Stärkung von Informationsfreiheit und Transparenz im Freistaat Thüringen 2/2

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/2137

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Kollege Walk, Sie haben in sechs Punkten die Ablehnung Ihrer Fraktion versucht darzustellen. Genau an diesen sechs Punkten will ich mich abarbeiten, um Sie vielleicht für eine Zustimmung zu gewinnen, weil ich davon ausgehe, dass wir den Paradigmenwechsel am besten gemeinsam bestreiten sollten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben als Erstes gesagt: Das Informationsfreiheitsgesetz hat sich bewährt. Und Sie haben an anderer Stelle noch einmal ausgeführt, dass es keine Evaluierungsvorschrift im IFG gibt und das ist notwendige Voraussetzung, um überhaupt zu so einer Feststellung zu kommen. Nun ist es doch aber nicht so, dass eine fehlende Evaluierungsvorschrift dazu führt, dass man keine Evaluierungsergebnisse hat, sondern man kann natürlich auch aufgrund der Erfahrungen tatsächlich Wertungen vornehmen. Wir haben auch in Thüringen eine Evaluierung vorliegen, auf die Sie sich hätten stützen können. Das ist nämlich der erste Tätigkeitsbericht


(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Zwei Seiten! Zwei Seiten! Zwei Seiten!)


des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Da können Sie sehr viele Probleme nachvollziehen, die im Vollzug des Informations- und Freiheitsgesetzes liegen, und Sie können auch ein Fazit nachlesen, was der Beauftragte beim Thüringer Landtag zieht. Er kommt dann nämlich tatsächlich zu dem Ergebnis, dass es notwendig ist, nicht nur das Informationsfreiheitsgesetz tatsächlich fortzuentwickeln zu einem echten, leichteren Zugang zur Information, sondern wirklich auch hin zum Transparenzgesetz zu entwickeln und noch Zuständigkeiten zu erweitern, die in seinem Verantwortungsbereich liegen.


Dann möchte ich Ihnen mal aus dem Entwurf des Informationsfreiheitsbeauftragten für ein Thüringer Transparenzgesetz vorlesen, in dem er sich zum Informationsfreiheitsgesetz äußert. Dort schreibt er beispielsweise bei der Problembeschreibung: „Nach dem bestehenden Thüringer Informationsfreiheitsgesetz werden Informationen grundsätzlich nur auf Antrag gewährt. Eine Verpflichtung der öffentlichen Stellen, ihre Informationen eigenständig zu veröffentlichen, existiert derzeit nur in einem mäßigen Umfang. Zudem sind die Kommunen nach der jetzigen Rechtslage nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt, Informationen in das Thüringer Informationsregister einzustellen.“

Ich kann das noch fortsetzen, Herr Walk. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen, es liegen überhaupt keine Evaluierungsergebnisse vor und deswegen kann man hier keinen nächsten Schritt gehen: Das halte ich tatsächlich für an der Sache vorbei. Man muss die vorliegenden Erfahrungen auch tatsächlich ernst nehmen


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und dann kommt man in Umsetzung dieser Erfahrungen tatsächlich auch zur Zustimmung zu unserem Antrag.

Sie sagen zweitens, Sie lehnen es ab, weil mit dem Gesetz neue Standards geschaffen werden. Ja, aber selbstverständlich werden mit diesem Gesetz neue Standards geschaffen.


(Beifall DIE LINKE)


Glauben Sie, Rot-Rot-Grün setzt Ihre Standards einfach fort, ohne diese zu ändern?


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden in dieser Plenarsitzung noch einen Gesetzentwurf für ein Grundsätzegesetz zur Funktional- und Verwaltungsreform auf den Weg bringen und da werden auch einige Standards neu gesetzt, und zwar erhalten sie an dieser Stelle eine gesetzliche Grundlage. Da will ich einfach stichpunktartig mal einige erwähnen. Das ist beispielsweise die Frage der Bürgerservicebüros, das ist die Frage der Einräumigkeit der Verwaltung, das ist die Frage der Verwaltungsmodernisierung im Zusammenhang mit E-Government und das ist ein Bereich der Entbürokratisierung. Und wenn Sie in dieses Gesetz hineinschauen, dann werden Sie in § 16 auch den Grundsatz der Transparenz des Verwaltungshandelns finden.

Sie sehen: Natürlich wollen wir mit dem Transparenzgesetz und mit dem zugrunde liegenden Antrag heute neue Standards setzen. Und das ist nicht nur ein Standard, den wir setzen wollen, sondern es zieht sich tatsächlich durch das komplette Regierungshandeln durch, nämlich tatsächlich zu einer Steigerung der Transparenz zu kommen. Und ich glaube, Herr Walk, da haben wir Sie doch eigentlich auch an unserer Seite, da neue Standards zu setzen.


Sie sagen: Die Landesbehörden und die Kommunen haben mit der Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform derzeit genug zu tun. Wir haben heute ausführlich darüber diskutiert, vor welchen Herausforderungen die Verwaltung auch aufgrund des demografischen Wandels steht. Und wir haben natürlich eine Verwaltungsreform zu bewerkstelligen. Nun sagen Sie doch aber nicht tatsächlich, dass man jetzt die Verwaltungsreform durchführt und dann schauen wir mal, wenn wir fertig sind, wenn wir fertige Strukturen haben, was wir dann noch alles machen können. Es macht doch gerade Sinn, wenn ich jetzt in die Verwaltungsreform hineingehe, wenn ich jetzt über die Funktion, über die Aufgabenwahrnehmung rede, auch darüber zu diskutieren, mit welcher Qualität Verwaltung in Thüringen tatsächlich zukünftig arbeiten soll. Da ist Transparenz eben ein Grundsatz und deswegen ja, es ist eine große Herausforderung, aber es ist ein qualitatives Ziel, was wir hierbei haben. Wir sehen da auch die Beamten, die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung an unserer Seite, diesen Paradigmenwechsel mitzutragen, weil sie ein eigenes Interesse haben, dass Verwaltung auch in Thüringen funktioniert, bürgernah und rechtssicher Anwendung findet.


Das vierte Argument, was Sie gesagt haben, sind die Kosten. Frau Marx ist schon darauf eingegangen, ich will Ihnen aber zumindest auch mal Beispielkosten sagen. Dann muss man ja sagen, welcher Gewinn da auf der anderen Seite steht. Natürlich gehört zur Gesetzeserarbeitung auch eine Kostenfolgeabschätzung dazu, die wir dann noch hier gemeinsam diskutieren, aber wir haben ja auch Erfahrungen aus anderen Bundesländern, die man halt auch richtig zur Anwendung bringen muss, Frau Marx hat darauf hingewiesen. Die Hansestadt Hamburg hatte Einrichtungskosten oder Errichtungskosten für das Transparenzregister von etwa 5 Millionen Euro und die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf etwa 1,4 Millionen Euro. Ich gehe davon aus, ohne dass Sie mich möglicherweise in ein, zwei Jahren – Herr Schubert guckt schon ganz angespannt – da auf diese Zahlen festnageln, dass wir uns in diesem Bereich bewegen. Wir werden aber, wenn wir diese Funktional- und Verwaltungsreform durchführen und gleichzeitig auch Schritte zur stärkeren Entwicklung des E-Governments gehen, natürlich auch in diesen Bereich der Kommunikationstechnik investieren müssen. Es wäre doch verrückt, gerade diese Synergieeffekte, die sich da eröffnen, nicht zu nutzen, die sich ja nicht nur praktisch im Umgang der Bürgerinnen und Bürger mit der Verwaltung eröffnen, sondern auch in der Kommunikation verschiedener Verwaltungsebenen und verschiedener Verwaltungsstrukturen, die – und das zeigen die Erfahrungen aus Hamburg und auch aus Rheinland-Pfalz – eigentlich die ersten Nutznießer und Nutzerinnen des Informationsregisters sind. Das heißt, es finden auch im Prinzip Reduzierungen von Transaktionskosten innerhalb der Verwaltung statt. Ich bin mir auch sicher, dass wir eine Kostenreduzierung auf der Seite kriegen, weil Bürgerinnen tatsächlich früh in Entscheidungsprozesse eingebunden sein können, Informationen bekommen und dadurch möglicherweise auch Rechtsauseinandersetzungen vermieden werden. Deswegen, diskutieren Sie sachlich über die Kosten, bringen Sie den Gesetzentwurf insofern mit auf den Weg, dass wir die Möglichkeit eröffnen, genau darüber zu diskutieren, auch über die Kostenfolgeabschätzung.


Dann sagen Sie an fünfter Stelle, wir wollen die Menschen immer nur scheinheilig beteiligen wie bei der Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Sie stellen sich hier vorn immer hin und sagen, wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung und dann kommt ein konkreter Vorschlag, der es wirklich fassbar macht, wie Bürgerbeteiligung aussehen kann, der Ihnen konkrete Zahlen, der Hürden nennt, der ein konkretes Verfahren beschreibt wie beispielsweise beim Gesetz über Einwohnerbegehren und Einwohnerentscheid auf kommunaler Ebener oder wie hier bei der Transparenz, wenn es dann immer konkret wird, dann ziehen Sie sich zurück und sagen, ja, so genau haben wir das vielleicht gar nicht so gemeint. Da wird es wirklich offensichtlich, dass die Bürgerbeteiligung tatsächlich für Sie nur ein Instrumentarium der politischen Auseinandersetzung ist, denn immer dann, wenn es konkret wird, ziehen Sie sich zurück und verweigern sich. Da sage ich Ihnen, nehmen Sie Ihr eigenes Argument mal ernst und setzen Sie sich nicht dem Vorwurf der Scheinheiligkeit aus und bringen Sie heute mit Ihrer Zustimmung das Transparenzgesetz mit auf den Weg, weil das eine, aber tatsächlich eben auch nur eine Voraussetzung für Bürgerbeteiligung ist, denn wenn wir – und da sage ich es noch einmal und dann wiederhole ich, was Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt haben – Bürger tatsächlich befähigen wollen, Entscheidungen zu treffen, setzt das voraus, dass sie die Sachinformationen haben, diese abwägen können und dann vor dieser Abwägung auch im Zusammenspiel mit ihren eigenen Wertevorstellungen eine sachgerechte Entscheidung treffen können.


Als letztes Argument haben Sie gesagt, man darf nicht immer den zweiten vor dem ersten Schritt gehen. Meine Damen und Herren, auch das Argument habe ich jetzt in den letzten Wochen so oft gehört und ich frage mich immer, ob das einfach so eine Definitionsschwäche Ihrer Fraktionen ist. Sie definieren einfach den ersten zum zweiten Schritt und begründen damit, dass Sie auf der Stelle stehen bleiben.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, das wird es mit dieser Regierung und mit dieser Koalition aus SPD, Linke und Grüne nicht geben. Es ist tatsächlich ein Standardwechsel, es ist ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Transparenz, hin zu mehr Bürgerbeteiligung, hin zu mehr Partizipation und damit auch ein Stück weit ein Beitrag, um der Politikverdrossenheit, aber auch der Stimmungsmache von rechts etwas entgegenzusetzen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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