Solidarität ist keine Einbahnstraße: Asylbewerber in Thüringen zu gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten verpflichten

Katharina König-Preuss

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion CDU - Drucksache 7/9610

 

Sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen auf der Tribüne und am Livestream, als Allererstes, wenn es darum geht, man müsse der Solidargemeinschaft etwas zurückgeben: Ich glaube, lassen Sie uns mal anfangen, dann an der Stelle vielleicht über Steuerhinterziehung zu sprechen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Da gehen nämlich jährlich Milliarden verloren, mit denen übrigens sehr viel auch finanziert werden könnte. Vielleicht können wir ja auch darüber mal ins Gespräch kommen. Aber ich ahne, dass das nicht so im Interesse der FDP ist, da auch zu versuchen, stärker dagegen vorzugehen, weil es gegebenenfalls die eigenen Leute treffen könnte.

 

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Das sind doch nur Vorurteile!)

 

Zum Antrag der CDU …

 

(Unruhe Gruppe der FDP)

 

Ich mag das immer – für Sie auf der Tribüne –, das ist immer herrlich, wenn Frauen vorn stehen, fangen die Männer an, sofort in den Widerspruch zu gehen, weil sie es nicht gewohnt sind in ihrem Alltag, dass Frauen in den Widerspruch gehen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Es liegt eine Aktuelle Stunde der CDU vor. Ich muss als Erstes sagen, es ist ein Missbrauch des Wortes „Solidarität“, was Sie hier mit dieser Aktuellen Stunde heute vorlegen. Im freundlichsten Sinne könnte ich Ihnen noch unterstellen, dass Sie einfach keine Ahnung haben, was Solidarität ist, gemessen daran, was Sie in Ihrer Aktuellen Stunde hier dazu formulieren, und will – da ich davon ausgehe, dass das so ist und Sie einfach keine Ahnung haben – Ihnen mal ganz kurz rübergeben, was unter Solidarität verstanden wird, nämlich Zusammengehörigkeit – wird aus Ihrer Aktuellen Stunde und auch aus Ihrer Rede an keiner Stelle deutlich, sondern eher wird deutlich, dass Sie grundsätzlich Menschen, die hierher fliehen, misstrauen und deswegen diesen Menschen mit entsprechenden Pflichten, Zwängen, Kürzungen oder eben auch Unterstellungen, die teils dann auch sehr eng an das andocken, was von der rassistischen Partei hier rechts außen kommt, mit formulieren.

 

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Das sind Unterstellungen!)

 

„Solidarität“ heißt auch, gegen Vereinzelung vorzugehen. „Solidarität“ heißt gegenseitige Unterstützung, Rücksichtnahme, auch wenn sich dadurch kein eigener Vorteil ergibt, und steht unter anderem für ein unbedingtes Zusammenhalten aufgrund gleicher Anschauung und Ziele. Ich unterstelle, dass das an keiner Stelle mit Ihrer Aktuellen Stunde heute hier gemeint, gefordert und gewollt ist, will aber darauf hinweisen, dass Strukturen, die in unserer Gesellschaft sehr deutlich für Solidarität stehen, wie beispielsweise der Deutsche Gewerkschaftsbund, aber auch die PARITÄT sich sehr deutlich zu dieser Arbeitspflicht, verbunden mit entsprechenden Kürzungen, verhalten haben. Die sagen nämlich unter anderem – Beispiel Deutscher Gewerkschaftsbund –: 1. Der extrem Rechten gräbt man das Wasser nicht ab, indem man ihre rassistischen Vorurteile bedient.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

2. Das ist schäbig, menschenverachtend und schadet unserer Demokratie. 3. Stattdessen müssen Hürden weg, die Geflüchteten den Zugang zu guter Arbeit versperren.

 

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Wir wenden Gesetze nicht an, die …!)

 

Ich will es aber auch an einer anderen Stelle – nämlich der Sozialverband VDK hat erklärt: „Wir lehnen den Vorschlag ab, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten“, sagte die VDK-Präsidentin. Die eigentliche Herausforderung sei nämlich, die Menschen in sozialversicherungspflichtige Jobs zu bringen. Das, übrigens, sagt in ähnlicher Form auch der Gemeinde- und Städtebund. Und da frage ich mich, an welcher Stelle Sie überhaupt noch auf das hören, was aus der Gesellschaft von entsprechenden Strukturen, aber auch von Wissenschaftlern geäußert wird, denn Wissenschaftler, die Studien durchgeführt haben, sagen ganz klar, diese Pflicht zu diesen 80-Cent-Jobs – ich weiß gar nicht, wie man die nennen soll – führt eher dazu, dass die Leute nicht in originäre Arbeitsverhältnisse kommen, dass sie weniger gut die deutsche Sprache lernen, dass das, was eigentlich das Ziel sein sollte …

 

(Unruhe CDU)

 

Meine Güte, diese Männer, die nie zuhören können, sind wirklich eine Herausforderung, aber die stehe ich durch, gar kein Problem.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Studien sagen, dass das eben nicht dazu führt, dass man besser in normale Arbeitsverhältnisse kommt. Und was eigentlich notwendig wäre, wäre, die Arbeitsverbote für Geflüchtete aufzuheben, weil, die absolute Mehrheit der Geflüchteten will arbeiten, die absolute Mehrheit der Geflüchteten will für sich selber sorgen, die absolute Mehrheit der Geflüchteten will Teil dieser Gesellschaft sein. Wir hindern sie allerdings daran. Wir hindern sie daran mit einer Gesetzgebung aus der Bundesebene – das muss man an der Stelle auch mal Grünen, SPD und FDP sagen. Das ist keine progressive und keine Geflüchteten entgegenkommende Gesetzgebung, sondern es ist eine Verhinderungsgesetzgebung. Wir hindern noch mehr mit derartigen Aktuellen Stunden oder auch Anträgen, wie sie heute hier vorliegen, die am Ende zu nichts anderem führen, als zur Spaltung dieser Gesellschaft beizutragen. Und Spaltung ist das absolute Gegenteil von Solidarität. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE)

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