Stärkung der Thüringer Regelschule als lebenswelt- und berufsorientierte Schulform

Torsten Wolf

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/7088

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, erst einmal vielen Dank für die ehrlichen und auch für die klaren Worte von Frau Finanzministerin heute Morgen. Ich sehe das genauso.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich sehe das absolut genauso. Wir hätten uns viele Probleme in Thüringen ersparen können, auch gerade das, was wir heute Morgen diskutiert haben – das ging ja in die Richtung –, wenn wir unseren Weg hier in Thüringen gegangen wären und nicht den rheinland-pfälzischen Weg, wie er von der CDU in den 90er-Jahren hier nach Thüringen gebracht worden ist. Und das heißt ganz eindeutig längeres gemeinsames Lernen, so wie wir das erfolgreich hier schon hatten und wieder haben. Und zum Glück entscheiden sich die Eltern und die Schulen zunehmend auch wieder für diesen Weg und nicht dieses Sortieren in der Klassenstufe 4, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in die Regelschule.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Quatsch!)

 

Genau diesen Duktus strahlt auch Ihr Antrag aus, sehr geehrter Herr Kollege Tischner, denn Sie wollen eigentlich das Richtige, nämlich eine Differenzierung, aber eben nicht eine Differenzierung in einer einheitlichen Schule, in einer Gemeinschaftsschule.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU)

 

So nennen Sie das ja, wir sagen ganz klar, es ist eine Gemeinschaftsschule, es ist längeres gemeinsames Lernen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir wollen, dass jeder Schüler und jede Schülerin tatsächlich den eigenen Bildungsweg findet und wir wissen auch aus Studien, wir wissen aus Erfahrung, dass bei manchen Schülerinnen und Schülern die Orientierung eben etwas später erfolgt und deswegen ist die Gemeinschaftsschule für uns die richtige. Deswegen unter anderem ist auch Ihr Antrag entbehrlich.

 

Er ist aber auch entbehrlich, weil er schlicht und einfach Elemente enthält, wo Sie bei uns abgeschrieben –

 

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Sie wollen das nicht! Also einfach weg damit!)

 

hören Sie uns doch einfach mal zu, Herr Landwirtschafts- und Forstexperte, da können Sie doch sicherlich was von lernen –, weil Sie von unserer Realpolitik abgeschrieben haben. Sachen, die wir schon längst auf Gesetzesebene geregelt haben, bringen Sie in Ihren Antrag ein und

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

spielen hier den Wählerinnen und den Wählern im Wahljahr etwas vor, dass das nun von Ihnen stammt. Das ist völlig entbehrlich. Wir haben heute Morgen – und dieses Gesetzgebungsverfahren läuft ja schon, es läuft ja schon ein halbes Jahr –

 

(Unruhe CDU)

 

als zweiten Schritt die bessere Besoldung, die bessere Bezahlung der Regelschullehrer beschlossen. In Ihrem Antrag lese ich unter Punkt 16, dass Sie das unbedingt wollen. Das ist ja eine ganz neue Herangehensweise, dass wir Anträge formulieren – und das hat nichts damit zu tun, dass das jetzt im dritten Plenum erst dran kommt.

 

(Unruhe CDU)

 

Wie gesagt, wir haben dieses Verfahren schon lange laufen. Sie wollen zum Beispiel, dass die Schulsozialarbeit gestärkt wird. Wir haben das im Haushalt 2020 gemacht und – ich erinnere mich mal, stimmt – die CDU hat es abgelehnt. Nicht nur den gesamten Haushalt, nein, auch im Ausschuss hat sie genau diesen Punkt abgelehnt, Stärkung der Schulsozialarbeit, unisono. Also, was wollen Sie denn mit Ihrem Antrag? Sie wollen mit diesem Antrag, dass wir Ihnen hier zugestehen, dass Ganztagsangebote ausgeweitet werden. Ganztagsangebote stehen erstens über Stellen im Haushalt, den sie, wie gesagt, abgelehnt haben.

 

(Unruhe CDU)

 

Aber vor allen Dingen haben wir – hören sie bitte zu, Herr Ausschussvorsitzender des Bildungsausschusses – mit § 10 des neuen Schulgesetzes – das Sie abgelehnt haben, keinen Änderungsantrag – die Qualitätskriterien für die Ganztagsschulen festgeschrieben. Ja, es ist schon wirklich richtig peinlich, da kann man nur den Kopf senken, Herr Tischner, ich kann verstehen, dass Ihnen das peinlich ist, was Sie hier vorgelegt haben, nicht nur in der Qualität, sondern insbesondere auch im Ductus.

 

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Hoffentlich hören es die Kollegen!)

 

Ja, das hoffe ich auch, dass sie das hören, denn das ist auch eine Art Bilanz unserer Bildungspolitik. Das, was Sie vorgelegt haben, ist eine Schambilanz.

Sie wollen unter anderem in Punkt 5 a, dass die Anschlussfähigkeit zu anderen Schulformen und dem Berufsleben besteht. Das ist im Schulgesetz enthalten, da hätten Sie gern zustimmen können. Im Punkt 5 b wollen Sie Praxisklassen stärken. Das ist in § 6 Abs. 5 Schulgesetz enthalten. Da hätten Sie gern zustimmen können. Sie wollen in Punkt 5 e, dass die Anspruchsebenen abgedeckt sind. Eine weitere Differenzierung führt aber nach Ihren Vorstellungen de facto die Regelschule zu einer Gemeinschaftsschule. Darüber können wir gern reden, nur nicht im Ausschuss. Aber vielleicht können Sie sich ja auch irgendwann mal dazu bekennen, dass zu einer klugen Schulpolitik, zu einer klugen Bildungspolitik eben mehr gehört, als nur die Schere im Kopf, das gegliederte Schulsystem unbedingt beizubehalten

 

(Beifall DIE LINKE)

 

und das in solchen Anträgen dann auch noch aufzuwerten.

 

Sie wollen – und da stimmen wir im Übrigen mit Ihnen überein – die Berufsorientierung stärken. Ja, hätten Sie mal dem Schulgesetz zugestimmt, § 47a, berufliche und arbeitsweltliche Orientierung in den Lehrplänen. Wo wir uns unterscheiden, Kollege Tischner, ist, Sie wollen es eben nur an den Regelschulen. Wissen Sie, was Ihnen die Kammern in der Anhörung zum Schulgesetz am 07.02. gesagt haben? Das sie das für den ganz falschen Weg halten, denn auch die Schülerinnen und Schüler, die am Gymnasium sind, brauchen eine Berufsorientierung, denn wir wissen natürlich, dass viele danach einen dualen Bildungsweg gehen, also in eine duale Ausbildung. Wir wissen, dass viele ihr Studium abbrechen und danach in die Berufsausbildung einmünden. Deswegen wünschen sich die Kammern ausdrücklich – und da sind wir auch auf die Kammern eingegangen – eine Berufsorientierung an allen Schulen in den Lehrplänen. Genau das haben wir gemacht. Sie fallen hier hinter den Interessen und den Forderungen auch der Wirtschaft zurück, was Schul- und Bildungspolitik anbetrifft.

 

Da wir verkürzte Redezeit haben, will ich es auch nicht noch weiter ausdehnen. Ich sage nur: Ihr Antrag ist vollständig entbehrlich, kommt definitiv zu spät und peinlicherweise übernimmt er zu zwei Dritteln Forderungen, die wir in Gesetzes- und Verordnungsform schon längst abgearbeitet haben. Vielen Dank für nichts.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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