen, die hier heute diesen Entschließungsantrag vorgelegt haben – noch mal auf Fakten und Daten verweisen, die es zu dem Thema „Arbeitsaufnahme und Arbeitsmöglichkeiten“ und den Gründen, warum es in Deutschland so viel weniger Menschen aus der Ukraine sind, die hier arbeiten, als in anderen europäischen Ländern, ausführen. Es gibt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung – herzlichen Dank an der Stelle –, die vergleichend versucht, einmal darzustellen, wie sind denn die Arbeitsverhältnisse von Ukrainerinnen unter anderem in Deutschland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Italien, Großbritannien und dann beispielsweise auch noch in Dänemark und – ich meine – auch in Schweden. Und ja, es ist richtig, dass in anderen europäischen Ländern Ukrainerinnen in einem viel höheren Maße bereits in Arbeit sind. Ich glaube, 78 Prozent der geflüchteten Ukrainerinnen in Dänemark arbeiten. In Polen und in Tschechien sind es ca. zwei Drittel. Sie hatten jetzt, glaube ich, nur auf Polen verwiesen. Aber auch in Großbritannien, Italien und der Slowakei sind es über 50 Prozent. In Deutschland hingegen sind es um einiges weniger. Die Gründe dafür können nicht und liegen nicht – das führt diese Studie aus – an dem Thema „Sozialleistungen“ oder wie Sie es bevorzugen, Sie wollen ja die Abschaffung, liegen. Warum das so ist, will ich Ihnen jetzt ein weiteres Mal erklären. Ich meine, ich habe das schon mal im Dezember gemacht und ich habe es auch schon mal im November gemacht. Hintergrund, warum diese Logik in Ihrem Entschließungsantrag nicht passen kann, ist, dass sowohl in Dänemark, aber auch in Schweden und in den Niederlanden entsprechende Sozialleistungen gezahlt werden. Trotzdem sind dort – ich hatte es gerade erwähnt –, in Dänemark 78 Prozent der ukrainischen Geflüchteten in Arbeit. Die bekommen in Dänemark ähnlich hohe Leistungen wie hier in Deutschland. Anstelle sich jetzt zu fragen, warum das so ist, oder auch mal entsprechende Studien zur Kenntnis zu nehmen – wie gesagt, ich hatte es Ihnen schon mal dargestellt –, gehen Sie wieder auf diese einfache und am Ende an rassistische Ressentiments andockende CDU-Logik – das ist ja nicht mal wirklich eine Logik, sondern das ist eine CDU-Logik – und versuchen, mindestens im rechtsoffenen Raum sozusagen Stimmen zu fangen, indem Sie erklären: Ja, die arbeiten deswegen nicht, weil die hier so viel Grundsicherung bekommen. Das stimmt nicht. In Dänemark – wie gesagt –, aber auch in anderen europäischen Ländern bekommen die eine ähnlich hohe Grundsicherung und trotzdem arbeiten 78 Prozent, zwei Drittel mehr als 50 Prozent.

 

Hintergrund des Ganzen ist, dass die Möglichkeiten in diesen Ländern, in Arbeit zu kommen, um einiges einfacher sind, um nicht zu sagen, ein sehr niedrigschwelliger Zugang zum Arbeitsmarkt. Das fängt damit an, dass es dort digitalisiert ist und man sozusagen auch alles sofort digital durchführen kann, wenn man als Geflüchteter kommt. Das geht aber damit weiter, dass man als Arzt, Ärztin, als Pflegekraft nicht ein teils anderthalb Jahre dauerndes Berufsanerkennungsverfahren durchlaufen muss, sondern in den Krankenhäusern oder auch in entsprechenden Praxen angestellt werden kann.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das ist in Deutschland auch möglich!)

 

Es gibt zum Teil ein sehr lange währendes Berufsanerkennungsverfahren. Sie dürfen nicht davon ausgehen, Herr Montag, dass alle, die im Krieg flüchten, sofort eins zu eins ihre perfekten Bewerbungsunterlagen gestapelt, übersetzt und notariell beglaubigt bei sich haben. Da funktioniert es in anderen Ländern einfach besser. Das hat was mit der Digitalisierung zu tun, das hat aber auch was damit zu tun, dass diese Länder verstanden haben, Zuwanderungsland und Einwanderungsland zu sein und Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen in die Länder kommen – sei es, weil sie fliehen, oder sei es, weil sie dort arbeiten wollen –, ganz anders aufgenommen und ganz anders empfangen werden.

 

Ich fände es gut, wenn Sie die Zahlen, die Sie hier verbreiten, zumindest vorher noch mal gegenprüfen. Weil auch die Zahl, die Sie verbreitet haben, Herr Schard, dass 19 Prozent arbeiten würden, stimmt nicht. Es gibt aktuelle Studien von der Bundesagentur für Arbeit, es gibt aber auch aktuelle Studien, die von Instituten veröffentlicht wurden. Ich nehme jetzt mal die von der Bundesagentur für Arbeit: Mindestens 21 Prozent arbeiten. Hinzukommt, dass von den 636.000 ukrainischen Menschen, die im Januar 2024 in der Grundsicherung waren, 124.000 aktuell in Sprachkursen, Integrationskursen sind, diese voraussichtlich im Sommer 2024 abschließen werden. Der Rest wird vermutlich … Andersrum: Dreiviertel werden voraussichtlich im Sommer abschließen, der Rest dann spätestens Anfang des Jahres 2025.

 

Und was Sie auch immer wieder unterschätzen: 40 Prozent der hier nach Deutschland gekommenen Menschen aus der Ukraine sind alleinerziehende Frauen mit Kindern. Ich glaube, auch da sollte man die besondere Situation von Frauen berücksichtigen – Frau Henfling hat gesagt –, deren Männer im Krieg kämpfen, bei einigen sind die Männer auch im Krieg gestorben, bei einigen haben die Kinder eine sehr hohe Traumatisierung und benötigen eine besondere Aufmerksamkeit, eine besondere Pflege, einen besonderen Schutz und Sicherheit unter anderem durch die noch lebende Mutter. Ich glaube, das sollte man alles mit bedenken.

 

Das machen Sie nicht. Sie gehen in Ihrem Antrag auch ehrlicherweise an keiner Stelle auf die von mir gerade erneut dargestellten Daten und Fakten ein, sondern handeln und agieren erneut mit diesen rassistischen Ressentiments im Hinblick auf die Abschaffung des Grunderwerbs für die Geflüchteten aus der Ukraine.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Frau Henfling hat es gesagt, ich kann mich da nur anschließen: Auch wir wollen die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das wäre die richtige Maßgabe, genauso wie es eine weitere richtige Maßgabe wäre, endlich mal dahin zu kommen, dass Leute hier in Deutschland einfach unkompliziert in Arbeitsverhältnisse kommen.

Und dann ein weiterer entscheidender Punkt: Deutschland setzt darauf, dass Sprache eine entscheidende Zugangsvoraussetzung ist, nicht nur, um arbeiten zu können, sondern auch, um sich integrieren zu können. Die Sprachkurse und die Integrationskurse sind voll. Sie sind so voll, dass es Menschen gibt, denen jetzt schon gesagt wird, dass sie erst im nächsten Jahr im Sommer einen Sprach- bzw. Integrationskurs beginnen können. Anstelle sich daran zu machen und beispielsweise auch im Thüringer Landeshaushalt entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, nehme ich von Ihnen nur eins wahr – und das dockt dann an Ihre Aktuelle Stunde am Mittwoch an –: ein kontinuierliches, immerwährendes geäußertes Misstrauen gegenüber Menschen aus anderen Ländern, die hierherkommen und an keiner Stelle das, womit Sie Ihre Aktuelle Stunde überschrieben hatten, nämlich Solidarität. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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