Thüringer Gesetz zur Erstattung der Mindereinnahmen während der Schließung der Schulen und Kindertageseinrichtungen nach dem Infektionsschutzgesetz (ThürASchKiG)

Daniel Reinhardt

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/2602

 

Ein Plädoyer für die Bildung beinhaltet auch immer die Frage nach der Bildungsgerechtigkeit oder aber die Frage nach Bildungszugängen.

 

(Beifall SPD)

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen ohne Fraktionsführer, es ist schon interessant, wie kurzfristig die AfD hier einen sogenannten Entschließungsantrag einbringt. Das zeigt aus meiner Sicht ganz deutlich, wie wichtig wohl dieses Thema war, immerhin ist dieser Gesetzentwurf nicht erst seit gestern drauf.

Sie haben sich in Ihrem Redebeitrag mindestens versprochen, weil Sie gerade anmahnten, Herr Thrum, als Sie sagten, Sie mahnten immer die Schließung an. Am Mittwoch haben Sie erst eine Aktuelle Stunde gehalten, dass Sie unbedingt alles öffnen wollen – widersprüchlicher kann man sich kaum verhalten.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Nun ja, ich möchte allerdings sagen, dass Sie, werte Flügel-AfD, sich vergehen an den Thüringer Kindern und Familien in dieser Zeit, und zwar vergehen Sie sich an den Kindern und Familien mit Ihrer Zickzack-Corona-Politik. Das sucht schon seinesgleichen und ist für mich zumindest beschämend. Wenn ich es mit einem Bild bezeichnen müsste, dann würde ich einen Luftballon aufblasen, aber keinen Knoten reinmachen, sondern ich würde ihn aus meinen Fingern entgleiten lassen – nichts als heiße Luft.

 

(Beifall AfD)

 

Auch der Zickzackkurs der FDP, wie auch gerade eben wieder dargestellt, ist interessant. Erst als wir sagten, wir wollen eine Gebührenerstattung für alle, hieß es: Nein, das geht überhaupt nicht, das kann man nicht machen.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Meine Güte!)

 

Hauptsache, immer dagegen. Heute heißt es schon wieder: Ja, doch, wäre eigentlich eine gute Idee, jetzt haben wir uns daran gewöhnt. Und im Widerspruch …

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Was erzählen Sie denn für einen Quatsch!)

 

Herr Montag, machen Sie sich mal locker, Sie können ja dann auch noch mal sprechen!

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Das wird auch nötig sein!)

 

Ja, sehr gern.

Und dann heißt es auf einmal, dass Sie sozusagen hier sagen, Leistung soll sich lohnen und dann irgendwie doch nicht. Also es ist tatsächlich ein Widerspruch aus meiner Sicht, Hauptsache, dagegen. Und das hat man gestern auch gesehen, wie Sie Sand in unser parlamentarisches Verfahren gestreut haben mit sogenannten Dringlichkeitsvorlagen, die Sie angeblich eingebracht haben, weil der Minister etwas gesagt hat. Mich hat ja gewundert, dass Sie heute nicht schon wieder so etwas gebracht haben. Aber den Zickzackkurs der FDP kennen wir ja, immerhin haben wir heute einen sehr traurigen Jahrestag – nun ja.

 

Kindergärten und Horte sind nicht nur Betreuungsorte, um Eltern die Möglichkeit zu geben, um jeden Preis arbeiten zu können, weil Arbeitengehen, Geldverdienen und die Wirtschaft und Profite eben gesichert werden müssen. Es sind Bildungseinrichtungen, in denen Kinder Spielgefährten treffen, sich selbst verwirklichen können, Struktur, Beziehung und Bildung erhalten. Eltern können ihr Kind in den Kindergarten bringen, egal, ob sie arbeiten gehen müssen, Freizeit brauchen oder Gott weiß, was sie eben machen wollen oder es eben für richtig halten. Das sollte der Kompass sein, mit dem wir unsere Bildungseinrichtungen durch die Krise steuern. Das Virus ist allerdings der Gegenwind, der uns auch zeigt, wie schnell wir vorankommen in Zeiten der Pandemie. Klar ist auch, dass die Schiffsmannschaft geschützt werden muss.

 

Seit der weitgehenden Schließung unserer Thüringer Kindergärten und Horte – analog die freien Schulen mit Ganztagsbetreuung – erhalten wahrscheinlich alle Abgeordneten und Ministerien Fragen von Eltern zu den Beitragserstattungen. Die Fragen sind unterschiedlich, jedoch dürften zwei Themen der Dauerbrenner sein – erstens: Wie lange werden unsere Einrichtungen wohl noch geschlossen bleiben? Und zweitens: Müssen wir Beiträge zahlen, obwohl wir unser Kind nicht in den Kindergarten/Hort bringen? Je nach Gemütslage beantworten wir die Fragen freundlich oder vielleicht etwas genervt. Und dann geht man darauf ein, dass der Freistaat Thüringen im März letzten Jahres durch eine noch nie da gewesene Pandemie, einen Virusbefall hatte. Es gab keine Erfahrungen für den Freistaat in jüngster Geschichte, wie der Freistaat darauf reagieren kann. Diese Erfahrungen haben wir teilweise schmerzhaft im letzten Jahr gesammelt. Wir oder ich haben gelernt, dass der Bund und auch der Freistaat für die Gesundheit und das Weiter-arbeiten-Gehen sehr, sehr viel Geld in die Hand nehmen und dass es wie bei allen komplexen Lösungsstrategien ein Für und ein Wider gibt, notwendige Abgrenzungen und auch Fehler passieren, ja, sogar Lücken entstehen. Im Schwerpunkt geht es doch aber darum, dass die Lösungen entstehen, hin zu einer Normalität, Lösungen, die gesellschaftsfähig, rechtskonform sind.

 

Wir Abgeordneten, die Landesregierung, wir müssen das Geld, welches wir nur stellvertretend in die Hand nehmen, so ausgeben, dass es auch bei den Menschen ankommt, möglichst schnell, möglichst lohnend für die Zukunft, aber eben auch unkompliziert, unbürokratisch, aber auf der anderen Seite – und das macht die Verfahren so lang – auch lupenrein, ich meine damit: rechtssicher. Denn zum Glück darf in unserem Freistaat, in Deutschland, im Rechtsstaat jeder, der es will und vermag, die entsprechenden Lösungen infrage stellen, und dies gilt natürlich auch für getroffene Maßnahmen, die die Corona-Auswirkungen bekämpfen.

 

Mit dem heutigen Gesetzentwurf, den Rot-Rot-Grün an dieser Stelle vorlegt, geben wir laut und eindeutig das Signal: Das Problem ist verstanden, eine Lösung wird auf den Weg gebracht. Vollkommen klar für uns ist, dass, wenn Einrichtungen wie Kindergärten und Horte oder analog bei Schulen mit Ganztagsbetreuung im Angebot eingeschränkt sind, dass sie die Gebührenerstattungen erhalten. Genau das soll der Gesetzentwurf leisten: Erstattung der erhobenen Gebühren für nicht in Anspruch genommene Leistungen im Kindergarten, Hort analog die freien Schulen mit Ganztagsangebot.

An dieser Stelle auch noch mal: Die Schließungen haben wir doch nicht aus Jux und Tollerei gemacht; die Schließungen waren ein Baustein in der Abwehr gegen den Virusbefall.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Was mich stört, ist, dass in der Zeit der aktuellen Krise die Kindergärten und Horte in der Debatte nur noch als Betreuungsorte angesehen werden und nicht mehr als Bildungseinrichtungen, die sie vorrangig sind.

 

Meine Fraktion bittet darum, der Überweisung des Gesetzentwurfs federführend an den Bildungs-, Jugend- und Sportausschuss und natürlich begleitend an den Haushalts- und Finanzausschuss zuzustimmen, um unsere Lösungen gemeinsam auf den Weg zu bringen. Die Lösung dauert allerdings noch etwas. Ein solches Gesetz muss – wie Sie wissen – zwingend angehört werden. Und natürlich hat auch der oder haben die Ausschüsse die Pflicht und die Verantwortung, Fragen zu beantworten und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.

 

In den Anhörungen und der gemeinsamen Debatte sollten wir das bereits vollzogene Lösungspaket aus dem letzten Jahr vergleichen mit dem Lösungsansatz jetzt, denn es geht um jede Menge Geld. Im Jahr 2020 hat der Freistaat Thüringen – ich spreche immer so von Circa-Zahlen – 30 Millionen Euro an die Kommunen ausgegeben – 30 Millionen Euro als Ausgleich für nicht eingenommene Elternbeiträge im Rahmen der Nutzungseinschränkungen durch die Pandemie. Weitere 3,1 Millionen flossen an die Kommunen für die ebenfalls entfallenen Sachkostenanteile, die Eltern für die Inanspruchnahme des Grundschulhortes an die Schulträger abführen. Eine weitere Million stellte das Land den freien Schulen als Ersatz für weniger eingenommene Schulgelder der Eltern im Primarbereich analog zum Schulhort bei staatlichen Schulen bereit.

Nun soll es im Entwurf erneut um geschätzte 25 Millionen Euro gehen – Gültigkeitsdauer April, berechnete Betreuungsquote 30 Prozent, rund 134 Euro pro Kind. Das will gut diskutiert sein. Um nur ein paar Stichworte zu nennen: eingangs die Frage der Gerechtigkeit, wie denken wir die Gerechtigkeitsfrage bei Bildung. Ist es gerecht, dass eine Gebührenübernahme für alle stattfinden soll? Oder ist es eben ungerecht? Wie ist es denn aus der Perspektive der Kinder, für die wir doch diese Bildungs- und Betreuungsangebote machen? Ist die Beitragshöhe von 134 Euro für Kommunen und Landkreise in der Höhe angemessen und ausreichend? Reicht denn die Betreuungsquote, die wir im Entwurf haben? Und da müssen wir auch ganz klar sagen, wenn die Betreuungsquote hochgeht, was aktuell der Fall ist, würde in dem aktuellen Entwurf es dem Freistaat weniger Geld kosten. Ist die vorgeschlagene Fünf-Tage-Regelung das, was Eltern benötigen, um den Pandemiealltag erfolgreich meistern zu können? Also 5-Tage-Nutzung meint, Eltern dürfen ihr Kind fünf Tage in den Kindergarten bringen, weil sie eine Prüfung haben, weil sie ein wichtiges Meeting haben, weil sie die Wohnung mal saubermachen, weil sie Freizeit brauchen – keine Ahnung –, weil sie was Wichtiges haben oder weil es einfach mal notwendig ist, um eine Auszeit zu benötigen. Dennoch dürfen sie den gesamten Monat als „nicht in Anspruch genommen“ nutzen.

 

Ist es praktikabel, dass wir mit dem Gesetz Anreize schaffen wollen, dass wir für Erzieher/-innen festschreiben lassen wollen, wenn wir hier fördern, dass sie eben nicht in die Kurzarbeit unter 80 Prozent gehen, sondern Minimum bei 80 Prozent halten? Wie praktikabel ist denn der Vorschlag unter dem Gesichtspunkt einer bürokratiearmen Lösung für Kommunen, für Landkreise? Ist denn das volle Abrechnen eines halben Monats legitim oder sollten auch an dieser Stelle Änderungen stattfinden?

 

Auf die Debatte freue ich mich jetzt schon. Eines ist für mich klar: Betroffene Eltern, deren Gebühren vom freien Träger oder der Kommune bereits abgezogen wurden, obwohl ihre Kinder keinen einzigen Tag im Kindergarten, Hort oder in der Schule waren, hoffen zu Recht auf eine schnelle und pragmatische Lösung, am besten schon vorgestern.

So bewerte ich im Übrigen auch den Antrag der CDU, der im Wesentlichen auf eine Lösung dringt. Genau jenem Anspruch werden wir heute mit unserem Gesetzentwurf gerecht. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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