Thüringer Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge

Zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/29 - Erste Beratung

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thüringer Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge - Thüringer Vergabegesetz - gehört auch zu den Gesetzentwürfen, die wir hier bereits in der zurückliegenden Wahlperiode erörtert hatten. Nun will ich aber deutlich darauf abheben, dass wir uns in der neuen Wahlperiode in einer veränderten Konstellation mit einer neuen Regierungskoalition und Regierung befinden. Deshalb bin ich auch optimistisch, dass wir anders mit der Angelegenheit umgehen können, als das in den zurückliegenden fünf Jahren der Fall war.

(Beifall DIE LINKE)

Die Koalition hat in ihrem Papier den Anspruch aufgemacht, ein Vergaberecht zu überarbeiten und zumindest ein europakonformes Gesetz auf den Weg zu bringen. Ich will sagen, meine Damen und Herren, in der zurückliegenden Zeit, als unsere entsprechende Initiative abschlägig beschieden wurde, ist immer wieder darauf verwiesen worden, dass wir entsprechende Richtlinien, Mittelstandsförderrichtlinie und andere Dinge hier haben. Diese wurde übrigens auch mehrfach in der zurückliegenden Legislaturperiode novelliert. Ich glaube aber dennoch, dass die Tatsachen zeigen, dass wir wirklich ein Vergabegesetz für Thüringen brauchen. Ich möchte Sie einladen, gemeinsam mit uns über die entsprechenden Eckpunkte zu debattieren.

Wir haben sicherlich auch hier erneut aufgenommen unsere Verbindung mit einem Mindestlohn von 8 € bei der Vergabe öffentlicher Aufgaben. Ich habe sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass der Herr Wirtschaftsminister Machnig deutlich gemacht hat in verschiedenen Interviews, dass wir auch im wirtschaftlichen Sinne, aber natürlich auch im gesamtsozialen Sinne in diesem Land anpacken müssen, die Lohnsituation insgesamt zu verbessern. Wir sind der Auffassung, ein Vergabegesetz für Thüringen ist dazu eine, aber eine sehr wesentliche Facette, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will nicht auf die Hinderungsgründe aus vergangenen Zeiten eingehen, das auch nicht aus Zeitgründen, aber vor allen Dingen nicht deshalb, weil wir nach vorn blicken müssen.

Meine Damen und Herren, der von der Fraktion DIE LINKE vorgelegte Gesetzentwurf enthält verbindliche Regelungen in den Bereichen Tariftreue, Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau, umweltverträgliche Beschaffung sowie Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Verstößen gegen dieses Gesetz. Ich glaube, an diesen Punkten wird auch deutlich, dass es um mehr geht als nur um die engere Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge. Es geht um ein politisches Konzept, das sowohl soziale Gesichtspunkte, vor allem aber auch wirtschaftliche und Umweltgesichtspunkte im politischen Handeln des Landes zusammenbinden kann. Ich glaube, wenn alle - und das ist unbestritten - von Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit in politischen Entscheidungen und der Wichtigkeit eines solchen Herangehens sprechen, dann ist auch dieses Herangehen in unserem Entwurf hier wiederzufinden und ist wichtig für die Gestaltung unseres Landes aus unserer Sicht in den nächsten Jahren.

Kernstück des Gesetzentwurfs sind allerdings auch die Forderungen nach EUrechtskonformen Tariftreueregelungen sowie die Regelung, dass Unternehmen den Mindestlohn von 8 € einhalten müssen bei öffentlichen Vergaben. Ich möchte hier noch mal daran erinnern: Im Jahr 2008 hatte der Europäische Gerichtshof das sogenannte Rüffert- Urteil ausgesprochen und damit die deutschlandweit bestehenden Vergabegesetze im Grunde genommen gekippt. Dort war die Einhaltung der ortsüblichen Tarife verankert. Das daraufhin im April 2009 verabschiedete Bundesgesetz zur Modernisierung des Vergaberechts beinhaltet eine Umsetzung der Kann-Regelungen zu sozialen und umweltbezogenen Kriterien aus dem EU-Recht in deutsches Recht. Die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere in der Neufassung des Absatzes 4 des § 97 erlaubt, dass für die Auftragsausführungen zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden können, insbesondere soziale umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffend, wenn sie im sächlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen. Insofern sind wir natürlich auch herausgefordert, auf diese gesetzlichen Veränderungen entsprechend einzugehen und in unser Landesrecht zu übertragen.

Demgemäß enthält auch, meine Damen und Herren, der § 3 unseres Gesetzentwurfs nun konkrete Regeln, nach denen Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden dürfen, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen ein Entgelt zu zahlen, das in Höhe und Modalitäten mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrags entspricht, an das das Unternehmen aufgrund des Auftragnehmerentsendegesetzes gebunden ist. Damit ist unser Gesetzentwurf voll vereinbar mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und insbesondere mit dem schon genannten Rüffert-Urteil. Zudem wird die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnorm und an das Ausbildungsplatzangebot gekoppelt. Das Gesetz wirkt deshalb eben gerade Wettbewerbsverzerrungen entgegen, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und mildert Belastungen daraus resultierender sozialer Sicherungssysteme. Insofern reflektiert dieser Gesetzentwurf auch öffentliche Debatten im Land. Wir haben in Thüringen zum Beispiel ein Mindestlohnbündnis, das wiederholt seine Positionen deutlich gemacht hat, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht betone ich hier noch einmal, dass das auch im Interesse von Unternehmen ist, nicht nur auf der einen Seite, was Gesamtanspruch ist, Lohnarmut zu unterbinden, sondern auch über Lohndumping, Wettbewerbsvorteile praktisch auch bei der Entgegennahme öffentlicher Aufträge erreichen zu können, meine Damen und Herren.

Ich will noch einmal an einem Beispiel sagen, wir haben ja auch abgehoben auf die Berücksichtigung des Kriteriums Ausbildung. Wenn ich gerade die ja immer wieder richtigerweise im Mittelpunkt stehenden mittelständischen Unternehmen oder auch das Handwerk in Thüringen nehme, so sind das alles Unternehmen, die in der Regel vorbildlich ausbilden, die ihre Verpflichtungen auf diesem Gebiet erfüllen und es geht uns eben gerade darum, auch mit einem solchen Vergabegesetz diese Unternehmen in ihrem wirtschaftlichen Handeln zu stärken und zu unterstützen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hatte eingangs gesagt, dass ich davon ausgehe, dass wir genügend Gelegenheit haben können, diese Frage in der weiteren Ausschussarbeit erörtern zu können. Demzufolge stelle ich auch den Antrag, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit federführend und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen.

Ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass Frau Lieberknecht gestern in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht hat, es muss möglich sein, Politik und Wirtschaft neu zu denken. Ich kann das nur unterstützen. Ja, Politik und Wirtschaft müssen neu gedacht werden. Ich möchte auch noch einmal an den Kollegen Matschie erinnern, der in den politischen öffentlichen Debatten der zurückliegenden Zeit sich sehr deutlich geäußert hat zu den Fragen eines Mindestlohnes, auch im Zusammenhang mit der öffentlichen Vergabe. Ich glaube also, wir haben insgesamt vom politischen Anspruch an diese Angelegenheit eine gute Möglichkeit zu zeigen, dass wir diese Ansprüche gemeinsam auch in entsprechende gesetzeskonforme Regelungen im Vergabebereich für Thüringen bringen können und ich möchte Sie deshalb zu dieser Debatte gern einladen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

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