Start einer Erstwähler-Kampagne zur Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Kommunalwahlen

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3933


Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Zuschauerinnen am Livestream, lieber Gast auf der Besuchertribüne, eigentlich wollte ich es recht kurz machen, aber da nun Herr Kellner so eine Grundsatzdebatte über die Absenkung des Wahlalters angestoßen hat und auch meine Kollegin Anja Müller hochmotiviert ist, meine Rede noch zu hören, halte ich sie dann doch und versuche, das möglichst schnell über die Bühne zu bringen.


Durch die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre haben Jugendliche den Rechtsstatus eines Bürgers ihrer Gemeinde bzw. ihres Landkreises erhalten und können so wesentlich mehr Einfluss auf die Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfelds nehmen. Denn über das aktive Wahlrecht bei Gemeinderats-, Kreistags- und Bürgermeisterwahlen hinaus haben Jugendliche ab 16 Jahren hiermit auch weitere Beteiligungsmöglichkeiten erhalten, wie zum Beispiel Beantragung und Unterzeichnung von Bürgerbegehren und Stimmrecht bei Bürgerentscheiden. Um diese Tatsache und das damit verbundene Wahlrecht für Jugendliche noch bekannter zu machen und die Beteiligung an Wahlen auf der kommunalen Ebene nachhaltig zu stärken, fordern wir die Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag auf, eine Erstwählerinnenkampagne zu initiieren. Unser Ziel ist es dabei, Erstwählerinnen zu ermutigen, sich an den Kommunalwahlen im kommenden Jahr zu beteiligen, aber sie auch zu motivieren, sich mit dem Themenfeld Politik auseinanderzusetzen.


Und ja, Herr Kellner, auch wir haben uns die Mühe gemacht, verschiedene Studien zu lesen und diese Studien belegen, dass das politische Interesse von Jugendlichen in etwa genauso hoch ist wie das von Erwachsenen, also zum Beispiel eine empirische Forschung der Universität Stuttgart. Zu behaupten, dass Jugendliche nicht an Politik interessiert sind, wäre demnach ein Widerspruch der aktuellen Erkenntnisse. Die hier oft und auch von Ihnen, Herr Kellner, angeführte Skepsis Jugendlicher zum Beispiel gegenüber einer Wahlaltersabsenkung hat daher andere Gründe. Es gibt Leute, die machen sich die Mühe, die reden mit Jugendlichen und fragen danach, warum es diese Skepsis gibt, zum Beispiel Prof. Dr. Klaus Hurrelmann. Er fand heraus, dass Jugendliche oftmals an sich selbst den Anspruch stellen, erst über ein umfassendes politisches Wissen verfügen zu müssen, um überhaupt an Wahlen teilnehmen zu können.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Denen geht es anders als Ihnen!)


Genau diese diffusen Bedenken sind es, die wir den Jugendlichen mit dieser Kampagne, mit der Einführung einer adäquaten Erstwählerkampagne, nehmen wollen. Mit dieser können wir Sachverhalte überparteilich und jugendgerecht vermitteln, zum Beispiel die Bedeutung und die Aufgaben von Kommunalpolitik, einen Überblick über die Parteiprogramme und deren Kandidaten, das Wissen über den Wahlvorgang an sich – wie funktioniert die Stimmabgabe, wie sieht ein Stimmzettel aus – sowie die Möglichkeit der Mitbestimmung über den bloßen Wahlakt hinaus. Meine Kollegin Frau Rothe-Beinlich erwähnte es bereits, dass eine solche Erstwählerkampagne auch nachhaltig fruchten kann. Das zeigen zum Beispiel die Auswertungen aus Baden-Württemberg, dort wurde bereits 2014 im Vorfeld der Kommunalwahlen eine Kampagne unter dem Titel „Wählen ab 16“ durchgeführt. Dort konnte festgestellt werden, dass sich die Erstwählerkampagne, ich zitiere: „…grundsätzlich positiv auf die Wahlbeteiligung der Jugendlichen ausgewirkt hat.“ Dennoch sollte sich natürlich eine Gesamtbewertung einer solchen Kampagne nicht allein auf die Höhe der Wahlbeteiligung beziehen. In Baden-Württemberg wurden des Weiteren durch die Erstwählerkampagne nicht nur erfolgreich gesellschaftliche und politische Gruppierungen mit Vertretern der Verwaltung und der Kommunen vernetzt, sondern diese Kampagne gab auch den Anstoß für zahlreiche weiterführende kommunale Aktivitäten. Zudem ist es dort auch gelungen, Multiplikatoren nicht nur zu gewinnen und zu qualifizieren, sondern auch zu halten, sodass sie im Nachhinein eingesetzt werden können.


Liebe Kolleginnen, es hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder gezeigt, dass Demokratie und der Erhalt unserer demokratischen Grundordnung leider nicht selbstverständlich sind. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns dafür einsetzen und insbesondere das Recht auf freie Wahlen stärken. Mit einer gut durchdachten Erstwählerkampagne in Thüringen können wir diejenigen erreichen, welche die politische Zukunft unseres Landes bestimmen werden, nämlich unsere Jugendlichen. Daher bitten ich und meine Kollegin Anja Müller, die leider nicht mehr im Raum ist, Sie, diesem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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