Thüringer Gesetz über die Errichtung eines Beteiligtentransparenzregisters beim Landtag - Thüringer Beteiligtentransparenzregistergesetz - (ThürBeteiltransG)

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4807


Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Scherer, es hätte mich verwundert, wenn Sie etwas anderes hier vorn gesagt hätten, denn genau das habe ich erwartet. Aus diesem Grunde will ich auch überhaupt nicht darauf reagieren, weil ich glaube, es jedem zumindest in diesen Reihen klar ist und, ich denke, auch der Öffentlichkeit zum großen Teil, warum Sie das einfach so sagen. In den letzten 27 Jahren auch hier in Thüringen hat es die CDU durchaus immer wieder geschafft, bestimmten Lobbygruppen auch Lobbyinteressen in diesem Landtag durchzusetzen, und das eben nicht der Öffentlichkeit auch mitzuteilen, sondern hinter verschlossen Türen, meine sehr geehrten Damen und Herren.


(Beifall DIE LINKE, SPD)


(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)


Genau das wollen Sie, dass das auch weiter so möglich ist. Wir wollen das nicht. Wir wollen die Möglichkeit haben, dass jeder Bürger und jede Bürgerin auch ganz deutlich sieht, wer sich an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Es geht überhaupt nicht darum, irgendjemanden auszuschließen oder einem Verdacht zu unterstellen, sondern wir wollen schlicht und ergreifend wissen, wer sich zum Beispiel an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligt hat – nicht mehr und nicht weniger.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Politisch interessierte Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollen in Zukunft ziemlich genau nachvollziehen können, wer mit welchen Inhalten, wie gesagt, auf diese Initiativen Einfluss genommen hat. Es ist auch nicht neu, denn dieser sogenannte legislative Fußabdruck, den es zu benennen gilt, gibt es nicht nur in anderen Bundesländern, sondern den gibt es auch in der Europäischen Union und – ich sage es auch weiter – auch in den USA ist es eine Normalität, um das ganz einfach hier auch einmal zu sagen. Auf EU-Ebene oder auch der Bundestagsgesetzgebung ist es durchaus verbreitet, dass Dritte, Lobbyorganisationen – was völlig normal ist – unterwegs sind und im Erarbeitungsprozess entscheidend Einfluss auf Gesetze nehmen. Ich verstehe nicht, warum es dann nicht möglich sein soll, wenn das sowieso logisch ist, weil auch das gebraucht wird. Es ist nicht so, dass wir das nicht wollen. Es soll auch deutlich werden, wer es ist und wer sich in diese Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.


Ich will das mit einem kleinen Thüringer Beispiel untermauern: Daran, dass die SuedLink-Leitung über den Thüringer Wald gleich auf EU-Ebene in die Liste der notwendigen Energietrassen aufgenommen wurde, soll Lobbyarbeit von Verbänden und Konzernen einen nicht unerheblichen Anteil gehabt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Nun ist das gerade geschilderte Problem auf der Thüringer Ebene sicherlich nicht ganz so spektakulär – das will ich sicherlich zugeben –, auch bezogen auf Thüringen ist es aber von Interesse, dass öffentlich transparent nachvollziehbar wird, welche Organisationen und Einzelpersonen mit welchen Vorschlägen und Argumenten auf die Inhalte von Gesetzentwürfen, Berichten und parlamentarischen Vorhaben Einfluss nehmen.

Ich will es noch einmal sagen, um wirklich nicht falsch verstanden zu werden: Es geht nicht darum, jeglichen Einfluss von Dritten von außerparlamentarischer Seite schlechtzureden oder gar zu verbieten – nein, genau anders herum. Ein solcher Informations- und Sachaustausch zwischen Parlament und außerparlamentarischem Bereich ist aus unserer Sicht sinnvoll, ratsam und immer wieder auch notwendig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Warum denn nicht auch nachvollziehbar für Menschen, die auch von außen wissen wollen, wer sich daran beteiligt hat? Aber zur Demokratie gehört aus unserer Sicht auch, dass der Landtag gegenüber der Bevölkerung in Thüringen für jeden nachvollziehbar offenlegt, warum welche Formulierungen in das Gesetz hineingekommen sind und auch, welche Urheber natürlich dahinter stehen. Damit wird es auch besser möglich, Gesetze und parlamentarische Initiativen auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Gesetze haben sich in einer Demokratie am Gemeinwohl zu orientieren. Sie dürfen aber keine verdeckten, also für Außenstehende nicht erkennbaren Instrumente zur Durchsetzung von Interessen von Lobbyisten oder Lobbygruppen sein, die demokratisch nicht kontrolliert sind. Ein solches Lobby- oder Transparenzregister beim Landtag, in das sich alle Beteiligten an einem Gesetzentwurf oder anderen Vorhaben des Parlaments von Amts wegen eintragen lassen müssen, ist aus unserer Sicht daher sinnvoll und folgerichtig.


Die in § 5 des Gesetzes geforderten Angaben, zum Beispiel die Offenlegung, für welche Organisationen Leute tätig sind oder ob sie für Sachaufträge finanzielle Gegenleistungen bekommen haben, machen deutlich, dass das Register gerade auch verdeckten wirtschaftlich orientierten Lobbyismus offenlegen und damit auch präventiv verhindern soll, denn die problematischen, verdeckten Formen des Lobbyismus scheuen solche Parlamentstransparenz, wie wir sie hier einführen wollen. In diesem Sinne ist dieses Register mehr als eine Landtagstransparenz, viel mehr als eine reine Informationsdatenbank, wie sie existiert. Obwohl das Transparenzregister das auch ist, eine Datenbank, mit der jeder Mensch die Entstehung von Gesetzen inhaltlich und zeitlich nachverfolgen kann, glauben wir, dass die Offenlegung derjenigen, die am Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind, eine noch bessere Öffentlichkeit erfahren soll und damit die Transparenz erhöht. Schon die damaligen Regelungen greifen Forderungen von lobbykritischen Organisationen und Verbänden auf, die solche Register dringend fordern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion Die Linke hat sich diesem Begriff des Lobbyismus/eines Lobbyregisters nicht erst in dieser Legislaturperiode angenommen. Schon in der 5. Legislaturperiode findet sich in der Drucksache 5/6717 vom 09.10.2013 in § 13 unter der Überschrift „Einrichtung eines Transparenzregisters beim Landtag“ ein vergleichbares Regelungsmodell. Schon damals haben wir gesagt, diese Regelungen sind aus unserer Sicht notwendig. So schreibt zum Beispiel die Organisation LobbyControl – ich zitiere –: „Ein Lobbyregister erschwert verdeckte Einflussnahme und macht Verflechtungen erkennbar. Es hilft, Machtungleichgewichte sichtbarer zu machen und damit in die öffentliche Debatte zu bringen. Als wichtige Informationsquelle für JournalistInnen, Organisationen und BürgerInnen stärkt es die demokratische Kontrolle.“


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Genau das ist es, was wir an der Stelle wollen.

Diese Forderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, finden immer mehr Gehör. So hat kürzlich auch das EU-Parlament die Einführung – ich sagte es zu Beginn – dieses sogenannten legislativen Fußabdrucks beschlossen. Es ist also keine Geschichte, die wir hier im luftleeren Raum machen. Wichtig ist, damit dieser Fußabdruck sicher und in seinem Informationsgehalt zuverlässig funktionieren kann:


1. Die Eintragung ins Register muss für alle Beteiligten an einem Gesetzgebungsverfahren, aber auch anderen parlamentarischen Initiativen, verbindlich sein.


2. Das Register muss einem Vollständigkeits- und Aktualitätsgebot unterliegen.


3. Auch diejenigen Außenstehenden, die an Gesetzentwürfen der Landesregierung mitgewirkt haben, müssen in gleicher Weise durch das Transparenzregister erfasst sein.


4. Um die Verbindlichkeit und vor allem die Korrektheit und Aktualität der Eintragungen und der Inhalte wirksam abzusichern, müssen Pflichtverstöße dagegen mit einem empfindlichen Ordnungsgeld geahndet werden.


All diese notwendigen Regelungspunkte enthält der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Uns ist bewusst, dass wir damit zumindest in Deutschland auch ein gewisses Neuland betreten – ja, das ist so. Ich sagte es schon, in anderen Staaten gibt es solche verbindlichen Register, übrigens samt Ordnungsgeldern. Aber ich sage es noch einmal: Was in anderen Staaten möglich ist, muss und sollte auch bei uns möglich sein.

Das neue Beteiligtentransparenzregister soll auch mit der schon vorhandenen Parlamentsdatenbank verknüpft werden, geht aber, wie der Gesetzentwurf zeigt, funktional und inhaltlich über diesen hinaus. Auch diese praktische Seite sollte in den weiteren parlamentarischen Beratungen mitbetrachtet werden.


Meine Damen und Herren, angesichts dieses konzeptionellen und rechtlichen Neulands bzw. der damit zusammenhängenden Fragen wird es Sie nicht überraschen, dass die Koalitionsfraktionen zu diesem Gesetzentwurf eine umfassende mündliche Anhörung durchführen wollen. Sie soll – Kollegin Rothe-Beinlich hat es schon gesagt – im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz als dem für Parlamentsrecht und Parlamentsfragen zuständigen Ausschuss stattfinden. Bei dieser mündlichen Anhörung, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir ja sehen, ob der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen einen Sinn hat oder ob er grundweg abgelehnt wird. Wir wollen diese Diskussion gerne führen. Wir nehmen uns dafür auch die Zeit, diese Anhörung durchzuführen, wir sind da nicht in einer zeitlichen Brisanz. Und wir sollten dann eine Entscheidung darüber treffen, wie wir damit umgehen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen. Herzlichen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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