Thüringer Gesetz über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Thüringer Juristenausbildungsgesetz – ThürJAG –)

Dr. Iris Martin-Gehl

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/4753

 

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Die Thüringer Justiz braucht gut ausgebildeten Nachwuchs, der die Lücken schließt, die demnächst durch eine Welle von Pensionierungen entstehen. Deshalb sollen künftige Juristinnen und Juristen motiviert werden, schon ihre Ausbildung in Thüringen zu absolvieren, um im Idealfall dann auch in Thüringen in der Thüringer Justiz zu bleiben. Diese Erkenntnis war ein Schwerpunkt der Stellungnahmen der im Ausschuss zum Entwurf des Juristenausbildungsgesetzes Angehörten, die sich vor diesem Hintergrund durchweg für die Wiedereinführung der Verbeamtung von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren ausgesprochen haben. Thüringen war bekanntlich das letzte Bundesland, das 2016 die bis dahin bestehende Regelung zur Verbeamtung im Rechtsreferendariat abgeschafft hat. Inzwischen haben einige Bundesländer – so Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Hessen – eine Kehrtwende vollzogen und die Verbeamtung wieder eingeführt, um die Ausbildungsstandorte attraktiver zu machen und qualifizierten Nachwuchs anzulocken, wie es in den offiziellen Begründungen heißt. Da sich auch Thüringen dieser Entwicklung nicht verschließen kann, ist die Wiedereinführung der Verbeamtung von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren quasi unumgänglich und soll daher durch den vorliegenden Änderungsantrag wieder in das Thüringer Juristenausbildungsgesetz aufgenommen werden. Anlehnend an die Verfahrensweise in Sachsen soll es künftig auch in Thüringen für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare ein Wahlrecht geben, ob sie das Referendariat im Beamtenstatus auf Widerruf oder in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis absolvieren wollen. Ungeachtet dessen ist eine finanzielle Gleichstellung aller Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare vorgesehen, unabhängig davon, in welchem Status sie in der Ausbildung stehen. Damit wird eine Benachteiligung derjenigen vermieden, die nach ihren Voraussetzungen dieses Wahlrecht nicht ausüben können, also das Referendariat von vornherein nur im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis durchlaufen können.

 

Neben der Verbeamtung wird auch die in dem Änderungsantrag vorgesehene Verbesserung von Gebührenregelungen als Standortvorteil für Thüringen angesehen. Insoweit sieht der Änderungsantrag auch finanzielle Entlastungen vor. Wer am Ende des Referendariats die bestandene Abschlussprüfung zur Notenverbesserung wiederholen möchte, musste dafür bisher 500 Euro Gebühren zahlen. Diese Gebühr wird nunmehr auf 200 Euro abgesenkt und liegt damit weit unter den in anderen Bundesländern zu zahlenden Beträgen, die zwischen 500 und 800 Euro liegen. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich Bayern, wo völlige Gebührenfreiheit besteht, das möchte ich zumindest an dieser Stelle einmal erwähnen.

 

Was die Gebühren für das Verfahren des Widerspruchs gegen die Bewertung von Prüfungsleistungen anbelangt, sieht der Änderungsantrag nunmehr auch eine moderate Lösung vor. Insoweit werden künftig einheitlich 40 Euro für erfolglose Widersprüche erhoben. Dass ursprünglich hier 2.250 Euro als oberste Gebührengrenze bestimmt waren, ist zu Recht als abschreckend kritisiert worden.

 

Ob sich die geschilderten Maßnahmen tatsächlich als Standortvorteile realisieren werden, das wird sich aber erst erweisen müssen. Sicher wird es Bewerberinnen und Bewerber um ein Referendariat geben, die allein wegen des Beamtenstatus nach Thüringen kommen und die sonst einen anderen Ausbildungsplatz gewählt hätten. Aber ob dies eine größere Zahl „kluger Köpfe“ betrifft, muss dahingestellt bleiben. Ich habe gewisse Zweifel, weil der Beamtenstatus nicht das Entscheidende, nicht das alleinige Kriterium für die Attraktivität des Referendariats sein dürfte.

 

Wie komme ich darauf? Bewerberinnen und Bewerber nehmen nämlich zuweilen erhebliche Wartezeiten für Referendarplätze ohne Beamtenstatus in Kauf, etwa in Hamburg, obwohl sie zum Beispiel in Thüringen sofort und sogar mit höherer Bezahlung die Ausbildung beginnen könnten. Auch die Höhe der Ausbildungsvergütung ist damit offenbar nur bedingt als Standortvorteil geeignet, denn, machen wir uns nichts vor, wer des Geldes wegen sich für einen Ausbildungsstandort entscheidet, wird nach allgemeiner Lebenserfahrung nach beendeter Ausbildung diesen Standort dann auch wieder verlassen und dort seine berufliche Karriere weiterverfolgen, wo es eben dann auch mehr Geld gibt.

Warum sage ich das? Ich sage das, weil die Gewinnung gut ausgebildeter Juristinnen und Juristen für die Thüringer Justiz eben weitaus mehr erfordert, als eine attraktive Referendarausbildung. Die Frage nach dem „Was kommt danach?“ ist ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, denn damit verbinden sich berufliche Lebensentscheidungen. Ich sage das auch deshalb, weil Thüringen insoweit noch einiges zu tun hat, um zu verhindern, dass die mühevoll gewonnenen Referendarinnen und Referendare dann als Volljuristinnen und Volljuristen in die freie Wirtschaft, in renommierte Großkanzleien oder in die Justiz anderer Bundesländer abwandern. Als Stichwort möchte ich dazu die nur langsam vorangehende Digitalisierung nennen, die entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in der Justiz hat, die ein wichtiges Kriterien für Bleibeentscheidungen für unseren juristischen Nachwuchs sein dürften.

 

Ein heißes Eisen ist insoweit auch die Besoldung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Ist diese in Thüringen „angemessen, attraktiv und wettbewerbsfähig“ im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht hierfür aufgestellten Grundsätze? Man wird sich diese Frage immer wieder stellen müssen. Denn: Mit einer etwa verfassungsrechtlich gerade noch zulässigen Mindestbesoldung lässt sich schwerlich erfolgreich um qualifizierten Nachwuchs werben.

 

Kurzum: Die Wiedereinführung der Verbeamtung im Rechtsreferendariat und die Absenkung von Gebühren sind ein wichtiger Schritt zur Gewinnung qualifizierten Nachwuchses für die Thüringer Justiz. Aber diesem Schritt müssen unbedingt weitere folgen.

 

Einen weiteren Regelungskomplex des Änderungsantrags möchte ich noch ansprechen: die Gründe, die zu einer Versagung der Zulassung zum Referendariat führen, und korrespondierend damit zu einer Entlassung aus dem Referendariat. Während in dem Gesetzentwurf nur die zwingenden Versagungsgründe genannt sind, werden mit dem Änderungsantrag im Sinne der Rechtsklarheit und zur Wahrung des Bestimmtheitsgebots nun sämtliche Versagungsgründe, gestaffelt nach zwingenden Gründen und nach Gründen mit eingeschränkten und solchen mit weitem Ermessensspielraum, in das Gesetz aufgenommen. Einer der erwähnten zwingenden Gründe ist besonders hervorzuheben, ein Grund, der mir besonders wichtig ist. Er lautet wörtlich – ich zitiere –: „Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst ist Bewerberinnen und Bewerbern zu versagen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes tätig sind.“

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Mit dieser Regelung werden schon in der Juristenausbildung wichtige Weichen gestellt, die verhindern, dass Verfassungsfeinde zu Volljuristinnen und Volljuristen ausgebildet werden und dann in hervorgehobenen Positionen unseren Rechtsstaat repräsentieren.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Übrigens haben nicht nur Thüringer Verwaltungsgerichte, sondern auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof diese Regelung, die sich bisher schon nahezu wortgleich in der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung fand, bereits angewandt, nämlich im Kontext des übergeordneten Verfassungsrechts. Im Falle eines für das Referendariat in Thüringen abgelehnten Bewerbers wegen seines Engagements für die Partei „Der III. Weg“ und frühere Tätigkeiten in anderen rechtsextremistischen Organisationen führt das Gericht in der Begründung seines Beschlusses vom 24.02.2021 aus, dass es sich verbietet – ich zitiere –: „… Bewerber, die darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, in die praktische Ausbildung zu übernehmen. Die in dem Konstitutionsprinzip der Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen schließen es aus, dass der Staat seine Hand dazu leiht, diejenigen auszubilden, die auf die Zerstörung der Verfassungsordnung ausgehen.“ Dem ist, so meine ich, nichts hinzuzufügen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Alles in allem möchte ich ausdrücklich um Zustimmung werben für die Annahme des Gesetzentwurfs in der vorliegenden Fassung der Beschlussempfehlung. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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