Siebtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes – Einführung der paritätischen Quotierung 2/2

Anja Müller

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6964

 

Dass dieser Gesetzentwurf für Spannung oder für Diskussionsfreude sorgt, das haben wir uns gedacht, aber dass so eine Partei am Anfang schon ihr Frauenbild deutlich zur Kenntnis bringt, das hat mich noch mal erschreckt. Ja, man sieht es an Ihrer Partei, Herr Höcke, Stadtratsliste der AfD Erfurt, ich glaube, 14 Kandidierende, davon eine Frau ganz weit hinten. Das zeigt doch, wie notwendig es ist, dass wir Frauen stärker in die Parlamente oder Parteien dazu bringen sollten,

 

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist doch so! Sie, Frau Herold, kommen ja auch fast nie zum Stadtrat!)

 

dieses stärker anzugehen.

 

Noch mal etwas zur Thüringer Verfassung. Darin steht – ich wiederhole es gern noch mal –: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern.“ Das ist Auftrag an uns alle. Dass nun nicht jeder eine Clara Zetkin wird, das weiß ich auch, aber das Parlament soll sich mit der Gleichberechtigung der Frauen auch in dieser Legislatur beschäftigen und da ist das Paritätsgesetz ein Einstieg.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bekanntermaßen ist so ziemlich die Hälfte der Erdbevölkerung, also auch der Bevölkerung in Thüringen, Frauen. Durch Abwanderung kann sich das manchmal zeitweise verschieben. Das haben wir alle erlebt. So gab es eine Zeit lang auch in Regionen in Thüringen einen leichten Männerüberschuss, da uns die jungen, qualifizierten Frauen verlassen haben. Dass Frauen immer noch in unserer Gesellschaft benachteiligt sind, brauche ich wenige Tage nach dem jährlichen Equal Pay Day – den Sie alle verfolgt haben, das habe ich eben mitbekommen – nicht weiter zu vertiefen. In vielen Gremien, auch hier in Aufsichtsräten und Einrichtungen, sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Das hat dann nicht nur seine Ursache in familienunfreundlichen Arbeitsabläufen.

 

Für den Thüringer Landtag sieht die Frauenrepräsentanz ganz gut aus – über 40 Prozent. Dann könnte man provokant sagen: Wozu brauchen wir es dann? Wir brauchen es, weil es im Moment daran liegt, dass wir drei wunderbare Parteien im Thüringer Landtag vertreten haben, die diese Listenaufstellung schon paritätisch besetzen. Daran liegt das und nicht daran, dass Frauen aus Ihren Reihen irgendwie einen vorderen Listenplatz bekommen haben.

 

Nach Artikel 2 der Thüringer Verfassung – das habe ich eben schon gesagt –, der in diesem Punkt einer langjährigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und Verfassungsgerichten folgt, dürfen Frauenfördermaßnahmen ergriffen werden, solange noch eine gesellschaftliche Diskriminierung bzw. Schlechterstellung von Frauen besteht. Das ist die verfassungsrechtliche Begründung für eine gesetzliche Quotierung. Gesellschaftspolitisch soll sie ein Hebel sein – auch bei Parteien, die der Gleichstellung von Frauen bisher nicht so offen gegenüberstehen. Der Gesetzentwurf ist nach Ansicht unserer Fraktion ein wichtiger Einstieg; das hat auch Herr Adams eben schon mal gesagt. Und ja, langfristig sollten und müssen wir vielleicht auch über eine Quotierung der Wahlkreismandate nachdenken.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Das wäre dann eine ganz große Lösung. Doch jeder Reformweg beginnt mit vielen kleinen einzelnen Schritten. Natürlich ist es eine berechtigte Frage, ob nicht auch Quoten für andere Bevölkerungsgruppen wie Migrantinnen oder behinderte Menschen ins Auge gefasst werden müssen, wenn es um die Beseitigung von sozialer Diskriminierung und von Unterrepräsentanz geht. Außerdem müssen wir auch über eine Schutzklausel für Parteien zur verfassungsrechtlichen Prüfung diskutieren, die aus programmatischen Gründen nicht quotieren wollen, weil es vielleicht reine Frauen- oder reine Männerparteien sind. Aber – wie eben schon erwähnt – es ist als ein erster Baustein und Instrument für mehr Geschlechterparität geformt, nicht aber als fundamental feministisches gesetzliches Zwangswerkzeug. Das würde in solcher Zuspitzung auch zum verfassungsrechtlichen Crash führen.

 

Uns als Linkefraktion ist bewusst, dass die Quotierung – wie gesagt – ein kleiner Schritt der Emanzipation ist, aber kein Allheilmittel, schon gar nicht das alleinige. Für eine emanzipierte und emanzipatorische Gesellschaft braucht es viele unterschiedliche Schritte. Und es geht bei einer solchen um möglichst große Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der auf einzelne Personen zielenden Gesellschaft, nicht nur um die Emanzipation im Verhältnis der Frauen zu den Männern. Doch – wie gesagt – der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein und er sollte und muss in den Ausschüssen diskutiert werden, auch mit einer öffentlichen Anhörung. Daher beantrage ich die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss als federführenden Ausschuss, an den Gleichstellungsausschuss und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.

 

Ich will zum Schluss noch mal sagen: Wir haben alle die Festlichkeiten zu „100 Jahre Weimarer Verfassung“ erleben dürfen, wir haben die Feierlichkeiten im Deutschen Bundestag dazu verfolgen können. Dort hat die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth aufgerufen: Ja, wir brauchen ein Paritätsgesetz. Von daher lade ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, gern zur Diskussion dazu ein und ich würde mich über Ihre Vorschläge richtig freuen. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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