Thüringer Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbau- und Abwasserbeiträge

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE - Drucksache 5/1413 - Erste Beratung


Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Bergner hat angemahnt, dass wir mit den Betroffenen ehrlich umgehen sollen. Ich darf zitieren, was die FDP vor der Landtagswahl erklärt hat, sie wird sich, wenn sie den Sprung in den Landtag schafft, für die Abschaffung der Beiträge einsetzen.


(Beifall DIE LINKE)


Wer ist jetzt irgendwie ehrlich oder nicht? Ich betone es noch einmal, die Infrastrukturabgabe ist das Ergebnis einer sehr schmerzhaften Kompromissfindung. Mich hätten Sie sofort auf der Seite, wenn Sie die Initiative ergreifen, die Ausbaubeiträge komplett abzuschaffen.


(Beifall DIE LINKE)


Das hat auch verfassungsrechtliche Risiken. Seltsam finde ich, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1981 heranzuziehen, da gab es noch gar keine Rechtssetzung zu diesem Gebiet in Thüringen. Es ist schwierig, dass ein Gericht im vorauseilenden Gehorsam 1981 schon wusste, was der Thüringer Landtag - ich bin überzeugt, es war - am 10. August 1991 beschließt. Da ist das Kommunalabgabengesetz beschlossen worden - übrigens mit den Stimmen der FDP. Das heißt, das Ursprungsgesetz, das uns all diese Probleme verursacht hat, hatte die FDP mit zu vertreten. Auch das ist Geschichte. Sie hatten einen ehrlichen Umgang miteinander angemahnt, da bin ich immer auf Ihrer Seite und wir können sicherlich in Teilen voneinander lernen. Ich bin auch immer für Hinweise dankbar, wenn Sie das Gefühl haben, dass wir den Pfad der Tugend verlassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Beitragserhebung haben Sie noch mal in das Verhältnis gesetzt mit dem Investitionsstau, der 1990 bestand. Die Frage stellt sich gar nicht, weil wir die Frage beantworten müssen, warum ein Teil der Aufgabenträger, nämlich 47, diesen Investitionsstau ohne Beitragserhebung realisieren kann, ohne dass die Gebühren explodieren, während die anderen astronomische Beiträge erheben. Das ist doch nur die Frage. Oder wollen Sie sagen, dass die 47 Aufgabenträger, die keine Beiträge erheben, möglicherweise die gesetzlichen Vorgaben, z.B. die Umweltstandards, nicht einhalten, indem sie nicht ausreichend investieren? Die Frage stellt sich nicht. Ein Teil der Aufgabenträger hat den Beleg erbracht, ohne Beiträge den unstrittig vorhandenen Investitionsstau zu realisieren - übrigens auch Gemeinden. Es gibt eine Vielzahl von Gemeinden, die haben bisher überhaupt keine Beiträge erhoben und haben trotzdem kommunalen Straßenausbau realisiert.


Sie haben angemahnt, Sie wollen etwas zu den Kosten wissen. Vor dieser Antwort will ich mich nicht drücken. Sie haben noch einmal die These aufgestellt, dass der Anschluss an eine zentrale Kläranlage kostengünstiger wäre als eine dezentrale Lösung. Da lasse ich jetzt einfach mal Zahlen sprechen. Der durchschnittliche Investitionsaufwand pro Einwohner für eine zentrale Kläranlage einschließlich der Leitungssysteme beträgt in Thüringen 3.500 €, das ist der Durchschnitt. Die durchschnittliche Investitionsaufwendung für dezentrale Kläranlagen, Hauskläranlagen - da rede ich nicht über die alternativen Kläranlagen, wie Klärteiche und so -, die sind noch preiswerter, dort ist der durchschnittliche Investitionsaufwand 1.500 € pro Einwohner. 1.500 € zu 3.500 € - das beantwortet die Frage, was ist preiswerter oder nicht, weil das Teure bei den zentralen Netzen, bei den zentralen Anlagen sind die Leitungsnetze, die verursachen 85 Prozent der Kosten und sie funktionieren nicht mehr, das ist ja das Problem. Sehen Sie sich Leitungsnetze im Bereich des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Ilmenau an. Die sind 1993 errichtet worden. Aufgrund der zu geringen Fließgeschwindigkeit kommt es dort zu Absatzbewegungen und zu chemischen Reaktionen, insbesondere Schwefelverbindungen, die die Rohre zerfressen. Dadurch haben die einen derartigen Fremdwassereintritt, dass an der Kläranlage überhaupt nichts mehr ankommt, was zu klären ist, weil das wie eine Melioration funktioniert. Dadurch funktioniert die Kläranlage nicht. Dort haben sie aber zwei Kläranlagen neben der A 71 gebaut, eine in Geraberg, eine in Geschwenda, weil dort mal eine Raststätte hinkommen soll. Weil die Kläranlagen nicht funktionieren, was macht der Zweckverband in seiner Not? Er fährt Klärschlamm aus Ilmenau aus der Kläranlage nach Geraberg und Geschwenda leitet sie dort ein, damit die Biologie nicht kaputtgeht. Das sind alles Kosten, die der Gebührenzahler zu tragen hat. Das meine ich, und da sind dezentrale Anlagen immer flexibler, weil sie genau auf die Inanspruchnahme abzielen. Das noch mal zu den Kosten.


Sie haben nicht erkannt die Orientierung an der sächsischen Regelung. Der Ansatz, den wir an einer sächsischen Regelung übernehmen, ist die Freiwilligkeit, dass Kommunen selbst entscheiden können. Sie haben ein Problem erkannt, was die Orientierung an der Grundsteuer betrifft. Das sind nur die Erhebungsdaten, die wir von der Grundsteuer nehmen, das heißt die bauliche Belastung des Grundstücks und dergleichen. Da ist erst mal völlig unerheblich, welche Ergebnisse die jetzt laufende Diskussion zur Grundsteuerreform auf Bundesebene haben wird.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann wird noch mal gefragt, wie viel kostet denn die Infrastrukturabgabe? Herr Bergner, ich will es Ihnen kurz vorrechnen. Wir gehen davon aus, die Gemeinden investieren weiterhin 60 Mio. € in beitragspflichtige Verkehrsanlagen, davon übernimmt das Land 30 Mio. €, das haben wir gesagt, bleiben 30 Mio. € übrig. 50 Prozent können sie umlegen freiwillig als Infrastrukturabgabe, das sind 15 Mio. €. Die Einnahmen aus der Grundsteuer in Thüringen - Grundsteuer B - beträgt 168 Mio. €, dazu kämen jetzt also noch mal die 15 Mio. €, damit kann sich jeder ausrechnen, dass die Infrastrukturabgabe maximal 10 Prozent der jetzigen Grundsteuerbelastung ausmacht. Die durchschnittliche Grundsteuerbelastung pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr beträgt 1,20 € in Thüringen, das ist differenziert durch den Hebesatz, durchschnittlich 1,20 €. Das heißt, die Zusatzbelastung, die maximal entstehen kann, sind 12 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr, das heißt, 1 Cent pro Monat. Darüber kann man diskutieren, weil wir auch wissen, durch die Umlagefähigkeit auf die Miete belastet das die Betriebs- und Nebenkosten mit 1 Cent. Ich bin überzeugt, da sind andere Kostenarten, wie insbesondere Heizung, viel kritischer für die Mieter.


Vizepräsident Gentzel:


Herr Abgeordneter, wenn Sie bitte zum Ende kommen, Ihre Redezeit geht zu Ende.


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Abschließend: Ich bin also Mitglied in einem Aufsichtsrat einer Wohnungsgesellschaft. Wir sind größter Vermieter. Wir müssen die Beiträge aus den Mieteinkommen bezahlen, damit werden die Mieter doppelt gestraft. Sie müssen die Beiträge bezahlen und wir können nicht ausreichend in die Wohnungsbestände investieren und damit können wir die Betriebskosten nicht senken und damit bezahlen bei uns die Mieter die Beiträge und höhere Betriebskosten. Das finden wir ungerecht.

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