Situation von Älteren auf dem Arbeitsmarkt

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1415 -


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch ich bedanke mich für das Berichtsersuchen, für den Sofortbericht und auch für die Diskussion, die doch gezeigt hat, dass es ein Thema ist, dem wir uns stellen müssen. Wir bewegen uns in dem Spannungsfeld, einerseits Fachkräfte zu brauchen, andererseits erleben wir aber auch, dass ältere Arbeitnehmer immer früher in Rente geschickt werden und auf der anderen Seite soll das Rentenalter auch hochgesetzt werden. Wir haben ganz aktuell den Bericht, diese Ergebnisse der dritten Welle des Deutschen Altersberichts zur Kenntnis genommen. Der DGB hat dort gesagt, dass die Zahlen des Bundesfamilienministeriums zum Renteneintrittsalter als Schönfärberei bezeichnet werden müssen. Fakt ist - und ich will nur die eine Zahl hier noch mal wiederholen -, dass nur ein Viertel der 60- bis 65-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und dass sich die Zahl derjenigen, die mit Abschlägen in Rente gehen, in den letzten Jahren auf das 30-fache, nämlich auf 46,6 Prozent, erhöht hat. Die durchschnittliche Höhe der Abschläge beträgt 115 € und das ist nahezu eine Verdopplung. Wenn das gesetzliche Rentenalter hochgehoben werden würde, dann würde es natürlich noch höhere Abschläge geben und höhere Abschläge heißt schlicht und ergreifend Rentenkürzung. Deshalb, auch das wollten wir heute hier noch einmal so deutlich sagen, muss die Rente mit 67 weg.


(Beifall DIE LINKE)


Wir bitten auch und fordern ganz klar die SPD auf, sich dem zu stellen und der Erkenntnisprozess, der ja offensichtlich vonstatten geht, dem auch Taten folgen zu lassen. Ein Trend ist auch noch festzustellen und dieser Punkt ist noch nicht angesprochen worden, deshalb möchte ich das hier noch einmal tun, denn je länger Menschen arbeiten und viele, das wissen wir, sind in prekärer Beschäftigung, um so weniger Rente bekommt man. Ob man nun früher in Rente geht oder nicht, auch wenn man bis zum gesetzlichen Rentenalter noch tätig ist. Ich will das an einem Beispiel sagen. Ich habe neulich eine gute Bekannte getroffen, mein Alter, war zur Wende knapp über 30, hat in einem Betrieb gearbeitet - dort bis 1999 noch und dann so das klassische Beispiel: Verlust der Arbeit, über mehrere Geringverdienerjobs sich durchgeschlagen. Sie bekommt ja jedes Jahr den Rentenbescheid zugeschickt mit dem zu erwartenden Rentenanspruch. Da wird deutlich, dass allein in den letzten zehn Jahren dieser Rentenanspruch um 156 € gesunken ist. Wenn dieser Prozess sich fortsetzt, setzt eben auch persönlicher Abschwung sich fort und so geht es vielen, besonders Frauen. Ich glaube, das sollte man einfach mit zur Kenntnis nehmen. Deswegen muss man hier auch ganz klar sagen, prekäre Beschäftigung gerade auch der Älteren schafft eben letztendlich Altersarmut. Ich will auch hier noch einmal die Forderung ganz klar sagen: tarifgerechte Entlohnung und flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn könnten dem entgegensteuern.


(Beifall DIE LINKE)


Also einerseits zielt unser Antrag individuell auf gute Arbeit für den Einzelnen und andererseits - die Zahl ist genannt worden -


(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wie immer.)


brauchen wir Fachkräfte, weil wir bis zum Jahr 2030 ein Drittel des vorhandenen Fachkräftepotentials verlieren, 80.000 bis 2015, die Zahl hat der Staatssekretär genannt. Instrumente, was man da tun kann, die gibt es in Thüringen. Das ist nicht die Frage, aber die Frage ist und darüber muss wirklich diskutiert werden, wie die besser genutzt werden beispielsweise mit dem schon angesprochenen Bundesprogramm „Perspektive 50 plus“. Meine Kollegin Karola Stange hatte kürzlich eine Kleine Anfrage genau zu diesem Thema gestellt. Das, was dort als Antwort rüberkam, das war also nichtssagend. Auch mit dem hier mehrfach zitierten Aktionsprogramm Fachkräftesicherung und Qualifizierung, meine Damen und Herren, sind wir so in dieser Formulierung nicht einverstanden, weil es halbherzig und viel zu allgemein ist. Ich glaube, Allgemeinplätze helfen uns nicht,


(Beifall DIE LINKE)


denn die Realität sieht eben anders aus, wenn man sich die Weiterbildung in den Unternehmen in den letzten Jahren anschaut und übrigens auch die Chance für Weiterbildung gerade auch im Rahmen der Kurzarbeit in Krisenzeiten. Dort hat nur ein Drittel der Unternehmen überhaupt diese Weiterbildungsmöglichkeiten genutzt und in dem IAB-Betriebspanel, in der Untersuchung, steht ganz konkret drin, dass die Weiterbildungsquote der Beschäftigten in Thüringer Unternehmen sich verringert hat, nämlich von 33 Prozent in 2008 auf 26 Prozent in 2009. Das zeugt eigentlich davon, dass man dem eben nicht Rechnung trägt. Unsere Aufforderung geht hier an dieser Stelle auch insbesondere an die Thüringer Wirtschaft. Wer Fachkräfte braucht, muss sie ausbilden bzw. die Fachleute, die da sind, entsprechend qualifizieren und weiterbilden. Der Herr Kemmerich hat ja hier gesagt, es wird alles getan. Aber ich glaube, die Realität sieht ein bisschen anders aus. Richtig ist auch und das stellen wir ja auch nicht in Abrede, dass natürlich mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit von Menschen nachlässt. Das betrifft uns ja alle. Das rechtfertigt aber immer noch keine Altersdiskriminierung. Es ist ja heute auch bekannt, dass es für viele Beschäftigungsgruppen unter den gegenwärtig herrschenden Arbeitsbedingungen gar nicht möglich ist, bis zum 65., geschweige denn bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten. Hinzu kommt die Tatsache, dass ja von vornherein die Nachfrage nach älteren Arbeitskräften oder Menschen mit Handicaps sehr gering ist. Bei den noch aktiven abhängig Beschäftigten ist ca. ein Drittel der Meinung, in der derzeitigen Tätigkeit angesichts der Arbeitsbedingungen und auch ihres Gesundheitszustands nicht mehr bis zum Rentenalter durchhalten zu können. Angst, das kann man heute auch in der Presse nachlesen, denn da gibt es eine Studie zu Zukunftsängsten, steht bei vielen ganz oben. Klar ist auch, dass natürlich die Fragen nach den Arbeitsbedingungen und dem Gesundheitsschutz hier verbessert werden müssen.


Wenn gesagt wird, man weiß die Gründe nicht so genau, die dazu führen, die letzte Tätigkeit vorzeitig zu beenden und in Rente zu gehen, dann ist das nicht ganz richtig. Der 3. Monitoringbericht des Netzwerkes ist für eine gerechte Rente, hat ganz konkret benannt, dass gesundheitliche Gründe 23 Prozent umfassen, Entlassungen immerhin 21 Prozent, Vorruhestandsreglungen und derzeitiger Renteneintritt nach Arbeitslosigkeit jeweils 15 Prozent und Betreuungsverpflichtung in der Familie 13 Prozent. Ich komme zu einem letzten Punkt, den ich hier noch einmal ansprechen möchte. Sie haben ja gesagt, dass insbesondere auch der Punkt 3 im Grunde genommen mit dieser Situation gar nichts zu tun hat, also Arbeitsprogramme. Ich glaube schon, dass arbeitsmarktpolitische Instrumente hier eine Rolle spielen. Ich will das noch einmal an einer Zahl deutlich machen. Der Abgeordnete Baumann hat gesagt, dass der Anteil arbeitsloser Älterer deutlich gesunken ist. Herr Baumann, das stimmt ganz sicher, aber immerhin sind in Thüringen im August 2010 37.970, also fast 38.000 Personen im Alter über 50 Jahre arbeitslos. Das sind 35 Prozent der Arbeitslosen. 35 Prozent sind älter als 50! Von denen wiederum sind über 20.000 in Hartz IV. Jetzt sage ich: Wenn wir das Landesarbeitsmarktprogramm nehmen mit 3.500 zu schaffenden Arbeitsplätzen, von denen ja 1.000 in das Programm „Familie“ gehören, dann ist das Verhältnis zu 20.000 älteren Arbeitslosen zu beachten. Ich weiß, es ist auch eine Frage des Geldes, und sage nicht, dass wir es aufstocken müssen. Ich sage, dass wir das nutzen müssen. Wenn ich dann von der FDP und der Industrie- und Handelskammer in Südthüringen höre, das brauchen wir alles nicht mehr, dass können wir streichen, dann muss ich Ihnen an der Stelle sagen, insbesondere im Namen der Langzeitarbeitslosen und vor allem auch der älteren Arbeitnehmer: Hände weg von diesem Landesarbeitsprogramm!


(Beifall DIE LINKE)


Also, wenn Sie das in der Haushaltsdiskussion zur Disposition stellen, meine Damen und Herren …


(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Machen wir, da können Sie sich darauf verlassen.)


Das haben Sie ja schon gesagt und ich zweifle da überhaupt nicht dran. Aber dann sparen Sie sich ihre scheinheiligen Worte


(Beifall DIE LINKE)


vom würdigen Übergang in Rente und dass die bis zum Schluss arbeiten sollen. Das hat was damit zu tun. Die Leute sind alle raus, die haben panische Angst, wenn sie mit Mitte 50, in dem Alter, in dem sich hier viele - auch ich - befinden, einfach nur noch eine Perspektive zu haben, die Hartz IV heißt. Das kann nicht sein und ich glaube, dem kann man gegensteuern, dem muss man hier auch gegensteuern. Wir hätten das natürlich gern auch noch ein bisschen mehr, aber das ist nicht die Frage. Wir sagen: Wenigstens das, was hier aufgenommen wurde, was jetzt gerade anfängt in den Landkreisen umgesetzt zu werden, das muss man nutzen. Da kann man nicht schon wieder sagen, das gehört abgeschafft. Das ist unsere Position dazu. Ansonsten, denke ich, kann man nach der Diskussion das heute hier abstimmen. Das Berichtsersuchen betrachten wir auch als erfüllt. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE)

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