Steuergelder fahrlässig angelegt?

Ronald Hande

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/2912

 

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Möglichkeit eines drohenden Verlustes von 50 Millionen Euro ist für Thüringen mehr als ärgerlich. Es wäre tatsächlich ein herber Verlust. Auch meine Fraktion ist daher natürlich an Informationen, Aufklärung und künftiger Schadensvermeidung sehr interessiert. Auch wir haben Fragen, welche wir seit Bekanntwerden auf verschiedenen Wegen klären möchten. So haben wir auf direktem Weg Gespräche mit dem Finanzministerium aufgenommen, um erste Fragen und den aktuellen Sachstand zu besprechen. Darüber hinaus hat meine Fraktion eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt mit dem Ziel, auch Details zu erfragen bzw. Antworten zu bekommen, die vielleicht mehr als ein Gespräch erforderlich machen.

 

Als dritten Schritt haben Grüne, SPD und Linke eine Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses beantragt, welche heute noch stattfinden wird bzw. soll. Es ist allerdings dabei bedauerlich, dass der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Emde von der CDU, nicht bereits für letzten Freitag zur Sitzung eingeladen hat, wie von der Koalition beabsichtigt, sondern eben erst für heute.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Mit all diesen Anfragen und Gesprächsersuchen lag und liegt das Interesse von Rot-Rot-Grün in erster Linie an einer konstruktiven Begleitung der Landesregierung bei diesem Problem. Natürlich ist es damit ebenso unser Ziel, auch den betroffenen Thüringer Kommunen zur Seite zu stehen und unsere Unterstützung anzubieten. Dafür jedoch über eine Sondersitzung das gesamte Plenum zusammenzurufen, wie für heute von der CDU beantragt und nun stattfindet, ist total überzogen; zumindest dann, wenn man beabsichtigt, sachlich aufzuklären und nicht im großen Rund zu skandalisieren.

 

Warum das überzogen ist, möchte ich Ihnen auch gern kurz darstellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir – und das hat Frau Ministerin Taubert bereits teilweise ausgeführt – leider nur wenig machen. Wie lange sich das Insolvenzverfahren hinzieht, haben wir auch gehört. Dieses Verfahren über die Greensill Bank ist nun eröffnet und das Land Thüringen reiht sich in die lange Liste der Gläubiger ein. Dass wir da nun einen Sitz im Gläubigerausschuss haben, ist zwar erfreulich und gut für die Interessenwahrnehmung, aber heißt im Weiteren erst mal noch nichts.

 

Für uns als Landtag ist es wichtig, sowohl über die weitere Entwicklung als natürlich auch über die Gründe bisherigen Handelns informiert zu sein. Dieses Interesse ist absolut legitim. Die Landesregierung kam dem erstmals in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 5. März nach – das wurde bereits an- gesprochen – und informierte uns über eine entsprechende Entwicklung bei diesem Bremer Bankhaus. Das war der Zeitpunkt, als die BaFin ein Auszahlungsverbot über die Greensill Bank verhängte und weitere Prüfungen anordnete. Welche Entwicklung bzw. Dimension und damit welches Risiko die Thüringer Geldanlage birgt, war tatsächlich erst seit Kurzem absehbar – ich komme später noch mal darauf zurück –; leider zu spät, um die 50 Millionen Euro zurück nach Thüringen zu holen. Dass dies ohnehin aufgrund der Art der Finanzanlage quasi unmöglich gewesen wäre, ist auch Ihnen bekannt.

 

Frau Ministerin Taubert hat einige Details berichtet, weshalb ich an der Stelle nicht alles noch mal referieren möchte, eines aber doch. Das Rating der Greensill Bank war zum Zeitpunkt der Anlage so gut, dass für den Freistaat kein Anzeichen eines Risikos bestand. Sie können das Rating oder Ratings im Allgemeinen nun infrage stellen, aber mit diesen arbeitet jeder Akteur am Kapitalmarkt tagtäglich. Zudem wurden – und das wurde auch schon gesagt – in der Vergangenheit durchaus auch schon Anlagen bei der Greensill Bank getätigt, die auch regulär zurückgekommen sind.

 

Wenn wir an der Stelle gerade in die Vergangenheit schauen, richten Sie Ihren Blick bitte mal etwas weiter zurück, nämlich in die 90er-Jahre. Damals erhielt der MDR eine Anschubfinanzierung in Höhe von 500 Millionen D-Mark. Im Rahmen von Anlagen in ecuadorianische Währungsanleihen verlor der MDR damals 2,6 Millionen D-Mark. Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht, ich war damals noch nicht dabei. Diesem Verlust stand jedoch ein Gewinn von noch mal 500 Millionen D-Mark gegenüber. Trotz dieses Verhältnisses war der Aufschrei damals groß. Auch wenn man das damalige Finanzgeschäft nicht mit der Thüringer Geldanlage von heute vergleichen kann, so will ich damit doch darauf hinaus, das Gesamtpaket im Auge zu behalten. Das bedeutet, das Thüringer Finanzministerium hat im Rahmen seines Liquiditätsmanagements bestehend aus unzähligen – Frau Ministerin sprach von 175 Anlagen derzeit – verschiedenen Anlagen dem Freistaat eine Menge Geld in Form von Zinsen erspart. Das findet sich beispielsweise in den 79 Millionen wieder, die das Land Thüringen im Jahr 2020 weniger an geplanten Zinszahlungen leisten musste. Frau Merz sprach da besagte 15 Millionen bereits an. Aber das nur am Rand, zurück zur Greensill Bank.

 

Auch wenn Frau Ministerin einige Punkte bereits angesprochen hat, möchte ich doch einiges sagen, einiges nämlich zu der Entwicklung, die ich in aller Kürze zeitlich etwas einordnen möchte. Ich orientiere mich da an den Punkten aus der aufsichtlichen Chronik der BaFin, die mit der Beantwortung der schriftlichen Anfrage der Linken im Bundestag publik wurde. Ein wesentlicher Punkt, weshalb die BaFin bei der Greensill Bank eingegriffen hatte, war das unproportional hohe Engagement des Bankhauses gegenüber der Gupta-Gruppe. Um mögliche Kreditausfallrisiken aufzufangen, legte die Greensill Bank im Juni 2019 den Nachweis über eine entsprechende Kreditausfallversicherung bei einem australischen Versicherer vor. Die BaFin akzeptierte diese. Mit Beginn des Jahres 2020 thematisierte die BaFin nach Austausch mit ausländischen Aufsichtsbehörden unter anderem diese Geschäftsbeziehung zwischen der Greensill Bank und der Gupta-Gruppe.

 

Im März 2020 erhielt die Bank durch den Prüfungsverband der deutschen Banken die Auflage, risikobehaftete Positionen gegenüber eben dieser Gupta-Gruppe zu begrenzen. Das war in etwa der Zeitpunkt, zu welchem die nun betroffene Geldanlage Thüringens erfolgte. Im Juni 2020 übermittelte der Prüfungsverband seinen Bericht zur Jahresabschlussprüfung 2019 an die BaFin. Gleichzeitig gingen bei der BaFin im II. und III. Quartal 2020 erste Betrugsvorwürfe gegenüber der Greensill Bank ein. Tatsächlich ernst wurde es erstmals im August 2020, als die BaFin in einem Bericht an das Bundesministerium für Finanzen über die Lage der Greensill Bank berichtete. Hier hat das TFM von dem bestehenden Risiko erfahren, wie Frau Ministerin ausführte. Doch die 50 Millionen aus Thüringen waren zu diesem Zeitpunkt schon seit Monaten fest angelegt. Im September 2020 wurde dann bei der Greensill eine durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG durchgeführte forensische Sonderprüfung angeordnet, worüber diese im Dezember 2020 erstmals an die BaFin berichtete. Im Januar 2021 ordnete die BaFin weitere Berichtspflichten und die Bestellung eines Son- derbeauftragten an. An dem Punkt zeichnet sich ab, dass die eingangs erwähnte 2019 vorgelegte Kreditausfallversicherung nicht ausreichte und für das Kreditinstitut ein erhebliches Risiko bestünde. Ab dieser Stelle konnte man nun tatsächlich vermuten, dass hier möglicherweise Betrug im Spiel sein könne oder zumindest die Bank den Überblick über ihr Geschäft verloren hätte. Ende Januar zeigte KPMG dann an, dass „bei der Durchführung der Sonderprüfung Tatsachen bekanntgeworden sind, die den Bestand des Instituts gefährden bzw. die schwerwiegende Verstöße der Geschäftsleitung erkennen lassen könnten.“ Das war Ende Januar 2021. Die Thüringer Anlage lief zu dem Zeitpunkt bereits seit mindestens zehn Monaten. Die BaFin war nun bestrebt, kein weiteres Geld aus der Bank herauszulassen und ordnete Mitte Februar ein Konzernzahlungs- verbot und Anfang März ein Moratorium an, nur wenige Tage vor Fälligkeit der genannten und heute in Rede stehenden 50 Millionen aus Thüringen. Schließlich erfolgte – wie Sie alle wissen – am 15. März der Insolvenzantrag durch die BaFin.

 

Ich habe diese Abfolge hier so dargestellt, um zu verdeutlichen, dass seitens des Thüringer Finanzministeriums mit Beginn der Anlage nicht ersichtlich war und auch kaum ersichtlich sein konnte, was ein Jahr später passieren würde. Natürlich ist es im Nachgang leicht, kluge Ratschläge zu geben oder entsprechende Fragen zu stellen, doch konnte das TFM genauso wie alle anderen geschädigten Anleger nur mit den Informationen arbeiten, die zu dem Zeitpunkt der Anlage vor über einem Jahr oder länger zur Verfügung standen.

 

Mit Ihrem Antrag heute hier suggerieren Sie von der CDU, dass die getätigte Anlage ein Hochrisikogeschäft gewesen sei. Das ist auch vor dem Hintergrund des Kenntnisstands und der von mir eben kurz dargestellten Historie und allgemein der Fakten vollkommen absurd, und das wissen Sie.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Grundsätzlich sind einige der Fragen aus Ihrem Antrag sicherlich berechtigt und ich schließe mich Ihrem Wunsch nach einer transparenten Information durch das Finanzministerium an. Allerdings schwingt nicht zu- letzt in Ihrer Überschrift des Antrags und auch in der Pressemitteilung von heute die Frage mit: Wer hat Schuld an dieser Situation? Liest man zwischen den Zeilen Ihrer Fragen und schaut man sich Ihre Wortwahl auch heute wieder an, erahnt man, wen Sie dafür verantwortlich machen wollen. Aber dieses CDU-Manöver ist mehr als durchschaubar und natürlich verstehe ich, dass Sie als CDU mal wieder ein anderes Thema in den Medien lesen wollen als einen Korruptionssumpf, in dem Sie gerade stecken.

 

Und dass gerade der Thüringer CDU das Wasser bis zum Hals steht und Sie krampfhaft eine Nebelkerze zünden wollen und vielleicht die Hoffnung haben, ein Wahlkampfthema konstruieren zu können, das verstehe ich alles. Jedoch verkennen Sie in Ihrer Strategie einen Umstand. An einem drohenden Verlust, egal in welcher Höhe, aus der Ban- kenpleite hat niemand in Thüringen Schuld, weder auf kommunaler Ebene noch auf Landesebene. Das Thüringer Finanzministerin ist zum Opfer des freien Finanzkapitalismus geworden.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Der Markt hat recht, die Bank ist pleite!)

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Dennoch hat man dort angelegt!)

 

Ob es gar Bilanzbetrug war, wird sich zeigen.

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Warum hat man denn dort angelegt? Das war doch Ihre freie Entscheidung! Sie hätten auch bei der Ethik-Bank anlegen können!)

 

Bei mir steht jetzt hier, wenn Sie mit den Augen rollen, aber nein, Sie protestieren lautstark, weil der Linke da vorn wieder die Kapitalismuskritik rausholt, so sei Ihnen doch gesagt, dass die Chance auf hohe Rendite eben auch immer viel Potenzial an krimineller Energie mit sich bringt. Da sage ich der CDU aber nichts Neues.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Fakt ist, im Rahmen des Liquiditätsmanagements unseres Landes, welches im Übrigen tägliches Geschäft ist, ist das Thüringer Finanzministerium zum Opfer geworden, ganz Thüringen ist dabei zum Opfer geworden. Sie versuchen das zu verkehren und auf Kosten eines drohenden Schadens von Ihren eigenen politischen Defiziten abzulenken. Das ist nicht nur durchschaubar, das ist einer ehemaligen Regierungspartei einfach nicht würdig.

 

Wenn es Ihnen in der Sache ernst ist, dann lassen Sie uns unser Finanzministerium und die betroffenen Kommunen weiter begleiten und im Haushalts- und Finanzausschuss unterstützen, da, wo dieses Thema hingehört. Weil Ihnen ja scheinbar an möglichst hoher Transparenz und breiter Öffentlichkeit gelegen ist, wie Sie heute hier darstellen, gehe ich davon aus, dass wir das im HuFA von Beginn an und bis zum Ende in breiter Öffentlichkeit diskutieren werden.

 

Abschließend erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum Einlagensicherungssystem. Wie Sie alle wissen, hat das Land Thüringen nicht den gleichen Schutz wie Privatanleger gemäß der gesetzlichen Einlagensicherung. Bereits vor der Reform des Einlagensicherungsfonds 2017 wurden Bund, Länder und Kommunen benachteiligt.

 

Ursprung dessen ist das Umsetzungsgesetz zur EU-Richtlinie 2014/49 über die Einlagensicherung. Dieses wurde Anfang 2015 im Bundestag beraten und im März 2015 beschlossen. Diese grundsätzlich sinnvolle europäische Harmonisierung von Einlagensicherungssystemen im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes begrüßen wir dem Grunde nach als Linke auch jetzt noch. Dass allerdings Bund, Länder und Kommunen mit diesem Gesetz nicht als schutzbedürftig angesehen wurden und werden, im Gegensatz dazu große Unternehmen bzw. Konzerne entgegen den bisherigen Regelungen des Anlegerentschädigungsgesetzes aber schon, erschließt sich mir auch heute nicht. Damals wurde das Gesetz von allen im Bundestag vertretenen Parteien durchgewunken – einzig die Linke folgte dem nicht. Eine Bewertung darüber überlasse ich jedem selbst. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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