Thüringer Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbau- und Abwasserbeiträge

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE - Drucksache 5/1413 - Erste Beratung


Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herr von der Krone, ich wollte Ihnen drei Fragen stellen. Das haben Sie nicht zugelassen. Ich mache es mal am Beginn meines Beitrags und im Laufe meiner Argumentation werden Sie dann auch noch mal einordnen können, weshalb es für den Fortgang der Debatte durchaus hilfreich gewesen wäre, wenn Sie diese Fragen beantwortet hätten.

Zunächst wollte ich Sie fragen, ob Sie mir anhand dieses Kulis den Unterschied zwischen Wert und Gebrauchswert erklären können. Ich komme darauf noch mal zurück. Die zweite Frage, die ich stellen wollte, ist, woraus Sie schlussfolgern, dass die Infrastrukturabgabe eine Steuer ist. Sie haben ja dankenswerterweise für Ihre Fraktion den Antrag gestellt, den Gesetzentwurf an die Ausschüsse zu überweisen.


(Beifall DIE LINKE)


Dafür bin ich Ihnen erst einmal dankbar, denn das ist eine andere Qualität als vielleicht in der 3. und 4. Legislatur, als das keine Selbstverständlichkeit war. Dort können wir diese Fragen dann letztlich debattieren. Die dritte Frage, die ich Ihnen stellen wollte, ist, ob Sie mir die Kriterien für die Wertsteigerung eines Grundstücks noch mal erläutern können, aber auch das können wir dann im Ausschuss machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der hier vorliegende Gesetzentwurf ist das Resultat keiner - ich weiß wovon ich rede - einfachen Diskussion innerhalb der Bürgerinitiativen. Es ist ein Kompromisspapier. Der Gesetzentwurf folgte bestimmten Prämissen, die meine Kollegin Sabine Berninger bereits erläutert hat. Grundsätzlich ist bekannt, dass die Bürgerinitiativen - wie ich auch persönlich - diese Beitragsfinanzierung als Fiskalmodell aus dem 19. Jahrhundert für nicht mehr zeitgemäß halten, aber die komplette Abschaffung, insbesondere im Bereich Straßenausbau, würde einer Einbeziehung von bundesrechtlichen Regelungen notwendig machen und die Bürgerinitiativen wollen bewusst eine Lösung, die hier im Lande realisierbar ist, um nicht, wie Herr Hey immer in öffentlichen Äußerungen darlegt, zu sagen, das soll man doch bundeseinheitlich regeln. Das geht bedauerlicherweise nicht. Wir sind in einem föderalen System und diese Aufgabe ist den Ländern zugeordnet. Die Steuerarten, die die Benutzung der Straße abbilden, nämlich die Kfz-Steuer und Mineralölsteuer, sind zwischenzeitlich Bundessteuern, so dass wir als Land keinen Zugriff haben. Ich bin überzeugt, die Bürgerinitiativen haben einen hohen Respekt verdient, in diesem komplizierten Prozess eine Lösung anzubieten, über die wir hier tatsächlich diskutieren können.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe es so verstanden, es ist ein Diskussionsangebot und weder die Bürgerinitiativen noch die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, noch DIE LINKE nehmen für sich in Anspruch, dass das der einzig mögliche Weg ist. Aber die anderen Fraktionen und die Landesregierung sind auch gefordert, sich dieser Diskussion zu stellen. Deshalb bin ich ja davon überzeugt, dass der Gesetzentwurf insbesondere einen weiteren Impuls für die notwendige Diskussion geben wird.


(Beifall DIE LINKE)


Wir wissen, das Eckpunktepapier, das der Innenminister vor der parlamentarischen Sommerpause vorgestellt hat, erfüllt nicht mal ansatzweise die Erfordernisse, über die seit Jahren hier in Thüringen diskutiert wird, sondern es heißt ja nur Fortsetzung. Ich habe nichts gegen Konservatismus, Herr von der Krone. Er kann in Teilen, insbesondere was moralische Werte betrifft, sehr hilfreich für die Stabilität einer Gesellschaft sein. Aber in einer solchen Sache wie einem Fiskalinstrument, muss man sich überlegen, ob die Bedingungen des 19. Jahrhunderts, wenn ich nur die Entwicklung im Rahmen der Mobilität und der Motorisierung ansetze, wirklich noch im 21. Jahrhundert geeignet sind, diese Probleme eins zu eins abzubilden und nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit usw. das abzubilden. Auf Ihre Argumente hinsichtlich des Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts und die eigenen Ansprüche, die im Koalitionsvertrag formuliert sind - bürgerfreundlich, juristisch einwandfrei und finanzierbar -, werde ich noch einmal eingehen. Ich bin davon überzeugt, der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt genau all diese Kriterien; er ist bürgerfreundlich,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


er ist juristisch zumindest sicher - den Begriff einwandfrei will ich nicht gebrauchen, weil er zu absolut klingt, im Rahmen der Gewaltenteilung ist es auch immer zulässig, Gesetze noch einmal einer juristischen Prüfung zu unterziehen -, aber er ist vor allen Dingen auch finanzierbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf berücksichtigt aber auch verfassungsrechtliche und rechtliche Rahmenbedingungen, die wir vorfinden. Auch das ist nicht einfach, mit den Bürgern über eine derart abstrakte Materie zu diskutieren, z.B. über die Frage des Unterschieds zwischen Gebrauchswert und Wert. Wir haben es hier mit zwei Verfassungsgrundsätzen zu tun, die Berücksichtigung finden müssen. Das hat aus meiner Sicht ganz überzeugend im Jahr 2004 der Gutachter der damaligen Landesregierung, Prof. Ferdinand Kirchhof, gemacht in seinem Gutachten, als es um die Abschaffung der Wasserbeiträge ging - ganz überzeugend. Er hat dargestellt, dass zwei Grundrechtspositionen, der Schutz des Eigentums und Eigentum verpflichtet in Konkurrenz zueinander stehen. Aufgrund der besonderen Systematik und Struktur der Eigentümer in den neuen Bundesländern muss eine andere Abwägung erfolgen als beispielsweise in den alten Bundesländern, weil wir in den neuen Bundesländern eine Eigentümerstruktur haben, dass das Grundeigentum abgekoppelt ist von Fiskalvermögen. Also anders formuliert: Wir haben in den neuen Bundesländern viele Eigentümer, die aber neben diesem Eigentum über kein wahrnehmbares Fiskalvermögen verfügen - also über finanzielle Rücklagen. Das muss abgewogen werden. Das hat er sehr überzeugend gemacht. Der jetzige Gesetzentwurf nimmt diese Argumentation von Prof. Kirchhof aus meiner Sicht sehr überzeugend auf. Wie kompliziert die Eigentümerstruktur ist in Thüringen, macht allein der Fakt sichtbar, dass wir geschätzt etwa 16.000 Hartz-IV-Empfänger haben, die im selbst genutzten Wohneigentum wohnen. Mit einer solchen Struktur haben die alten Bundesländer natürlich nichts zu tun; der Herr Innenminister kann das sicherlich bestätigen.


Meine Damen und Herren, das Eckpunktepapier des Innenministers stößt deshalb so auf Kritik, weil es weder das Problem der rückwirkenden Erhebung aufgreift noch löst. Sie müssen sich mal vorstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, da erwägt wirklich der Gesetzgeber, die Gemeinden zu veranlassen, bis zum August 1991 rückwirkend Straßenausbaubeiträge zu erheben. Es gibt Verfassungsgrundsätze in unserem Land. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1961 entschieden, der Staat darf nicht in abgeschlossene Tatbestände eingreifen. Jetzt müssen Sie sich mal in die Situation von Bürgermeistern, von Gemeinderäten versetzen, die gezwungen werden von uns als Gesetzgeber, in ihrer Gemeinde 20 Jahre rückwirkend Straßenausbaubeiträge zu erheben. Da kann man argumentieren wie der Herr von der Krone, die hätten nur das Gesetz durchsetzen müssen. Aber da will ich noch einmal einen Blick in die Geschichte des Gesetzes hier vollziehen, weil dann das Problem deutlich wird. Bis zum Jahr 2005 sind alle Beteiligten an diesem Prozess, die Bürger, die Kommunen, die Landesregierung, die Rechtsaufsichtsbehörden, selbst die Gerichte davon ausgegangen, dass die Thüringer Kommunen bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ein gewisses Ermessen haben. Erst durch das Urteil des OVG ist dieses Ermessen de facto gegen null reduziert worden. Da gab es einen juristischen Streit. Wenn Frau Mühlbauer jetzt wieder da wäre, würde Sie sagen - sie ist da -, es wäre zu juristisch. Man muss sich aber mal mit der Frage beschäftigen, nämlich ob der Gesetzgeber 1991 mit dem Wort „können“ ein Ermächtigungskönnen gemeint hat oder ein Ermessenskönnen. So etwas debattiert man mit den Bürgern immer sehr intensiv und die sagen: Hört damit auf, wir wollen das Problem gelöst haben. Deswegen will ich das jetzt hier nicht weiter vertiefen. Im Ausschuss können wir das machen. Aber bis zum Jahr 2005 sind alle Beteiligten davon ausgegangen, es ist eine Ermessens- und kein Ermächtigungskönnen. Nun hat sich das OVG interessanterweise auf eine Rechtsprechung in Sachsen berufen zum Fall Leipzig. Dann ist in Sachsen etwas Erstaunliches geschehen, dass dort nämlich Richter in einem historisch kurzen Zeitraum ihre Rechtsauffassung vollkommen geändert haben. Sie haben eingestanden, sie haben sich geirrt. Das fällt deutschen Richtern nicht leicht, eine solche Einschätzung. Im Januar des Jahres 2007 haben die gleichen Richter gesagt, ihre Entscheidung im Jahr 2004 war falsch. Sie haben noch einmal in die Geschichte des sächsischen Kommunalabgabengesetzes geschaut und dabei festgestellt, der Gesetzgeber wollte ein Ermessen, und haben deshalb aus dem Ermächtigungskönnen wieder ein Ermessenskönnen gemacht, so dass wir jetzt die Kuriosität in Thüringen haben, dass sich bestimmte Landespolitiker, die Landesregierung, auch Herr von der Krone, auf ein Urteil des OVG berufen, das gar keine Begründung mehr hat. Denn dem ist die Begründung abhanden gekommen, weil die Sachsen gesagt haben: Nein, wir haben uns geirrt. Eine andere Begründung haben die Thüringer nicht herangezogen. Wenn Sie aber jetzt mal die Kommunalabgabengesetze, die Kommunalordnung von Sachsen und Thüringen nebeneinander legen, stellen Sie fest, die sind fast wortgleich, sowohl was die Einnahmegrundsätze betrifft, als auch die Erhebungsgrundsätze für die Beiträge. Es gibt nur zwei marginale Unterschiede. Die Sachsen haben noch deklaratorisch klargestellt, dass bei der Abgabenerhebung die Leistungskraft der Abgabenschuldner zu berücksichtigen ist. Das brauchten wir nicht, denn das ist in der Abgabenordnung geregelt. Und das zweite ist, dass in Thüringen von den fünf Ausbautatbeständen nur drei unter die Kann-Bestimmung fallen, also wo „können“ formuliert ist; in Sachsen sind es alle fünf. Aber wir befinden uns ja zurzeit in der Herstellungsphase und da sind Sachsen und Thüringen identisch. Jetzt müssen Sie mal mit Bürgern reden, warum eine wortgleiche Gesetzesregelung in Sachsen zu einer ganz anderen praktischen Wirkung führt als in Thüringen. Sie hatten die Möglichkeit, denn die damalige Fraktion Linkspartei.PDS hat ja in der 4. Legislaturperiode sofort einen Gesetzentwurf eingebracht, wir übernehmen die sächsische Regelung. Das hat damals die CDU abgelehnt. Ich bin davon überzeugt, wenn Sie damals den Mut gehabt hätten, die sächsische Regelung zu übernehmen, hätten wir heute vielleicht gar nicht diese Debatte.


(Beifall DIE LINKE)


Aber Sie haben es nicht getan und jetzt müssen Sie mit dieser Situation umgehen und müssen sich dem Vorschlag entsprechend stellen. Ihr Eckpunktepapier, wie gesagt, blendet das vollkommen aus, also die rückwirkende Erhebung. Dann haben Sie so eine Scheindiskussion eröffnet, als würden Sie den Kommunen ein gewisses Ermessen einräumen wollen, und zwar dass der kommunale Anteil, den die Gemeinden am kommunalen Straßenausbau zu finanzieren hätten, schwanken kann zwischen 20 und 80 Prozent. Der hohe kommunale Anteil von 80 Prozent ist aber an die Voraussetzung gekoppelt, dass die Gemeinde gegenwärtig schuldenfrei ist und auch künftig schuldenfrei bleiben wird. Da ist eine Prognose ganz schwierig, was die Zukunft betrifft. Manche Gemeinde, die heute keine Schulden hat, kann natürlich in zwei Jahren in eine Situation kommen, wo sie sich verschuldet. Das wird eine spannende Diskussion, wie Sie das regeln wollen. Wir haben uns mal mit der Struktur der Gemeinden beschäftigt, die gegenwärtig in Thüringen schuldenfrei sind. Das sind rund 120 - 126, wenn ich die Zahl richtig in Erinnerung habe. 126 Kommunen sind schuldenfrei. Davon sind 85 Prozent nicht schuldenfrei, weil sie leistungsfähig sind, sondern weil sie durch die Rechtsaufsichtsbehörde aufgrund der desolaten Haushaltssituation niemals Kredite genehmigt bekamen. Das ist die Ursache. Weil die Steuerkraft zu gering ist, weil sie Bedarfszuweisungen brauchen - in einer solchen Situation hat die Rechtsaufsichtsbehörde zu Recht aufgrund der gesetzlichen Vorgaben eine Kreditaufnahme verweigert oder dieser nicht zugestimmt. Wie wollen Sie denn das Problem lösen? Nur das Kriterium der Schuldenfreiheit ist kein hinreichendes Kriterium für Leistungsfähigkeit, sondern da müssten Sie die freie Finanzspitze, die dauernde Leistungsfähigkeit, usw. heranziehen. Aber auch dazu werden Sie sich sicherlich äußern. Es sind auch erst mal nur Eckpunkte und ich gestehe, dass Eckpunkte letztlich noch nicht der Referentenentwurf und auch noch nicht der Gesetzentwurf sind.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mich noch mal etwas intensiver mit den zwei Regelungsbereichen beschäftigen, die das Gesetz aufgreift. Es geht um die Abwasserbeiträge und um die Straßenausbaubeiträge und da gibt es ein paar Unterschiede. Beim Abwasser zunächst wenige Anmerkungen zur gegenwärtigen Situation: Wir haben - und das sind Zahlen, die stammen von der Landesregierung, also es sind keine eigenen Ermittlungen - im Abwasserbereich bisher 3,5 Mrd. € in die Systeme investiert. Nach Angaben der Aufgabenträger müssen weitere 3,5 Mrd. € investiert werden bis zum Jahr 2034, um die Anlagen fertigzustellen. Das sind 7 Mrd. €, die investiert werden sollen. Der gegenwärtige Abwasseranfall in Thüringen beträgt 75 Mio. m³, Tendenz fallend. Künftig rechnet man mit etwa 50 Mio. m³ Abwasser aufgrund der demographischen Entwicklung, aber auch des Verbrauchsverhaltens, aufgrund neuer Technologien vor allem im Bereich der Wirtschaft - also Mehrfachnutzung von Brauchwasser und dergleichen. In einer solchen Situation ein derart gigantisches Investitionsprogramm realisieren zu wollen, halten wir für verantwortungslos.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Ursache - es gibt ja viele Ursachen - ist nach meiner Überzeugung und der Überzeugung meiner Fraktion die Beitragserhebungsoption. Dadurch brauchen sich die Zweckverbände nicht am gegenwärtigen Verbrauch zu orientieren, sondern können eine Prognose treffen an der Möglichkeit der Inanspruchnahme, so heißt das juristisch. Das ist eine Einladung zu investieren, denn die Investitionen refinanziert werden, unabhängig davon, ob die Anlage dann tatsächlich in Anspruch genommen wird oder nicht. Da stellen Sie fest, wie rückwärtsgewandt dieses System der Beiträge ist. Wenn die Beiträge wegfallen, ist das ein Beitrag für mehr Transparenz, weil dann die Kostenstruktur des Zweckverbandes, des Aufgabenträgers deutlich wird. Wir haben jetzt eine Verschleierung von Kosten - wir erheben Abwasserbeiträge, wir erheben eine Grundgebühr für Abwasser, wir erheben eine Schmutzwassergebühr und eine Oberflächenwassergebühr und somit ist zum Beispiel ein interkommunaler Vergleich überhaupt nicht möglich bei dieser Struktur. Der Bürger kann überhaupt nicht nachvollziehen, was kostet mich denn jetzt die Behandlung meines Abwassers überhaupt, weil er durch komplizierte Umrechnungsverfahren überhaupt erst mal eine transparente Kostenstruktur schaffen müsste. Wir tragen dazu bei und wir erhöhen neben der Transparenz auch den betriebswirtschaftlichen Druck auf die Zweckverbände, weil diese künftig, wenn sie nicht mehr das Refinanzierungsmittel Beiträge haben, bei jeder Investition die Auswirkung auf die Gebühren berücksichtigen müssen. Da das ein transparentes Verfahren ist, werden die Zweckverbände tatsächlich ein anderes Investitionsverhalten an den Tag legen als gegenwärtig. Deshalb auch die Nebenwirkung des Gesetzes, dass die Transparenz erhöht wird und auch der betriebswirtschaftliche Druck. Eine weitere Ursache für die Kostenentwicklung ist, wir hatten in Thüringen zum 01.01.1993 222 Aufgabenträger der Abwasserentsorgung. In den ersten beiden Jahren nach der deutschen Einheit waren es drei Aufgabenträger; aus drei wurden 222 mit Zustimmung aller Fachbehörden, aller Aufsichtsbehörden. Sie können sagen, das haben die Kommunalpolitiker gemacht, aber es war eine Vielzahl von Beratern aus den alten Bundesländern da, die den Bürgermeistern das erst eingeredet haben, so eine kleingliedrige Struktur. Die Hoffnung, die vielleicht damit verbunden war, dezentrale Anlagen zur Wirkung zu kommen, da war nichts und es gab ja dort Beraterfirmen, also die Mittelrheinische Treuhand. Da habe ich mich dann mal erkundigt, also die haben noch nie etwas mit Kommunen zu tun gehabt bis 1990.


(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Es gibt viel zu verdienen.)


Auf einmal waren sie hier im Osten. Dann waren sie diejenigen, die die Landesregierung und die Zweckverbände beraten haben bei der Neustrukturierung, also der Bildung der Zweckverbände. Was man so hört, die Honorare waren nicht wenig. Da gab es ja auch CDU-Politiker, die intensiv mitgewirkt haben. Ich will nur Herrn Gnauck nennen, der da sehr intensiv mitgewirkt hat; er war ja auch mal Minister einer Landesregierung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, daraus sind jetzt 149 Zweckverbände oder Aufgabenträger zwischenzeitlich geworden. Diese Reduzierung ist dem Land teuer zu stehen gekommen: 400 Mio. Strukturhilfe und nachträgliche Förderung von Investitionen. Damit sind Grundsätze der Investitionsförderung durchbrochen worden, indem nämlich Investitionen nachträglich noch einmal gefördert wurden. Das ist ja das Eingeständnis, dass diese gesamte Investitionspolitik aber derart vor den Baum gefahren wurde, dass sich das durchschlägt insbesondere auf die Gebühren, aber eben auch auf Beiträge. Das sind Ursachen, weshalb hier die Kosten explodiert sind. Von den 149 Aufgabenträgern erheben gegenwärtig 47 keine Beiträge. Jetzt wird ja immer wieder in der öffentlichen Diskussion, aus meiner Sicht durchaus berechtigt, die Diskussion aufgemacht: Erhöhen sich die Gebühren überproportional, wenn ich Beiträge abschaffe? Wenn das stimmen würde, wenn es also einen kausalen Zusammenhang gäbe, wenn ich keine Beiträge erhebe, sind die Gebühren entsprechend höher, müssten ja die Zweckverbände und Aufgabenträger, die keine Beiträge haben, überhöhte Gebühren haben. Das ist aber nicht der Fall, sondern wir haben oftmals die Doppelwirkung, dass gerade die Aufgabenträger, die hohe Beiträge haben, auch hohe Gebühren haben. Es gibt aus meiner Sicht ein strukturelles Problem. Insbesondere Aufgabenträger mit weniger als 60.000 Einwohnern, wo es keinen zentralen dominierten Ort gibt, mit städtischem Verdichtungsraum, wo mindestens die Hälfte dieser Einwohner wohnt, die haben Probleme. Deshalb waren ja die Problemfälle in der Vergangenheit: WAZOR 15.000 zu versorgende Einwohner, Königsee mit 4.000 Einwohner der einzigste Verdichtungsort; dann Friedrichroda der Zweckverband auch nur 12.000 Einwohner. Das ist natürlich ein strukturelles Problem. Deswegen muss man auch überlegen vonseiten der Landespolitik, ob man diese Strukturen dauerhaft nicht anders gestalten kann. Wenn ich 400 Mio. € in eine Struktur nachträglich reingebe und immer noch keine leistungsfähige Strukturen habe, dann stimmt doch irgendetwas nicht. Da müssen wir wirklich mal nachdenken, ob wir nicht einen Untersuchungsausschuss beantragen, um das mal zu recherchieren, denn da geht es um viel Geld. Da hat ja die Öffentlichkeit auch mal ein Anrecht darauf zu erfahren, warum es nicht gelingt mit 400 Mio. €, eine leistungsfähige Aufgabenträgerstruktur zu installieren. Sondern wir doktern immer noch rum und wir geben immer noch Geld rein. Da habe ich die Finanzhilfen überhaupt noch nicht berücksichtigt.


Es gibt also aus meiner Sicht keinen kausalen Zusammenhang zwischen Beiträgen und Gebühren. Im Übrigen, als es um die Diskussion Wasserbeiträge ging 2004, gab es auch die Hinweise und die Befürchtungen, die Wassergebühren würden explodieren. Ich darf noch einmal daran erinnern, beim Bereich „Wasser“ mussten 168 Mio. € zurückgezahlt werden und die Aufgabenträger mussten auf 400 Mio. € geplante Wasserbeiträge verzichten. Übrigens, im Wasserbereich war es auch so, 103 Aufgabenträger, davon hatten nur 43 Wasserbeiträge. 60 Aufgabenträger hatten nie Wasserbeiträge. Also da hatten wir auch schon eine gespaltene Betroffenheit in Thüringen. Alles das ist nicht eingetreten. 11 Aufgabenträger, das sind jetzt Zahlen der Landesregierung, von den 103 haben tatsächlich seit 2004 die Wassergebühr erhöht, aber aus den unterschiedlichsten Gründen. Da war auch zum Teil Wegfall der Wasserbeiträge dabei. Wir haben aber auch Aufgabenträger, die konnten sogar die Wassergebühren senken, obwohl sie keine Beiträge mehr erheben durften und obwohl sie Beiträge zurückerstatten mussten. Ich will zwei Beispiele nennen. Das ist der Wasser- und Abwasserverband in Bad Salzungen und der Wasser- und Abwasserzweckverband Arnstadt und Umgebung. Die haben sogar die Wassergebühren senken können. Also auch dort gibt es zumindest keinen Automatismus. Ich bitte all diejenigen, die die Befürchtung hegen, dass Gebühren explodieren können, sich einfach mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen. Wir schließen eine Gebührenerhöhung nicht aus, aber wir sagen, sie kann moderat ausfallen. Die Wirkungen, die damit verbunden sind, insbesondere was Transparenz betrifft, was besseres betriebswirtschaftliches Handeln der Aufgabenträger betrifft, wiegen schwerer als möglicherweise eine moderate Gebührenerhöhung. Wir lösen das Problem der Abwasserbeiträge - und das ist ein Problem. 800 Mio. € sind gegenwärtig erhoben, 300 Mio. € sind privilegiert, also langfristig und dauerhaft gestundet. Wenn das Investitionsverhalten sich so fortsetzt und ich das mal linear fortschreibe, müssen wir mit weiteren 800 Mio. € Abwasserbeiträgen rechnen. Das ist eine finanzielle Belastung, die ist den Bürgerinnen und Bürgern in Thüringen nicht zumutbar. Wir müssen von den 3,5 Mrd. €, die noch nicht investiert sind, weg. Da gibt es ausreichend technische Lösungen.


(Beifall DIE LINKE)


Wenn es nur gelingt, 1 Mrd. € davon zu sparen, hat das Auswirkungen sowohl auf die Struktur der Gebühren, als auch auf die Struktur des Landes. Wir brauchen nicht mehr in dem Maße und so hoch zu fördern. Das würde auch den Landeshaushalt letztlich entlasten.

Noch ein verfassungsrechtlicher Hinweis: Mir konnte bisher niemand überzeugend erklären, warum die Abschaffung der Wasserbeiträge verfassungsrechtlich zulässig ist, aber bei den Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen, die die gleiche Rechtsgrundlage haben, werden verfassungsrechtliche Hürden aufgebaut, so dass man sagt wie Herr von der Krone, wir müssen die Verhältnisse des 19. Jahrhunderts dauerhaft zementieren - im 21. und wenn es nach ihm geht sicherlich auch noch im 22. Jahrhundert. Mir fehlt noch das Verständnis, aber da bin ich gern bereit, mich den Argumenten zu stellen. Ich betone es noch einmal, ich bin kein Dogmatiker.


(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Seit wann?)


(Heiterkeit FDP)


Ich verstehe Ihre Heiterkeit jetzt nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Bereich Straßenausbau. Auch dort kurz etwas zur Situation. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, übrigens auch Abwasserbeiträgen, also das Beitragsinstrument insgesamt ist eine deutsche Besonderheit, das gibt es in keinem anderen europäischen Land. Wenn ich die EU richtig verstanden habe, geht es auch um Rechtsharmonisierung. Da müsste man sowieso nachdenken, ob man diese deutsche Besonderheit schon deshalb infrage stellt. Die Straßenausbaubeiträge gibt es auch nicht flächendeckend unter der Wirkung des Grundgesetzes, wenn ich Mallorca ausnehme, da ist es strittig, ob das Grundgesetz wirkt, manche sagen, ja, ich nehme die 16 Bundesländer, Bremen hat keine, Hamburg hat keine, Baden-Württemberg hat sie Mitte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts abgeschafft, im Saarland unter der Herrschaft nicht von Lafontaine sondern von Müller (CDU) ist den Gemeinden ein hohes Ermessen eingeräumt worden und Sachsen aufgrund der Rechtssprechung seit 2007 ein hohes Ermessen. In Nordrhein-Westfalen gab es auch einmal dieses hohe Ermessen, das ist wieder zurückgefahren worden. Wir haben unter der gleichen Regelung des Grundgesetzes eine unterschiedliche Rechtslage. Da auch noch einmal die Frage: Wollen Sie, insbesondere die Damen und Herren der CDU, aber auch Teile der SPD, behaupten, dass in Baden-Württemberg, in Bremen und in Hamburg verfassungswidrige Gesetze gelten? Weil Herr von der Krone formuliert, das wäre verfassungswidrig. Dann sollen Sie ehrlich sein und sagen, Sie wollen es aus politischen Erwägungen heraus nicht, das ist doch ein Wort. Dann kann man sich damit auseinandersetzen, aber bitte doch nicht immer die Keule, verfassungswidrig. Das stimmt nicht, sonst würde in Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg das Grundgesetz nicht entsprechend zur Wirkung und Anwendung kommen.


Aber auch in Thüringen, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir sehr unterschiedliche Wirkungsmechanismen. Die Zahlen weichen etwas ab, die Landesregierung sah sich außerstande, die Anfragen aus der 4. Legislaturperiode zum Istzustand der Straßenausbaubeiträge zu beantworten. Ich wusste nicht, dass es so einfach ist, die Arbeitsfähigkeit einer Landesregierung infrage zu stellen. Wenn schon allein 652 Anfragen ausreichen, um die Landesregierung völlig zu blockieren, dann haben sie uns einen Weg aufgezeigt, wie wir hier für einen Regierungswechsel sorgen könnten, da müsste ich also nur 1.000 Anfragen formulieren - fällt mir nicht schwer - und schon sind Sie völlig am Ende. Also stellen Sie sich selbst nicht so schlecht hin. Das Gutachten von Herrn Brenner war gestern auch Thema in der Fragestunde. Das hat zwar 18.000 € gekostet, aber das hätten Sie auch für weniger Geld mit einer sachlich fundierteren Aussage gekommen. Dadurch sind die Zahlen unterschiedlich. Sie verfügen offenbar über Herrschaftswissen, das Sie uns nicht zur Verfügung stellen wollen. Deswegen mussten wir selbst Erhebungen machen, deshalb weichen ein paar Zahlen ab.


Aber unstrittig ist, wir haben eine dreistellige Anzahl von Kommunen, die bisher noch keine Straßenausbaubeitragssatzung erlassen haben und damit auch noch keine Beiträge erhoben haben. Bis 2001 haben wir sogar Schriftverkehr aus Ihrem Innenministerium, die das sanktioniert und gesagt haben, das ist so. Also auch dort kein einheitlicher Rechtsbezug und ich sage es Ihnen, die rückwirkende Erhebung wird vor dem Gericht scheitern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Verfassungsgericht in Thüringen sagt, 20 Jahre rückwirkend können Beiträge erhoben werden. Das funktioniert schon gar nicht aus dem Haushaltsrecht, weil die Dokumentation der tatsächlichen Kosten muss nur zehn Jahre aufbewahrt werden, die Originalbelege nur sechs Jahre. Und die Bücher werden nicht anerkannt, das Gericht will immer Originalunterlagen. Da ich ja davon ausgehe, dass wir alles ordentliche Verwaltungen haben, die auch nicht viel Platz haben, die werden ihre Archive immer so führen, wie es vorgeschrieben ist. Das heißt, nach sechs Jahren werden die Originalrechnungen vernichtet und nach zehn Jahren die Bücher geschlossen. Da bin ich mal gespannt, wie Sie dann 20 Jahre rückwirkend Beiträge erheben wollen nach den tatsächlichen Aufwendungen. Sie dürfen nicht schätzen, nichts, brauchen die tatsächlichen Aufwendungen.


Jetzt will ich mich noch einmal damit beschäftigen, was auch Herr von der Krone gesagt hat, diesen besonderen wirtschaftlichen Vorteil, der die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen begründet. Jetzt wird es wieder ein wenig abstrakt, aber ist notwendig. Der besondere wirtschaftliche Vorteil wird durch drei Kriterien definiert: Dauerhaftigkeit, Grundstücksbezogenheit, gebrauchswerterhaltend oder -erhöhend. Jetzt beschäftigen wir uns mal mit den drei Faktoren. Dauerhaftigkeit kann bei einer Straße unterstellt werden. Wenn sie ordentlich gebaut ist, hält sie länger als fünf Jahr. Und wenn sie länger als fünf Jahre hält, wird gesagt, okay Dauerhaftigkeit. Jetzt kommen wir aber mal zur Grundstücksbezogenheit. Haben Sie denn wirklich noch die Illusion, dass wie im 19. Jahrhundert ich die einzelne Straße betrachten kann? Oder müssen wir nicht die Straßen als Komplex, als System betrachten zwischen Gemeindestraßen, Kreisstraßen, Landesstraßen, Bundesstraßen, Bundesautobahn? Nur dann entfaltet überhaupt das Straßensystem eine Wirkung. Sie können also vor Ihrem Haus die beste Straße haben, wenn Sie keine Anbindung an das überregionale Straßennetz haben, nützt Ihnen diese Straße nichts. Nicht von ungefähr kommt es doch, wenn Sie mal Grundstückspreise vergleichen, wenn wir mal zum Wert kommen, dass natürlich Gemeinden, die näher an dem überregionalen Straßennetz dran sind, andere Grundstückswerte aufweisen als Gemeinden, die weiter weg sind. Die Grundstücksbezogenheit ist schon äußerst infrage zu stellen. Jetzt kommen wir aber noch einmal zum Gebrauchswert. Herr von der Krone, jetzt kommt das noch einmal. Der Kuli hat einen Gebrauchswert, ich kann damit schreiben, das ist unstrittig.


(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Vorher war es ein anderer.)


Ja, ich habe mehrere. Ich bin Abgeordneter, wegen der Diäten bin ich in der Lage, mir mehrere - aber ich kriege sie meistens geschenkt. Gebrauchswert - ich kann schreiben. Welchen Wert dieser Kuli hat, ist davon abhängig, wer ihn in der Hand hatte, unter anderem - ist klar. Zum Beispiel wenn Lady Di den in der Hand gehabt hätte, hätte der einen anderen Wert als wenn ich ihn nur in der Hand geführt habe. Von daher sind natürlich der Wert einer Sache und der Gebrauchswert zwei völlig unterschiedliche Sachen. Selbst Sie können das sicherlich nachvollziehen. Der Wert eines Grundstücks ist von vielen Faktoren abhängig, insbesondere von der Nachfrage. Ich bin überzeugt, die Kolleginnen und Kollegen der FDP können mir das dann ganz genau erklären, die beherrschen ja die Wirkung des Marktes bis ins Detail und wissen, dass Nachfrage und Angebot im Wesentlichen den Preis, also den Wert bestimmen, aber nicht den Gebrauchswert. Der Gebrauchswert des Grundstücks besteht in der baulichen und der wirtschaftlichen Nutzbarkeit. Wir befinden uns hier im Bereich der Grundstücke, die am 3. Oktober 1990 bereits baulich genutzt wurden, also die sogenannten Bestandsgrundstücke. Alles was neu bebaut wird, dort gehen wir davon aus, es gilt Erschließungsrecht - Baugesetzbuch. Das stellen wir überhaupt nicht infrage, weil das oftmals in der Diskussion behauptet wird, wir würden dann auch denjenigen entlasten, der neu baut - also im beplanten Baugebiet. Nein, dort gilt Erschließungsrecht, das ist Bundesrecht. Die müssen 90 Prozent der Erschließungskosten tragen. Das finden wir auch in Ordnung so. Es geht um die Bestandsgrundstücke. Wenn Sie jetzt baulich nutzen, gehen Sie zur Bauordnungsbehörde und stellen einen Bauantrag für dieses Grundstück, da interessiert die Baubehörde sehr viel, alles Mögliche, aber nicht der Zustand der Straße. Der ist völlig egal. Es interessiert die Baulast, Abstandsflächen zum Nachbarn und dergleichen. Das heißt, der Gebrauchswert des Grundstückes ist unabhängig vom Zustand der Straße, weil die Vergabe der Hausnummer ist der Akt für die Bauordnungsbehörde, dass das Grundstück als nutzbar und als erschlossen gilt. Von daher ist die Gebrauchswertdiskussion als dritte Säule für die Begründung einer Beitragspflicht hinfällig. Damit sind mindestens zwei Säulen weg.


(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das ist ja dann eine Ruine.)


Nein, das ist alles schon okay. Es muss nur eine Säule entfallen, um die Beitragsbegründung … Auch aus verfassungsrechtlicher, aus einfach gesetzlicher Regelung, nämlich besonderer wirtschaftlicher Vorteile nach Kommunalabgabengesetz, lässt sich die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und Abwasserbeiträgen nicht mehr begründen, weil auch beim Abwasser habe ich ein Leitungssystem, kann keine Grundstücksbezogenheit mehr herstellen und dergleichen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, jetzt zur Alternative, nämlich der Infrastrukturabgabe. Da sage ich noch einmal, ich hätte den Bürgerinitiativen einen derartigen Kraftakt nicht zugetraut,


(Beifall DIE LINKE)


ein Finanzierungsmodell aufzuzeigen, der folgenden Charme hat: Wenn wir den Gemeinden die Möglichkeit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entziehen, wären wir verpflichtet, den Gemeinden einen Ausgleich aus dem Landeshaushalt zu gewähren. Das können wir nicht, weil die CDU dieses Land ruiniert hat, das ist nachweisbar. 17 Mrd. Schulden, das hat nicht mal die DDR geschafft,


(Unruhe CDU)


die hatte am Ende 10 Mrd., das kleine Thüringen hat jetzt schon 17 Mrd. €. Gut, Sie können sagen, Sie haben ein wenig in Beton investiert. Das ist auch okay. Aber der Fakt bleibt, 17 Mrd. Schulden. Von daher können wir keinen Gesetzentwurf einbringen, der sagt, 60 Mio. € müssen aus dem Landeshaushalt an die Kommunen fliesen in den kommunalen Straßenbau, um die Beitragsausfälle zu kompensieren. Deshalb diese Infrastrukturabgabe, die keine Steuer ist, weil sie zweckgebunden ist für den kommunalen Straßenbau. Herr von der Krone, da haben Sie mal richtig zitiert, Sie haben richtig zitiert, nämlich die Steuern zahlen Sie ohne Rechtsanspruch auf Gegenleistung. Das nimmt die Politik wörtlich. Aber die Infrastrukturabgabe zahlen Sie für den Straßenausbau und damit zweckgebunden und damit ist es eine Abgabe und keine Steuer. Aber auch das können wir im Ausschuss noch mal sicherlich ausführlich bereden und da wird auch das Finanzministerium mit ihren Experten im Steuer- und Abgabenrecht durchaus uns dann hilfreich zur Seite stehen, ob wir mit unseren Argumenten richtig liegen oder ob wir doch nachbessern, nachjustieren müssen. Das kann der Landtag, wir sind Herr des Verfahrens.


Unstrittig ist die Infrastrukturabgabe entbindet das Land erst einmal von der Pflicht, die Einnahmeausfälle bei den Kommunen zu kompensieren. Wir greifen hier die sächsische Regelung auf, indem wir sagen, die Gemeinden sollen selbst entscheiden, ob sie diese Infrastrukturabgabe erheben oder nicht. Das stärkt die Gemeinden, das stärkt die kommunale Selbstverwaltung und es muss vor Ort zwischen den Beteiligten geklärt werden, ob und in welcher Größenordnung Beiträge erhoben werden. Wir machen eine Obergrenze bei 50 Prozent der umlagefähigen Kosten, um auch hier die Leistungsfähigkeit der Abgabenschuldner nicht zu gefährden. Also insgesamt ein durchfinanziertes Modell. Es spart sogar dem Land Geld. Es spart zum Schluss dem Land Geld.


Das will ich Ihnen kurz zum Abschluss aufzeigen: Gegenwärtig finanziert das Land beim kommunalen Straßenausbau - da geht es um die beitragspflichtigen Ausbaumaßnahmen - 20 Mio. € in etwa als Fördermittel. Wir sagen, künftig muss das Land 30 Mio. € geben. Das erscheint zunächst erst einmal 10 Mio. € mehr. Aber im Bereich Abwasser spart das Land künftig mindestens 20 Mio. €. Weshalb? Wir brauchen nicht mehr die Privilegierung der Abwasserbeiträge und damit entfallen dort die Zinsen, die Zinserstattungen an die Aufgabenträger plus die zweiprozentige Tilgungserstattung, das ist auch viel Verwaltungsaufwand, das muss jährlich immer wieder verrechnet werden. Wir sparen uns die Zinsbeihilfen für gestundete Abwasserbeiträge. Bei der Infrastrukturabgabe gibt es zwar auch die Stundungsmöglichkeit, aber das wird nur noch ganz wenige Ausnahmen umfassen, weil 1.000 € im Jahr ist faktisch ein theoretischer Fall und kein praktischer. Wir sparen, wir sparen richtig Geld auch für das Land, weil wir von den 20 Mio. € Einsparungen Abwasser nur 10 Mio. € in den Straßenausbau überleiten. Insofern können alle zufrieden sein. Das Land kann zufrieden sein, die Kommunen können zufrieden sein, weil es war der Wunsch der Kommunen, selbst entscheiden zu dürfen, ob oder ob nicht. Die Kommunen sparen ja auch. Der Bürger wird auch zufrieden sein, das zeigen alle Erfahrungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD und CDU auf, sich dieser Diskussion zu stellen. Der erste Schritt ist gemacht mit der beantragten Ausschussüberweisung. Ich gehe davon aus, dass wir relativ zügig mit den Experten in den Dialog kommen. Da gibt es ja das Instrument der Anhörung. Ich plädiere da für eine öffentliche Anhörung, weil im Dialog lassen sich Dinge eher klären als im schriftlichen Verfahren.


(Beifall DIE LINKE)


Selbst Herr Fiedler hat bei einer öffentlichen Veranstaltung formuliert, dass das System der Straßenausbaubeiträge durchaus Elemente der Ungerechtigkeit beinhaltet. Das ist ein Ansatz. Jede Veränderung beginnt damit, dass ich erst mal den Ist-Zustand real bewerte. Herr Fiedler, Sie sind da sehr nahe an der Realität, das hat gedauert.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hör jetzt auf.)


Von daher haben Sie die besten Voraussetzungen, den nächsten Schritt zu tun. Neben der Einschätzung der jetzigen Situation können Sie mit den Bürgerinitiativen, mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit uns gemeinsam in den Disput treten. Sie haben eine gute Personalwahl getroffen, was den Innenminister betrifft. Über die anderen Minister will ich jetzt nicht reden. Aber der Innenminister ist zumindest ein Diskussionspartner, der ernst zu nehmen ist, der herausfordernd ist. Das ist natürlich bei Herrn von der Krone schon ein wenig schwieriger, denn er hat sich einmal festgelegt und ist eben verhaftet im 19. Jahrhundert, was sein Denken betrifft. Aber ich gehe einmal davon aus, Ihr Innenminister stellt sich durchaus den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in seinem Denken. Da macht es Spaß und ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. Danke.

Dateien