Siebtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1759 -


Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zunächst auf Herrn Gumprecht erwidern. Er hat ein transparentes Verfahren angekündigt für den Innenausschuss. Wir hätten uns gewünscht, dass die CDU und SPD den gleichen Mut gehabt hätten, den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und LINKEN in ähnlicher Art und Weise zu behandeln,


(Beifall DIE LINKE)


und sich dort nicht einer mündlichen Anhörung verweigert. Ja, und wenn die Landesregierung etwas mehr auf die Tube gedrückt hätte, hätten wir beide Gesetzentwürfe gemeinsam beraten können, denn Sie hatten mehr als drei Jahre Zeit. Das ist jetzt kein Vorwurf an Sie, Herr Prof. Huber, aber an Ihre Vorgänger. Sie sind aber dort in Rechtsnachfolge.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Hey hat hier formuliert - wie auch andere Redner -, die Einnahmegrundsätze aus der Thüringer Kommunalordnung wären das Korsett, an dem wir uns auch im Bereich der Kommunalabgaben, insbesondere der Ausbaubeiträge, orientieren müssten. Da gebe ich nur zu bedenken, dass es inzwischen in Europa zu diesen Einnahmegrundsätzen modernere Auffassungen gibt, als sie in unserer Kommunalordnung enthalten sind. Ich will Ihnen das an dem Beispiel verdeutlichen, ich verweise auf diese moderneren Regeln. Die gibt es auch in der Bundesrepublik, im Saarland beispielsweise, in Sachsen durch die Rechtssprechung, in Baden-Württemberg, in Hamburg und Bremen. Die haben sich inzwischen davon verabschiedet, dass es sich beim Beitrag um ein spezielles Entgelt handelt, das nach den Einnahmegrundsätzen vorrangig vor Steuern und Krediten zu erheben ist. Insbesondere der Vorteilsbegriff, der hier durch Herrn Bergner schon mal thematisiert wurde, entspricht den modernen Anforderungen überhaupt nicht mehr.


Der Vorteilsbegriff ist durch drei Kriterien gekennzeichnet. Das sind die Dauerhaftigkeit, die Grundstücksbezogenheit und die Gebrauchswertkomponente. Sowohl beim Abwasser als auch bei der Straße treffen diese drei Kriterien nicht mehr allumfänglich zu. Beim Abwasser kann man sicherlich von der Dauerhaftigkeit ausgehen, da es sich aber um ein Leitungssystem handelt, ist schon die Grundstücksbezogenheit nur noch ganz abstrakt herstellbar. Auch hinsichtlich des Gebrauchswerts ist sehr stark zu differenzieren. Bei der Straße wird es noch offensichtlicher. Dort ist die Grundstücksbezogenheit aufgrund der Mobilitätsentwicklung der letzten 100 Jahre nicht mehr für das einzelne Grundstück herstellbar. Ich kann vor meinem Grundstück eine noch so tolle Straße haben, wenn ich keinen Anschluss an das überregionale Straßennetz habe, entfaltet das im Grunde genommen kein Vorteil, so dass die Grundstücksbezogenheit nicht mehr gegeben ist. Und was dort die Gebrauchswertkomponente angeht, dann verweise ich noch mal auf das Thüringer Baurecht. Gehen Sie zur Baubehörde für ein Bestandsgrundstück, das also schon wirtschaftlich oder baulich genutzt wird im unbeplanten Innenbereich, stellen Sie einen Bauantrag, dann prüft die Baubehörde viel aber nicht den Zustand der Straße. Dort unterstellt sie, die Straße ist durch die Widmung und Vergabe einer Hausnummer vorhanden und nutzbar.


Das ist nicht mehr zeitgemäß, insofern hätten wir uns gewünscht, dass sich die Landesregierung und der Innenminister aus einem Rechtskonstrukt des 19. Jahrhunderts verabschiedet und endlich im 21. Jahrhundert ankommt.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bürger dürfen jetzt mit diskutieren, darauf wurde verwiesen, das ist eine neue Qualität. Aber die Bürger wünschen sich nicht nur das Mitdiskutieren, sondern sie wünschen sich das Mitentscheiden. Dieser zweite Schritt ist bisher versäumt worden, sie können zwar Anregungen vorbringen, aber es ändert sich nichts. Da teilen sie das Schicksal der Kommunalen Spitzenverbände, die dürfen auch viel sagen und wenn es der Landesregierung ins Konzept passt, werden die Spitzenverbände gehört und wenn es ihnen nicht in den Kram passt, dann sind die Hinweise und Anregungen der Kommunalen Spitzenverbände nichts mehr wert.


Sie haben drei Anforderungen an Ihr Gesetz selbst formuliert, bürgerfreundlich, juristisch einwandfrei und bezahlbar. Bürgerfreundlich - die Entscheidung überlassen wir mal dem Bürger, da ist es immer schwierig, wenn wir als Politiker selbst dort den Maßstab setzen wollen, da kommen wir mit den Bürgern ins Gespräch. Juristisch einwandfrei - die Versuche sind bisher alle gescheitert, das Beitragsrecht juristisch einwandfrei zu gestalten. Davon leben Hunderte wenn nicht Tausende Juristen


(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Und Professoren.)


und Professoren, ja. Von daher ist die Hoffung wohl vergebens, außer wir haben den Mut, das Gesamtsystem vom Kopf auf die Füße zu stellen und das Beitragswesen zu überwinden. Dann bestände die Chance mit einer modernen Verfassung, über die wir ja durchaus verfügen, dann auch das Recht zu untersetzen. Was die Bezahlbarkeit betrifft, da haben Sie ehrlicherweise nur das Land benannt, für das Land bezahlbar. Sie haben nicht gefragt, ob es für den Bürger bezahlbar ist. Das ist ja das Problem. Das unterscheidet uns offenbar. Wir als LINKE haben neben den öffentlichen Haushalten eben auch die Einkommens- und Vermögenssituation, die wirtschaftliche Situation der Bürger im Blick.


Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Prof. Huber, Sie haben einige Kriterien bedauerlicherweise nicht herangezogen, um Ihren Gesetzentwurf einer Bewertung zu unterwerfen. Solche Kriterien wären Modernität, da habe ich schon darauf verwiesen, Sie orientieren sich nach wie vor an einem Modell, das Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen entwickelt wurde. Auch der Faktor der sozialen Gerechtigkeit ist nur in Ansätzen erkennbar, das gestehe ich aber zu, ist erkennbar, was Stundungsregelung und dergleichen betrifft. Aber was völlig fehlt und da wundere ich mich, weil Ihre Vorgängerlandesregierung dazu sogar Gutachten in Auftrag gegeben hat, das Gutachten von Prof. Ferdinand Kirchhoff ist da zu benennen, da ging es um das Äquivalenzprinzip, und zwar aus dem europäischen Recht heraus, das besagt, es soll derjenige die Leistungen bezahlen, der sie auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Das ist beim Abwasser über eine mengenabhängige Refinanzierung, also über die Gebühr viel besser abbildbar. Bei der Straße sollen im Wesentlichen die die Straße finanzieren, die sie auch nutzen. Dazu erheben wir in der Bundesrepublik zwei Steuern, das ist die Kfz- und die Mineralölsteuer, die das wesentlich besser abbilden als die Beiträge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, ist doch ein weiteres Beispiel für Aktionismus. Es verharrt in alten Denkstrukturen und seit mindestens drei Jahren werden die Bürger hingehalten und ihnen wird eine Lösung versprochen. Sie sind nicht nur enttäuscht, sondern viele werden sich auch betrogen fühlen. Ich kann durchaus dieses Empfinden nachvollziehen.


Warum seit drei Jahren? Spätestens seit Januar 2007 haben wir eine neue Situation. Seit diesem Zeitpunkt können wir auch nicht mehr auf das Urteil des Thüringer OVGs vom Mai 2005 zurückgreifen zum Fall Benshausen, weil sich das Thüringer OVG im Wesentlichen auf eine Entscheidung des sächsischen OVGs bezogen hat. Das haben die sächsischen Richter im Januar 2007 korrigiert. Seitdem gibt es das sogenannte sächsische Modell, wobei die Kommunen selbst entscheiden können, ob und in welcher Höhe sie Straßenausbaubeiträge erheben. Da stellt sich die Frage: Was in Sachsen geht, warum soll das in Thüringen nicht gehen? Da halte ich es für hilflos, wenn auch Herr Hey dann darauf verweist, es wäre verfassungswidrig, das Beitragssystem infrage zu stellen. Da muss ich hier fragen, ob die Verfassung, also das Grundgesetz, nur in Thüringen gilt oder nicht flächendeckend in allen 16 Bundesländern. Von daher wäre die Frage zu stellen, warum in Bremen, in Hamburg, in Baden-Württemberg keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden, im Saarland und in Sachsen die Gemeinden ein hohes Ermessen haben. Von daher können Sie es zumindest nicht mit der Verfassung begründen. Sie können es damit begründen, dass Sie sagen, Sie wollen es politisch nicht, das wäre ehrlich, aber bitte schön nicht mit der Verfassung.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet keinen Lösungsansatz für die Abwasserbeitragsproblematik und nicht einmal das, Herr Innenminister Huber, was Sie versprochen haben in einem Treffen mit Bürgerinitiativen, nämlich zumindest das Problem des Missbrauchs der Eigenkapitalverzinsung im Gesetz auszuschließen, so dass es aufhört, dass einige Aufgabenträger sich aus der Gebührenkalkulation noch Gewinne ausschütten lassen an die Mitgliedsgemeinden, nicht einmal das haben Sie aufgegriffen. Das haben Sie aber versprochen. Sie haben es versprochen und gesagt, wenn Sie erkennen, dass über die Eigenkapitalverzinsung ein Missbrauch erkennbar ist, dass nämlich das Kostendeckungsgebot umgangen wird, dann wollen Sie dafür eine Lösung anbieten. Die enthält der Gesetzentwurf nicht. Ich kann Ihnen aber versprechen, unsere Fraktion wird Ihnen dort zur Seite stehen und einen ergänzenden Antrag stellen.


(Beifall DIE LINKE)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, von den Abwasserbeiträgen sind in Thüringen nur noch 1,1 Mio. Bürger betroffen. Die anderen 1,1 Mio. sind eben nicht mehr betroffen, weil sich dort die Aufgabenträger entschieden haben, keine Beiträge zu erheben. Das sind Aufgabenträger, die keine überzogenen Gebühren haben, insofern werden wir auch bei diesem Gesetzentwurf wieder unseren Vorschlag, den wir gemeinsam mit den GRÜNEN hier in das Parlament eingebracht haben, zur Diskussion stellen, nämlich unter welchen Voraussetzungen ist es denn möglich, auf die Abwasserbeiträge prinzipiell zu verzichten, ohne dass der Landeshaushalt zusätzlich belastet wird. Dazu haben wir detaillierte Vorschläge unterbreitet, auf die möchte ich jetzt nicht noch einmal eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Lösungsansatz für den Bereich der Straßenausbaubeiträge ist aus unserer Sicht völlig indiskutabel. Die Konflikte werden erneut auf die kommunale Ebene runtergedrückt, und zwar Konflikte, die wir aber erst verursacht haben. In den letzten nahezu 15 Jahren haben wir ein Konfliktpotenzial entwickelt im Bereich Straßenausbaubeiträge, die wir jetzt auf die kommunale Ebene herunter schieben. Das halte ich einfach für unanständig. Den juristischen und politischen „Scherbenhaufen“, den eine Mehrheit hier im Landtag verursacht hat, den müssen wir schon selbst aufräumen und nicht delegieren und sagen: Bürgermeister, Gemeinderäte und Bürger - klärt das mal vor Ort. Wie gesagt, das ist höchst unanständig.


Sie halten an der grundsätzlichen Beitragserhebung fest und blenden dabei die Realitäten in Europa, in der Bundesrepublik und in Thüringen vollkommen aus. Das will ich noch einmal betonen. In Europa gibt es kein anderes Mitgliedsland, das noch ein derartiges Finanzierungsmodell hat, ein Finanzierungsmodell - angegliedert zwischen Steuern und Gebühren und Entgelten für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Einrichtung. Ein solches Modell gibt es nirgends mehr in der Bundesrepublik, in drei Bundesländern gar nicht mehr, in zwei Bundesländern mit hohem Ermessen für die Gemeinden. Wir haben die schärfsten Regelungen im Bereich der Straßenausbaubeiträge.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt beim Zwang und die Ausnahmen, die Sie definiert haben, die sind jetzt schon durch Rechtsprechung im Wesentlichen so entschieden und sind letztlich etwas für das Labor - für eine theoretisch abstrakte Annahme. Ich bezweifle, ob es viele Fälle geben wird, bei denen die Beitragserhebung vollkommen entfallen kann. Das ist wirklich nur theoretisch und damit erzeugen Sie wieder eine Hoffnung, dass nämlich einige Bürger - sogar viele Bürger - dann der Überzeugung sind, ihre Gemeinde, ihr Gemeinderat, ihre Gemeindeverwaltung könnte für bestimmte Maßnahmen die Beitragsfreiheit beschließen und entscheiden und es wird nicht so sein. Die Rechtsaufsichtsbehörden werden dort sehr streng nach den gesetzlichen Vorgaben handeln. Es bleibt die rückwirkende Erhebung völlig unklar. Dort haben wir hohe und starke verfassungsrechtliche Bedenken. Sie wechseln zu einem Gericht, das schon 1961 die Grundsätze der Rückwirkung entschieden hat. Danach darf der Staat in abgeschlossene Tatbestände rückwirkend nicht mehr eingreifen. Es gibt Vertrauensschutz und dergleichen als Grundrechte. Ich weiß, in Thüringen haben wir eine Konstruktion gewählt, dass wir eben gar nicht in die Rückwirkung kommen. Aber das ist für den Bürger nicht erklärbar und Bodo Ramelow hat das heute schon an einem anderen Beispiel dargelegt. Wir müssen Politik so gestalten, dass es der Bürger verstehen kann. Sie müssen sich mal überlegen, jetzt soll ein Bürgermeister einem Bürger erklären, im Jahre 1992 wurde eine Straße gebaut. Weil die Gemeinde bisher noch keine Satzung hat, ist die Beitragspflicht noch gar nicht entstanden. Dann macht die Gemeinde eine Satzung, dafür hat er vier Jahre Zeit, danach noch mal vier Jahre für die Festsetzung des Beitrags und noch mal fünf Jahre Zahlungsverjährung. Und der Bürger kann nicht auf den Vertrauensgrundsatz abstellen und darf auch nicht von Rückwirkung sprechen, weil die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist. Wer soll denn das verstehen? Ich glaube, selbst ein Jura-Student in der Klausur hätte Probleme, das niederzuschreiben. Solche Gedanken kann man gar nicht fassen, er kann es höchstens vom Spickzettel abschreiben, weil er sagt, mein Professor will das so. Aber das hat doch mit dem realen Leben überhaupt nichts mehr zu tun und das müssen wir doch erkennen. Da müssen wir doch irgendwie etwas einführen. Wir veralbern doch die Leute, wenn Sie das jetzt als Erfolg verkaufen: Jetzt schränken wir das mal ein und die Kommunen müssen innerhalb von vier Jahren nach Abschluss der Maßnahme eine Satzung machen. Anders muss es sein. Bevor die Gemeinde beginnt, eine Straße auszubauen, muss sie doch mit ihren Bürgern klären, wie es finanziert wird und da gehört die Satzung vorher her


(Beifall DIE LINKE)


und nicht erst vier Jahre später. Und dann wird das hier als Erfolg verkauft. Also manchmal werde ich auch richtig zornig, weil ich seit 15 Jahren durch dieses Land reise und versuche, so ganz einfache Dinge völlig ideologiefrei darzulegen.


(Unruhe im Hause)

Ein Haufen Juristen erklärt mir immer, warum das alles nicht geht. Woran liegt das? Ich sage das noch einmal, weil das Leben der Juristen in losen Blattsammlungen stattfindet. Das hat aber mit dem realen Leben nichts mehr zu tun.


(Beifall DIE LINKE)


Ich empfehle doch allen, fahren Sie doch einfach eine Woche mit mir durch dieses Land. Ich bin fast jeden Abend bei irgendeiner Bürgerversammlung und muss den Leuten solchen Unsinn erklären, den wir in die Gesetze schreiben.


(Zwischenruf aus dem Hause)


Nein, hier die Mehrheit. Jetzt haben wir einen Innenminister, wo ich wirklich dachte, der ist vorwärtsgewandt und nicht mehr im 19. Jahrhundert und der bringt uns jetzt hier ein Werk, in dem das Rechtssystem des 19. Jahrhunderts zementiert werden soll auf Dauer. Ich wollte ja heute freundlicher zu Ihnen sein, aber es ist wirklich enttäuschend.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie bauen ein scheinbares Ermessen für die Kommunen auf und die Proteste sind vorprogrammiert. Die Leute werden mit ihren Bürgermeistern und mit ihren Gemeinderäten schimpfen, weil sie sagen, naja, der Innenminister hat uns ja gesagt, die Landesregierung, ihr könnt doch entscheiden. Und der Bürgermeister muss sagen, nein, die Kommunalaufsicht sitzt mir im Rücken und das Gesetz ist so komisch formuliert, ich kann nicht.


Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommt ein weiterer Fakt. Da tut es mir leid. Sie nehmen die Verschuldung als Kriterium für Leistungsfähigkeit. Nun haben wir in Thüringen alles niedergeschrieben, also die Landesregierung. Sie haben sogar eine Verordnung unterschrieben, meines Wissens im Dezember vergangenen Jahres, und zwar eine Verordnung zur Gewährung von kommunalen Krediten, wo genau definiert ist, unter welchen Voraussetzungen Ihre Kommunalaufsicht kommunale Kredite zu genehmigen hat oder eben die Genehmigung zu verweigern hat. Da sind auch die kreditähnlichen Rechtsgeschäfte, Bürgschaften, Sicherheiten und dergleichen erfasst. Spätestens da, als Sie die Unterschrift darunter geleistet haben, hätten Sie doch irgendwie einen Gedanken entwickeln müssen, also die Verschuldung ist bedeutsam, aber bitte schön nicht für Leistungsfähigkeit. Wir haben etwa 120 Gemeinden, die sind in Thüringen schuldenfrei. Ich habe zurzeit eine Anfrage laufen, eine der wenigen, bei der ich wissen will, warum die schuldenfrei sind. Ich habe schon immer Vorinformationen, wenn ich solche Anfragen entwickle, gemeinsam mit meinen Mitarbeitern, da recherchieren wir vorher. Und die meisten Gemeinden, die schuldenfrei sind, die sind nicht deshalb schuldenfrei, weil sie leistungsfähig sind, sondern weil sie derart verarmt sind, dass sie gar keinen Kredit genehmigt bekamen. Das müssen Sie doch wissen. Insofern ist doch das Kriterium der Schuldenfreiheit überhaupt nicht geeignet, die Leistungsfähigkeit der Gemeinde festzumachen. Es kommt aber noch schlimmer. Jetzt sagen Sie, ich sage einmal, wir haben eine Gemeinde, die schuldenfrei ist, und wenn die aber dann in eine Verschuldungssituation kommt oder nicht mehr leistungsfähig ist, muss sich das Satzungsrecht ändern - z.B. den kommunalen Anteil reduzieren, den Anteil für die Bürger erhöhen. Jetzt stellen Sie sich das einmal in einer Gemeinde vor. Eine Gemeinde hat über einige Zeit einen Beitragssatz für die Bürger von 25 bis 30 Prozent gehabt und muss diesen auf 70 Prozent anheben, weil die Leistungsfähigkeit nicht mehr da ist. Dann spalten Sie die Gemeinde, die Bevölkerung. Ich muss Ihnen unterstellen: Das wollen Sie! Sie wollen, dass sich dann der Bürgerprotest dort unten auf der Gemeindeebene wieder festmacht und vielleicht kommt dann der eine oder andere Lottomittelübergeber und sagt, naja, okay, wir helfen wieder mit ein paar Lottomitteln oder Sie machen wieder Bedarfszuweisungen nach Beschluss der Landesregierung. Auch nicht schlecht. Aber das ist nicht die Lösung. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Verschuldung ist kein Kriterium für Leistungsfähigkeit.


(Beifall DIE LINKE)


Jetzt will ich aber auch drei positive Aspekte sagen, weil ich werde von meiner Fraktion immer belehrt, ich soll nicht nur kritisieren. Pädagogisch stimmt das ja auch.


(Beifall DIE LINKE)


Man soll auch einmal ein paar positive Aspekte sagen. Die sagt man eigentlich zum Anfang, zum Einstieg. Aber der Gesetzentwurf hat mich so innerlich aufgewühlt, da musste erst einmal die Kritik heraus. Haben Sie Verständnis. Aber drei positive Dinge, immer unter der Voraussetzung, es bleibt bei der Beitragserhebung. Da wissen Sie, dass wir etwas anderes wollen.


Positiv ist, dass sich die wiederkehrenden Beiträge stabilisieren. Das muss ich Ihnen sagen, die wiederkehrenden Beiträge haben sich im Einzelfall als durchaus geeignete Alternative zu den einmaligen Beiträgen herausgestellt. Die Gemeinden, das sind inzwischen über 200 Gemeinden, die von diesem Instrument Gebrauch machen, dort müssen wir sagen, dort ist auch ein Verständnis von den Bürgern da - im Regelfall, es gibt immer Ausnahmen. Das Zweite, dafür haben wir lange gestritten, da hat die Fraktion der PDS schon in der 2. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf dazu gemacht. Das ist die Möglichkeit des Nebeneinanders zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen, gerade in Einheitsgemeinden oder Landgemeinden, wie Sie es jetzt bezeichnen. Auch das halte ich für sehr sinnvoll. Das erfordert immer einen Diskussionsprozess vor Ort. Aber dass es gesetzlich ermöglicht wird, das halte ich für sinnvoll. Das Dritte sind die Stundungsmöglichkeiten für Kleingärten beim Straßenausbau. Da stellt sich nur die Frage, das werden wir im Ausschuss noch einmal thematisieren, warum Sie nicht einfach die Stundungsmöglichkeiten für die leitungsgebundenen Einrichtungen auf die Straßen übertragen. Sie müssen doch einmal erklären, warum z.B. kirchliche Einrichtungen - also Kirchen, wenn sie keinen Wasseranschluss haben oder so, dort wird es gestundet, bei der Straße nicht in der Breite.


Vizepräsidentin Hitzing:


Herr Kuschel, Sie haben noch eine Minute.


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Ja. Meine sehr geehrten Damen und Herren, also noch einmal die Frage. Warum nicht die sächsische Regelung? Zur Vierjahresfrist habe ich mich schon geäußert.

Zur Bürgerbeteiligung: Sie sagen, die Bürgerbeteiligung wird ausgebaut. Wir haben jetzt schon ein ausgeklügeltes System der Bürgerbeteiligung, müssen aber zur Kenntnis nehmen, da sie nur ordnungspolitische Wirkung haben, geht die Bürgerbeteiligung vollkommen ins Leere. Wir brauchen also eine verbindliche Bürgerbeteiligung.


(Beifall DIE LINKE)


Ich mache das ja immer mal an einem Beispiel fest mit von der ordnungspolitischen Wirkung. Stellen Sie sich vor, wir haben in der Straßenverkehrsordnung stehen, in der Ortslage darf nur 50 km/h gefahren werden; am Ortseingang steht ein Polizist - es wird immer Geschwindigkeitskontrolle gemacht -, jeder fährt 70, 80 km/h. Der Polizist hält an und sagt: „Sie sind zu schnell gefahren - Gesetzesverstoß. Ich wünsche Ihnen aber eine gute Weiterfahrt.“ Was hätten wir denn nach zwei Tagen? Deshalb hat eine solche Bürgerbeteiligung ohne Rechtsfolgen keine Funktion.


Vizepräsidentin Hitzing:


Herr Kuschel, Ihre Redezeit ist beendet.


Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:


Ja. Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles Weitere werden wir dann im Ausschuss beraten. Ich wünsche mir dort eine mündliche Anhörung mit allen Beteiligten. Danke.


(Beifall DIE LINKE)


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