Tarifflucht in Thüringen bekämpfen und ‚Gute Arbeit‘ weiterhin stärken

Lena Saniye Güngör

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 7/4114

 

Danke, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren, Anfang des Monats hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung seine Studie zu Tarifverträgen und Tarifflucht in Thüringen vorgestellt, von der ich natürlich unterstelle, dass sie alle Abgeordneten in diesem Hohen Haus gelesen haben, denn die Daten, die diese Studie darstellt, die diese wissenschaftliche Arbeit uns liefert, sind unumgänglich, wenn wir darüber sprechen, wie wir hier auch in Zukunft Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik in Thüringen gestalten wollen.

 

(Zwischenruf aus dem Hause)

 

Das finde ich spannend, dass jetzt schon direkt wieder reingegangen wird. Ich war noch nicht mal bei den Ergebnissen der Studie, aber ich würde einfach mal die wesentlichen noch mal vorstellen, vielleicht hilft das zur Auffrischung.

 

Thüringen ist nach Sachsen das Bundesland mit der geringsten Tarifbindung in Deutschland. Nur für 44 Prozent der Beschäftigten gilt eine Bezahlung nach Tarif. Wir haben außerdem Beschäftigte in den Unternehmen mit Tarifvertrag, die deutlich besser verdienen als diejenigen, die keinen haben, also dass ein sogenannter Tarif-Gap in Thüringen besteht, und der ist mit rund 23 Prozent durchaus bemerkenswert, also sobald ein Betrieb einen Tarifvertrag hat, gibt es 23 Prozent mehr Gehalt.

 

Nach Mecklenburg-Vorpommern weist Thüringen die niedrigsten Löhne in ganz Deutschland auf. Das heißt, das zeigt schon, wir sehen das Problem, dass die Durchschnittslöhne eben auch immer wieder damit zu tun haben: Haben wir Tarifverträge vor Ort, ja oder nein. Und wir haben – das finde ich erst mal positiv zu bemerken – in Thüringen weniger die Problematik von einer Tarifflucht, die vorliegt, sondern wir sehen, dass in jüngeren Unternehmen tendenziell seltener nach Tarif bezahlt wird, also dass eigentlich die Tarifstärke, die wir noch haben, von den alten Betrieben herrührt.

 

Abschließend wird festgestellt, dass Tarifbindung erhöht werden kann, natürlich dadurch, dass wir Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen haben. Das zeigt also ganz deutlich – und ich bin froh, dass die WSI-Studie das sichtbar macht –, dass Rot-Rot-Grün in Thüringen mit dem Vergabegesetz, das bereits verabschiedet wurde, auf dem richtigen Weg liegt, das heißt, dass Unternehmen mit Tarifbindung bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden. Für uns als Linke gehört die Stärkung der Tarifbindung ganz explizit zu unseren wirtschaftspolitischen Zielen, denn wir wissen, wir müssen wegkommen vom Image des Landes Thüringen als Niedriglohnland.

 

Wir wissen auch, der nach der Wende von der CDU-geführten Landesregierung verfolgte Kurs des neoliberal geprägten Wirtschaftens, der darauf abzielte, den Wirtschaftsstandort Thüringen mit ausgesprochen niedrigen Löhnen und mit sogenannten flexiblen Beschäftigungsverhältnissen attraktiv zu machen, hat immer noch Folgen für Thüringen und wir müssen uns immer noch aktiv damit auseinandersetzen, diesen Folgen entgegenzuwirken.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ich glaube, wir sollten unser Lob für das Thüringer Vergabegesetz ernst nehmen und uns darüber freuen, aber auch die Beschränkungen der Wirksamkeit, die von den Autorinnen und Autoren deutlich genannt werden, erst nehmen. Sie sprechen sich klar für eine Ausweitung des Vergabegesetzes auch auf die Kommunen aus. Dem ist der Jenaer Stadtrat bereits nachgekommen, andere Kommunen sind hier weiterhin gefragt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie hören es schon: Mit uns wird es keine Verwässerung der sozial-ökologischen Standards im Vergabegesetz geben, nein, im Gegenteil, es braucht eine Ausweitung des Thüringer Vergabegesetzes.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Neben der Ausweitung brauchen wir auch den Einbezug in der regionalen Wirtschaftsförderung, wir brauchen auch die Stärkung der Tarifverbände – das alles müssen nächste Schritte sein.

 

Wir schließen uns auch der Forderung an, dass unbedingt ein Verbot von Mitgliedschaften ohne Tarifverträge und Tarifbindungen in Unternehmerverbänden geprüft werden muss. Zudem hat das Land Thüringen bereits im Mai dieses Jahres versucht, sich gemeinsam mit Bremen und Berlin auch im Rahmen des Bundesrats dafür einzusetzen, dass wir endlich eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen bekommen, bedauerlicherweise ohne Mehrheit – noch ohne Mehrheit.

 

Ein weiterer Punkt, der deutlich geworden ist: Für eine wirtschaftliche Entwicklung brauchen wir mehr denn je Arbeitskräfte und Fachpersonal. Das Problem des Fachkräftemangels ist nun nicht gerade neu, aber es ist auch noch nicht konsequent genug angegangen worden. Und je eher die Unternehmen begreifen, dass wir nur wettbewerbsfähig sein werden, wenn niedrige Löhne und prekäre Arbeitsbedingungen endlich der Vergangenheit angehören, desto besser. Wir müssen nur in den Dienstleistungssektor schauen, um zu verstehen, dass wir einen wirtschaftlichen Neustart nur bekommen, wenn wir den Fachkräftemangel konsequent angehen.

 

Als damals – und damit möchte ich schließen – der Mindestlohn neu eingeführt wurde, gab es sehr viele Sorgen und Ängste, was das alles auslöst. Mittlerweile wissen wir, die Befürchtungen sind nicht eingetroffen. Und wenn wir dafür sorgen wollen, dass der Thüringer Lohn steigt, dann wissen wir: Ein Mindestlohn von 13 Euro würde bei uns 40 Prozent der Beschäftigten zugutekommen. Ich denke, dafür lohnt es sich weiterhin auf allen politischen Ebenen zu kämpfen. Herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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