Thüringer Gesetz zur Einführung eines Justizvollzugsdatenschutzgesetzes und zur Anpassung weiterer Vorschriften des Justizvollzugs

Dr. Iris Martin-Gehl

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/6810

 

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Mantelgesetz, das für den Thüringer Justizvollzug sowohl ein eigenständiges neues Gesetz als auch Änderungen mehrerer bestehender Gesetze beinhaltet. Die Regelungen sind umfangreich. Die Gesetzesmaterialien umfassen 180 Seiten, sodass ich hier nur auf einige ausgewählte Schwerpunkte eingehen kann.

Beginnen möchte ich mit dem Justizvollzugsdatenschutzgesetz, das als neues Gesetz eingeführt wird. Mit dem Gesetz werden entsprechende europarechtliche Vorgaben in Thüringen umgesetzt, die den gesamten Bereich des Justizvollzugs betreffen, neben dem klassischen Justizvollzug also auch den Jugendarrest und die Sicherungsverwahrung. Dass es in diesem Bereich besonderen Bedarf für Regelungen des Datenschutzes gibt, liegt auf der Hand, denn in allen Bereichen des Justizvollzugs gehört die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten zum Alltag. Dabei geht es auch nicht nur um die sensiblen Daten der Gefangenen, sondern unter anderem auch um Daten von Besucherinnen und Besuchern, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unternehmen und Sozialleistungsträger, die in den Justizvollzugsanstalten wichtige Werk- und Dienstleistungen erbringen. Grundsätzlich gilt, dass die einzuführenden Regelungen in allen Detailfragen stets einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und der für den Justizvollzug notwendigen Datenverwendung andererseits schaffen müssen. Dazu sind stets entsprechende Abwägungen vorzunehmen.

 

Dementsprechend sieht das Gesetz klare Regeln dafür vor, nach welchen Grundsätzen und unter welchen Voraussetzungen, von wem, welche Daten erhoben, verwendet, übermittelt, gespeichert werden dürfen. Die im Justizausschuss dazu Angehörten begrüßen es, dass der Thüringer Justizvollzug ein eigenes Datenschutzgesetz erhält. Ihre Anregungen für Änderungen, die Eingang in den vorliegenden Änderungsantrag gefunden haben, betreffen teils begriffliche Klarstellungen und Erläuterungen zu unbestimmten Rechtsbegriffen, teils sprachliche Korrekturen und Präzisierungen und teils redaktionelle Anpassungen.

 

So soll etwa eine neue Begriffsbestimmung eingeführt werden, die erläutert, unter welchen Umständen eine Datenverarbeitung zu vollzuglichen Zwecken „unbedingt erforderlich“ ist. Damit erhält der Rechtsanwender eine Orientierung – etwa für alle Fälle im Gesetz, in denen Maßnahmen davon abhängig gemacht werden, dass sie zu vollzuglichen Zwecken „unbedingt erforderlich“ sind.

 

Eine weitere Anregung aus der Anhörung findet sich in der Klarstellung, unter welchen Voraussetzungen die Kenntnis einer betroffenen Person von der Erhebung ihrer Daten zu vermuten ist. Auch insoweit wird mehr Rechtssicherheit für die Rechtsanwendung geschaffen.

 

Zudem werden im Änderungsantrag auch Kriterien für die Abwägungen präzisiert, die ich erwähnt habe. So sind aufseiten der betroffenen Personen die berechtigten, schutzwürdigen Interessen einerseits den vollzuglichen Erfordernissen andererseits gegenüberzustellen.

 

Neu wird eine Regelung zum Geheimnisschutz in Bezug auf gewonnene sicherheitsrelevante Erkenntnisse in das Gesetz aufgenommen. Außerdem wird eine Evaluierungsklausel eingeführt, die gerade, weil es sich um ein neues Gesetz handelt, sinnvoll erscheint.

 

Ich komme nun zu Artikel 2 des Mantelgesetzes: zu den Änderungen des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs. Diese Änderungen erreichen „ein hohes Maß an Regelungsdichte, manchmal vielleicht zu viel“, wie einer der Angehörten konstatierte – eine Einschätzung, der ich mich anschließe. Der Gesetzentwurf sieht insgesamt etwa 20 inhaltliche Änderungen des Justizvollzugsgesetzbuchs vor, außerdem noch redaktionelle und rein klarstellende Änderungen. Bei dieser Fülle von Themen kann ich auch hier nur einige wenige Schwerpunkte nennen und auch nicht im Einzelnen erläutern. Das gibt meine Redezeit leider nicht her.

 

Einen ersten Schwerpunkt sehe ich in der Einführung eines Vollzugsgrundsatzes des opferorientierten Strafvollzugs, weil damit ein wesentlicher Beitrag für die Resozialisierung der Strafgefangenen geleistet wird. Denn dann, wenn sich der Täter mit den Folgen seiner Tat für das Opfer auseinandersetzt, sich quasi in die Rolle des Opfers hineinversetzt, besteht eine gute Chance, das Rückfallrisiko zu minimieren. Aber auch für die Opfer ist es zur Bewältigung der Geschehnisse um die Tat zuweilen wichtig, bei der Vollzugsgestaltung wahrgenommen und in ihrer Befindlichkeit berücksichtigt zu werden.

 

Als weiteren Schwerpunkt sehe ich die Wiedereinführung des Überbrückungsgeldes für Strafgefangene. Es geht hierbei um die Bildung eines unpfändbaren Vermögens aus den Einkünften der Gefangenen, das ihren notwendigen Lebensunterhalt und den ihrer Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung sichern soll. Dass diese Maßnahme im Hinblick auf eine gelingende Resozialisierung sinnvoll ist – das heißt, für einen reibungslosen Start in ein straffreies Leben der Gefangenen –, liegt auf der Hand und wird deshalb auch von den Angehörten ausdrücklich begrüßt.

 

Schließlich möchte ich die Präzisierung der Trennungsgrundsätze für den Strafvollzug erwähnen. Dass künftig bei der Unterbringung nicht mehr ausschließlich zwischen männlichen und weiblichen Gefangenen, sondern zwischen Gefangenen unterschiedlichen Geschlechts unterschieden wird und Gefangene nach ihrer geschlechtlichen Identität und nach den Bedürfnissen ihrer Persönlichkeit getrennt unterzubringen sind, ist aus meiner Sicht eine längst überfällige Regelung.

Was den vorliegenden Änderungsantrag anbelangt, wurden durch die Koalitionsfraktionen Vorschläge aus der Anhörung aufgegriffen, etwa die Erweiterung der für die Vollzugsplanung bzw. -durchführung zur Verfügung stehenden Faktengrundlage um Informationen der Gerichts-, Jugendgerichts- und Bewährungshilfe. Hinzu kommt die rein redaktionelle Änderung einer Regelung zum Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen. Schließlich wurde eine zusätzliche Änderung des Justizvollzugsgesetzbuchs in den Änderungsauftrag aufgenommen, nämlich eine Änderung der in § 143 festgeschriebenen Übergangsregelung zur Belegung der Hafträume in den Justizvollzugsanstalten. Aufgrund der Verzögerung der Fertigstellung der JVA in Zwickau-Marienthal ist die geänderte Übergangsregelung, die ab dem 01.01.2025 in JVA-Altbauten eine Dreierbelegung statt bisher eine Zweierbelegung ermöglicht, unabdingbar geworden.

 

Eine weitere Änderung zu Artikel 6 des Mantelgesetzes betrifft die Korrektur einer gesetzlichen Verweisung, um die Einheitlichkeit in der Gesetzessystematik zu wahren. Ich empfehle die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der Beschlussempfehlung des Justizausschusses und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

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