Thüringer Gesetz über die Feststellung des Landeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1541 -


Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bergner, zu Ihrer Bemerkung bezüglich unseres Antrags zu den Zinsbeihilfen - Sie wissen selbst als Mitglied im Innenausschuss, dass derzeit Gesetzentwürfe zur Beratung vorliegen. Wenn sich, wovon wir ausgehen, der vernünftigere Gesetzentwurf zu den Kommunalabgaben durchsetzt, dann sind Zinsbeihilfen nicht mehr nötig.


(Beifall DIE LINKE)


Meine Damen und Herren, am 19. November haben sich die Innenminister in Hamburg dafür ausgesprochen, dass ausreichende Mittel für die Sprachförderung und die Vermittlung von Kenntnissen über die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte Deutschlands durch Sprach- und Integrationskurse zur Verfügung stehen. Auch die Thüringer Koalition hat in ihrer Vereinbarung einen Satz zur Integration verloren, den ich erneut zum wiederholten Male zitieren möchte. „Die Landesregierung sorgt für eine gelingende Integration aller, die dauerhaft hier leben wollen.“ Ich kann Ihnen eine Reihe von Menschen nennen, die hier dauerhaft leben wollen, denen Sie, meine Damen und Herren der Koalition, die Integration aber schlichtweg verweigern. Diese Sätze, die der Thüringer Koalition ebenso wie die der Innenministerkonferenz bleiben solange eine leere Hülle, solange Sie sich nicht dazu entschließen können, diese im Landeshaushalt widerzuspiegeln. Ein seit Jahren unveränderter Fördertopf für Integrationsmaßnahmen auf der einen Seite und auf der anderen Seite haben wir in Thüringen chronisch unterfinanzierte Projekte, die versuchen, für eine gelingende Integration zu sorgen.

Der Integrationsbeirat - so begrüßenswert seine Bildung, nicht aber seine Zusammensetzung, Herr Innenminister, ist - wird auch letztlich daran scheitern, dass notwendige und vorgeschlagene Maßnahmen aufgrund nicht eingestellter Haushaltsmittel keine Umsetzung erfahren werden. Integration ist keine Einbahnstraße, meine Damen und Herren, Integration erfordert sowohl von Migrantinnen und Migranten als auch von der aufnehmenden Gesellschaft einen verantwortungsvollen Beitrag. Mit den eingestellten 500.000 € zur Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund nimmt Thüringen seine Verantwortung jedenfalls nicht in ausreichendem Maße wahr. Deswegen auch noch einige Bemerkungen zur Flüchtlingspolitik von mir jetzt hier und zu den in diesem Themenbereich durch unsere Fraktion eingebrachten Änderungsanträgen.

Die Haushaltsansätze für Leistungen an Flüchtlinge und für die Unterbringung von Flüchtlingen wurden im Entwurf deutlich reduziert. Dahinter steht eine Anpassung an die Istausgaben der vergangenen Jahre, aber diese deutlich geringeren Ausgaben haben ihre Ursache in der verfassungswidrigen Leistungshöhe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und in der zum großen Teil menschenunwürdigen Unterbringung in den von Flüchtlingsorganisationen zu recht als Lager bezeichneten Unterkünfte. 177 € monatlich für die Unterbringung als Pauschale an die Landkreise und Kommunen, kreisfreien Städte gezahlt, können nicht ausreichen, damit Flüchtlinge menschenwürdig wohnen können. Den Gemeinschaftsunterkünften sieht man diese Unterfinanzierung in der Regel auch deutlich an. Man bemerkt sie auch, wenn man zum Beispiel hört, dass Flüchtlinge in Zella-Mehlis darüber klagen, dass die Heizung nicht richtig funktioniert oder wenn man einfach nur mal ins Eichsfeld fährt und sich die Unterkunft in Breitenworbis anguckt.


Ebenso die medizinische Versorgung, meine Damen und Herren. Aus der Pauschale von 272 € monatlich pro Flüchtling müssen nicht nur die Sozialleistungen selbst bezahlt werden, sondern auch die im Einzelfall aufzubringenden Kosten für die medizinische Behandlung für die Flüchtlinge, die ja nicht krankenversichert sind. Erst wenn die Kosten insgesamt pro Jahr 2.556 € pro Flüchtling aufgebraucht sind bzw. überschritten werden, zahlt das Land an die Kommunen die notwendigen zusätzlichen Kosten. Diese offenkundige Unterfinanzierung der Behandlungskosten führt in der Folge dann dazu, dass Sozialämter der Landkreise notwendige medizinische Behandlungen eben nicht bewilligen, Überweisungen zu Ärzten nur nach fiskalischen Überlegungen entscheiden und das Flüchtlingen in vielen Fällen die notwendige Behandlung verweigert wird. Eine Praxis, die nicht nur menschenunwürdig ist, sondern unseres Erachtens auch gegen das Grundgesetz und sogar in diesem Punkt gegen das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt.


(Beifall DIE LINKE)


Zur dringend notwendigen Änderung der Thüringer Verordnung über die Kostenerstattung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz liegt Ihnen von unserer Fraktion ebenfalls ein Entschließungsantrag vor, zu dem ich Sie sehr eindringlich und herzlich um Zustimmung bitte. Ebenso liegt Ihnen ein Antrag zur Schaffung von vier Beratungsstellen für Flüchtlingen in Thüringen vor. Es ist eben nicht so, Herr Innenminister, wie Sie gestern bei der Beantwortung zur Mündlichen Anfrage von Herrn Bergner gesagt haben, dass, wenn der Verordnungsentwurf zur Residenzpflicht umgesetzt oder in Kraft träte, dann die Flüchtlinge ohne gesonderte Antragstellung gut Beratungsstellen aufsuchen können. Es ist eben nicht so, dass es in Thüringen eine ausreichende Anzahl von Beratungsstellen gibt, und schon gar kein flächendeckendes Beratungsnetzwerk, wie wir es aber für dringend nötig erachten.


Wie schon von Frau Rothe-Beinlich und vorher von Herrn Adams erwähnt, liegt Ihnen, genau wie im letzten Jahr, ein gemeinsamer Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN vor. Unsere Fraktion konnte sich bei einem Besuch in der Landesaufnahmestelle auch davon überzeugen, dass auch aus Sicht des Landesverwaltungsamts die Arbeit des psychosozialen Zentrums REFUGIO in Thüringen unverzichtbarer Bestandteil der Flüchtlingssozialarbeit ist und auch der therapeutischen Behandlung zahlreicher Flüchtlinge. REFUGIO Thüringen übernimmt damit eine Aufgabe, wie sie eigentlich von den Landkreisen und kreisfreien Städten sicherzustellen wäre und zu der die Bundesrepublik verpflichtet ist, nämlich mittels einer EG-Richtlinie, der sogenannten Aufnahmerichtlinie, aus dem Jahr 2003. Wie Studien belegen, sind bis zu 50 Prozent der in der Bundesrepublik lebenden Asylsuchenden traumatisiert, leiden unter einer sogenannten postraumatischen Belastungsstörung oder sind auf andere Art psychisch stark belastet. Wir sehen die Landesregierung in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass Flüchtlinge mit solchen und anderen Erkrankungen nicht unbehandelt bleiben. Wir wollen, dass dies auch dadurch sichergestellt wird, dass diese verpflichtend vorgeschriebene psychosoziale Behandlung auch dauerhaft durch REFUGIO gewährleistet werden kann. Welches Finanzierungs- oder Förderkonstrukt Sie letztlich wählen, dafür wollen wir keine Vorgaben machen. Wichtig ist uns nur, dass das Sozialministerium und das Innenministerium dieser Verpflichtung nachkommen und ein verlässliches Angebot geschaffen wird. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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