Thüringer Beitrag zum NPD-Verbotsverfahren

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 6/614


Meine Damen und Herren! Herr Fiedler, eines ängstigt mich wirklich an Ihrem Redebeitrag, nämlich die Ernsthaftigkeit, mit der Sie hier vorgetragen haben, dass der Verfassungsschutz blind sei ohne den Rückgriff auf die V-Leute. Denn wenn unsere Sicherheit tatsächlich in diesem Land davon abhängig ist, dass Neonazis mit Geld davon überzeugt werden müssen, Informationen über ihre Peergroup zu verraten, ohne dass sie sich ideologisch nur einen My verändern müssen, dann macht es mir wirklich Angst,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und ich sage Ihnen ganz ehrlich, das ist nämlich die Konsequenz, die wir festgestellt haben bei der Aufarbeitung des V-Mann-Systems, nicht nur in Thüringen, sondern auch im Quervergleich zu den zahlreich zutage getretenen Erfahrungen in anderen Bundesländern und auch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, den wir ziehen müssen, dass dieses Instrument ein untaugliches und gefährliches Instrument ist. Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD-Fraktion, gebe ich Ihnen den Rat, sich nicht nur bei der Bundestagsfraktion schlau zu machen, sondern auch bei der SPD in Bayern, die mit der Aufforderung, den Verfassungsschutz aufzulösen, in den bayerischen Landtagswahlkampf gegangen ist. Ich gebe zu, ich habe den Verdacht, dass das Landtagswahlprogramm bei der SPD in Bayern möglicherweise etwas anders ausgesehen hätte, wenn es die reale Chance gegeben hätte, dort auch tatsächlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. Umso wichtiger und politisch richtiger ist es, in Thüringen, nachdem dies gelungen ist, hier auch tatsächlich politische Verantwortung zu übernehmen, diesen Schritt der Abschaffung der V-Leute tatsächlich konsequent in diesem Bereich zu gehen.


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da würde ich lieber die anderen Bundesländer fragen!)


Meine Damen und Herren, Herr Adams ist darauf eingegangen, zum NPD-Verbotsverfahren kann man durchaus sehr unterschiedlicher Auffassung sein, insbesondere hinsichtlich seiner gesellschaftspolitischen Wirkung. Denn eines ist das sehr weitreichende, in politische Bürgerrechte eingreifende Instrumentarium des Parteiverbots nämlich nicht: ein politisches Instrument in der Auseinandersetzung mit politisch unliebsamen Gruppierungen und Organisationen. Denn wenn man erreichen will, dass die NPD kein Geld mehr aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhält, wenn man erreichen will, dass die NPD ihre menschenverachtende Ideologie nicht mehr auf der Straße grölend zutage trägt, wenn man erreichen will, dass man während Wahlkämpfen keine rassistischsten Plakate mehr im öffentlichen Bild sehen will, und wenn man erreichen will, dass die NPD als neonazistische Organisation nicht mehr auf den Wahlzetteln steht und mal mehr oder weniger von Menschen in diesem Land auch gewählt wird, dann muss man sich um die Einstellungen der Menschen in diesem Land bemühen, dann muss man dafür Sorge tragen, dass neonazistische, rassistische Einstellungen keine Anschlussfähigkeit in der Mitte der Gesellschaft haben. Man muss den politischen Boden für Einstellungen entziehen, die regelmäßig und zwingend Voraussetzung auch für Straftaten, insbesondere auch für Gewalttaten sind. All das, meine Damen und Herren, vermag ein NPD-Verbot nicht zu erreichen.


(Beifall DIE LINKE)


Es birgt – da bin ich dem Kollegen Adams sehr dankbar, dass er das ausgeführt hat – tatsächlich auch Risiken, nämlich dass mit dem Organisationsverbot das Sichtbarmachen von Einstellungen praktisch verhindert wird und damit auch rechtsextreme, neonazistische, rassistische Einstellungen den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen entzogen werden, und es birgt natürlich auch das Risiko – und das Beispiel der Partei „Der III. Weg“ ist angesprochen worden –, dass sich Neonazis in Ersatzstrukturen neu organisieren und die Gefahren, denen eigentlich mit einem Verbot begegnet werden soll, weiter fortbestehen.


Eines gilt auch: Wenn die sehr hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Parteiverbot gegeben erscheint, dann wäre es nicht vermittelbar in der Öffentlichkeit, einen entsprechenden Antrag nicht zu stellen, wie das der Bundesrat – Sie haben es angesprochen – am 3. Dezember 2013 getan hat. Es gehört dann eben auch zu der Konsequenz, dieses Verfahren bis zum Ende auch zu betreiben, und zwar qualitativ mit dem Ziel, es auch zum Erfolg zu führen.


Da will ich daran erinnern, dass das letzte Verbotsverfahren im Jahr 2003 daran scheiterte, dass eine Sperrminorität von drei Verfassungsrichtern eben nicht mehr der Auffassung war, dass man bei der neonazistischen NPD von einer staatsfernen Organisation sprechen könne. So ist es eben auch ein Thüringer Beitrag durch die Abschaltung von V-Leuten in sämtlichen Bereichen der NPD. Da geht es uns nicht nur um die Führungsgremien, die Einfluss auf die Organisationsentwicklung nehmen, es geht auch um die V-Leute, die Einfluss auf die Aktivitäten der NPD, wie beispielsweise am 1. Mai in Weimar, genommen haben, dass die nicht mehr im Sold des Staates stehen, dass darüber der Staat keinerlei Beeinflussung mehr neonazistischer Aktivitäten nimmt, und das ist eben der ernst zu nehmende wichtige Thüringer Beitrag in diesem NPD-Verbotsverfahren und der unterscheidet tatsächlich dieses Verbotsverfahren von dem Verbotsverfahren 2003, was gescheitert ist, unter anderem auch mit Hinweis auf ein in Thüringen sehr aktiven und sehr umtriebigen Neonazi Tino Brandt, der im Sold des Staates stand. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dateien