Thüringer Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz – ThürBKG) 2/2
Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/9658
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und auch liebe Zuschauerinnen und Zuschauer – wahrscheinlich am Livestream gerade zahlreicher vorhanden als hier auf der Tribüne –, ganz kurz vorab: Herr Czuppon hat gerade die Erhöhung der Jugendfeuerwehrpauschale angesprochen und warum das so lange dauert. Herr Czuppon, darf ich Sie daran erinnern, dass die AfD damals im Landtag 2017 generell gegen die Erhebung der Jugendfeuerwehrpauschale gestimmt hat? Das heißt, ginge es nach Ihnen, wäre sie gar nicht erhöht worden, deswegen sind wir froh, dass wir sie jetzt überhaupt erhöhen. Ich bin sowieso überrascht, dass Sie noch da sitzen: Als wir das letzte Mal hier im Landtag über die feuerwehrpolitischen Themen gesprochen haben, sind Sie ja nach Ihrem eigenen Redebeitrag schon rausgegangen; und die restlichen Inhalte haben Sie dann auch nicht interessiert.
Aber zurück zu den eigentlichen Fakten zum Gesetzentwurf: Thüringen ist ein sicheres Bundesland und das soll es auch weiterhin bleiben. Dazu tragen tausende Einsatzkräfte der Thüringer Feuerwehren und auch des Katastrophenschutzes und der Katastrophenschutzeinheiten bei, die nicht selten ihre eigene Gesundheit riskieren und sprichwörtlich für unsere Gesellschaft durchs Feuer gehen. Vor einigen Tagen zum Beispiel rückten im Landkreis Gotha mehrere Feuerwehren zu einem Gebäudebrand aus und waren drei Stunden mit den Löscharbeiten beschäftigt, ehe das Scheunenobjekt dann letztendlich auch zusammenbrach und Traktoren und Fahrzeuge unter sich begrub. Eine Kameradin der Feuerwehr wurde durch die Rauchgase, die sich dabei entwickelt haben, verletzt und musste dann auch behandelt werden.
Nach dem im letzten Jahr vorgestellten Brand- und Katastrophenschutzbericht wurden 186 Einsatzkräfte der Feuerwehren in Thüringen bei Einsätzen über ein Jahr verteilt verletzt. Durch das vor allem ehrenamtliche Engagement konnten aber im selben Zeitraum über 4.500 Menschen im Freistaat bei Einsätzen aus akuten Gefahrensituationen und auch aus Lebensgefahr gerettet werden. Dafür gilt, glaube ich, im Namen aller der hier Anwesenden unser herzlicher Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)
Diese Aufgabe geht mit vielfältigen Belastungen einher , von der anspruchsvollen Aus- und Fortbildung über gefahrenträchtige Einsätze auf Autobahnen, bürokratische Abrechnung von Kosten beispielsweise bis hin zum frustrierenden Momentum, wenn innerhalb eines Jahres über 6.000 Fehlalarme ausgelöst werden und dann die eigene Arbeit unterbrochen und ausgerückt werden muss, was gerade für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte oft ziemlich nervig und auch kräftezehrend ist.
Das Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz bietet hierbei seit über 32 Jahren einen wirklich wichtigen Orientierungs- und Handlungsrahmen für alle beteiligten Akteure, egal ob jetzt im Haupt- oder auch im Ehrenamt. Wir haben hier in den letzten Jahren schon ein paar punktuelle Änderungen vorgenommen, zuletzt zum Beispiel vor einigen Wochen zur Einführung der digitalen Alarmierung. Nun ist es also auch Zeit für eine grundsätzliche Reform des Gesetzes. Ziel muss es nämlich sein – das wurde vorab auch schon von meinen Kolleginnen und Kollegen erwähnt –, die Feuerwehren fit für die Zukunft zu machen und auch den Herausforderungen von Klimawandel und Energiewende Rechnung zu tragen. In den letzten zwei Jahren haben dazu drei Facharbeitsgruppen und ein Steuerungsgremium unter Leitung des Innenministeriums Verbesserungspotenziale identifiziert und mit mehreren Regionalkonferenzen die Praxismeinungen Thüringer Feuerwehren integriert.
An dieser Stelle möchte ich mich auch noch mal im Namen meiner Fraktion herzlich bedanken, auch namentlich bei der Arbeitsgemeinschaft der Kreisbrandinspektoren, den Leitern der Berufsfeuerwehren, dem Thüringer Feuerwehrverband, den kommunalen Spitzenverbänden, der Thüringer Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Bad Köstritz, dem Thüringer Landesverwaltungsamt, der Landesarbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen, dem Bundesverband eigenständiger Rettungsdienste und Katastrophenschutz, dem Technischen Hilfswerk, Herrn Behnisch und seinem Team vom Referat 24 im Innenministerium und natürlich unserem supertoll arbeitenden Innenausschuss. Die rot-rot-grüne Koalition zieht hierbei gemeinsam mit Regierung, Fraktionen und auch den wichtigen Praxismeinungen vor Ort an einem Strang und darum haben wir das Verfahren beschleunigt und bringen nun drei Monate früher, als es eigentlich organisatorisch von der Regierungsseite angedacht war, den Gesetzentwurf ins Plenum ein, denn wir wollen noch vor dem Sommer einen Beschluss der demokratischen Fraktionen im Landtag auf die Beine stellen. Das ist zwar sportlich, aber durchaus machbar – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, wenn wir alle an einem Strang ziehen, da uns alle der Wille eint, die Feuerwehren bestmöglich zu unterstützen.
Zum Gesetzentwurf habe ich die wesentlichen Punkte ja schon in der Einbringung erwähnt und sicherlich haben Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt auch die 122 Seiten der vorliegenden Drucksache 7/9658 durchaus inhaltlich studiert, weswegen ich mich da nicht noch mal wiederholen muss.
Als Linksfraktion haben wir uns besonders dafür eingesetzt, dass die verpflichtende gesetzliche Förderung der Brandschutzerziehung Niederschlag im Gesetzentwurf findet. Gerade aus dem Austausch mit dem Thüringer Feuerwehrverband wurde klar, dass wir diese Brandschutzerziehung flächendeckend im gesamten Freistaat gewährleisten müssen und haben dafür dann auch bereits im Haushalt dieses Jahres, also für das Jahr 2024, insgesamt 650.000 Euro eingestellt, die an die Landkreise und kreisfreien Städte gehen.
Uns war auch besonders wichtig, dass die psychosoziale Notfallversorgung – kurz PSNV – im Gesetz etabliert wird, da die Helferinnen und Helfer im Ernstfall nicht nur den von den Notfall Betroffenen zur Seite stehen, sondern eben auch den Retterinnen und Rettern selbst, die nicht selten durch die heftigen Einsatzerfahrungen durchaus belastet werden. Gerade die ehrenamtlichen Kräfte, die dann keine Unterstützung hätten, würde das ganz schön treffen. Deshalb haben wir das hier noch mal etabliert. In den letzten Jahren sind wir also gemeinsam mit Rot-Rot-Grün dazu übergegangen, größere Katastrophenlagen – auch mit Todesopfern –, Evakuierungsszenarien und auch umfangreichere Betreuungsangebote in Thüringen vorauszudenken; gerade aus den Erfahrungen aus dem Ahrtal heraus. Dazu haben wir also auch im Herbst letzten Jahres schon einen Landtagsbeschluss gefasst, künftig 1 Prozent der Bevölkerung ad hoc betreuen und versorgen zu können, beispielsweise 20.000 Menschen, die wegen eines Hochwassers ihr Hab und Gut verlieren würden. Dieses 1-Prozent-Ziel, das predige ich gefühlt in jeder Rede, wenn es um Brand- und Katastrophenschutz geht, denn das ist und bleibt natürlich auch unser konkretes Ziel, gerade für uns als rot-rot-grüne Koalition.
Insofern ist es nur noch folgerichtig, dass, besonders aus dem Kreis der Arbeitsgruppen die Aufnahme einer Weisungsbefugnis der obersten Katastrophenschutzbehörde für den Fall der Übernahme der landesweiten Einsatzführung in § 42 und die Errichtung von Auskunftsstellen bei den Katastrophenschutzbehörden im Bedarfsfall für Vermisste, zum Beispiel in § 35, aufgenommen wurde.
Die Digitalisierung als einer der letzten Punkte macht natürlich auch vor den Thüringer Feuerwehren nicht halt, natürlich auch nicht vor den KAT-Schutzeinheiten, denn wir haben hier schon Übungen mit VR-Brillen an der Katastrophenschutzschule, neue Stabsuntersuchungssoftware, Spezialtechnik, digitale Alarmierung, Waldbrandbekämpfung und Vermisstensuche, die mit Drohnen durchgeführt wird oder auch die Feuerwehr-App FRIEDA, die Ihnen ja sicherlich bekannt ist, mit der inzwischen an einer Unfallstelle, wenn man damit in Thüringen ankommt, dass man die Kennzeichen eingibt und in Sekundenschnelle über eine Datenleitung angezeigt bekommt, an welcher Stelle man fahrzeugspezifisch die hydraulische Rettungsschere ansetzen muss, um dann auch die eingeklemmten Personen retten zu können, ohne sich teilweise selbst durch zum Beispiel die Starkstromkabel von Elektrofahrzeugen zu gefährden. Daher ist es nun auch wichtig, notwendige Rechtsgrundlagen bereitzustellen, die das Betreiben von dezentral technischen IT-Servicestellen ermöglichen, was im neuen § 6 Abs. 4 des Gesetzentwurfs abgebildet wird.
Seit Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Rot-Rot-Grün haben wir die Mittel für Feuerwehren, Brand- und Katastrophenschutz und auch für die Rettungsdienste auf über 400 Millionen Euro in Summe im Vergleichszeitraum zu Vorgängerregierungen also verdreifacht. Auch das sollte mittlerweile allen wohlwollend bekannt sein. Dass sich unsere Arbeit als Rot-Rot-Grün hier auch bezahlt macht, sieht man auch daran, dass die Mittel gut eingesetzt sind, wenn zum Beispiel im Rahmen einer eigens geschaffenen Mitgliederkampagne auch mehr Mittel für den Feuerwehrverband bereitgestellt wurden. Denn so ist es uns gelungen, auch viele Tausend Jugendliche vermehrt in die Feuerwehren so holen. Der aktuelle Brand- und Katastrophenschutzbericht weist sogar 3.700 Mitglieder mehr bei den Jugendfeuerwehren aus als noch 2014 – also im 10-Jahres-Vergleich. Besonders erfreulich ist dabei auch, dass sich darunter fast 1.500 Mädchen als Zugewinn befinden. Auch das freut mich sehr, dass wir da die Gleichstellung ein bisschen vorantreiben
(Beifall DIE LINKE)
und gerade die Mädels für so wichtige Sachen wie die Feuerwehre auch motivieren können und dadurch eben auch gefördert werden.
Dennoch können wir uns aber nicht auf den bereits geleisteten Erfolgen ausruhen, denn der demografische Wandel verlangt uns einiges ab. Da verdoppeln wir im Gesetz auch die Jugendfeuerwehrpauschale, die wir erst kürzlich auf 25 Euro angehoben haben und nun auf 50 Euro verdoppelt wird, um die Maßnahmen zu intensivieren. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält auch die neuen Kostenbestimmungen mit dem Ziel, die bisher teils rechtsunsichere Erhebung vor Feuerwehreinsätzen endlich zu beenden und fasst dann auch an wirklich vielen Stellen organisatorische und personelle Voraussetzungen zur Aufstellung einer Feuerwehr an, wo dann auch Weiterqualifikationen definiert werden.
Gern möchten wir besonders als Linke auch in der Anhörung im Ausschuss verschiedene Komplexe mit den verschiedenen Expertinnen und Experten aus der Praxis erörtern, zum Beispiel die im Entwurf vorgesehene Herabsetzung der Grenze zur Verpflichtung der Vorhaltung einer Berufsfeuerwehr von 100.000 und 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Im Zuge der Meinung der Praxis versteht das dann vielleicht auch der Herr Czuppon, warum das notwendig ist. Aktuell würde das vor allem die Städte Gera und Weimar betreffen, die bereits Berufsfeuerwehren freiwillig haben, dann aber durch den Gesetzentwurf verpflichtet wären, das zu machen. Aber es ist ja schön, dass sie das schon freiwillig quasi auf dem Schirm haben. Auch die Frage, inwiefern feuerwehrtechnische Zentren nicht vielleicht auch gesetzlich mitgeregelt werden könnten oder ob sie besser Bestandteil der Organisationsverordnung bleiben und ob die Helferanerkennung bereits optimal geregelt ist oder ob da vielleicht sogar noch mehr geht – eigentlich geht ja meistens immer noch mehr, und mehr ist meistens besser –, wollen wir dann auch noch weiter im Ausschuss diskutieren. Ich freue mich sehr auf die hoffentlich sachdienliche Debatte.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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