Sechstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes – nachhaltige Stärkung der Schulsozialarbeit

Daniel Reinhardt

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, - Drucksache 7/153

 

Die Arbeitsverhältnisse der Schulsozialarbeiter/-innen in Thüringen verbessert – gesellschaftliche Wirkung durch die Linke im Thüringer Landtag.

Werte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Mitarbeiter/-innen der Verwaltung, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Zuschauer/-innen, unser zweites Thema heute ist ein Gesetzesvorschlag, den die Fraktionen von Rot-Rot-Grün mit dem Ziel vorlegen, das Landesprogramm Schulsozialarbeit in der Förderhöhe für die nächsten Jahre neu festzuschreiben. Aktuell wird nahezu jede Form von Schulsozialarbeit an den Thüringer Schulen durch dieses Landesprogramm gefördert. Die Summe, die wir hier festlegen werden und die in den laufenden Haushalten bereits umgesetzt werden soll, reicht aus, um die Schulsozialarbeit in Thüringen nahezu zu verdoppeln, nämlich von etwa 220 Vollzeitstellen im Jahr 2019 auf nahezu 400. Das Ganze noch mal in Geld umgerechnet stehen statt wie bisher 11,3 Millionen dann 22,3 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit im Gesetz. Das, werte Kolleginnen und Kollegen ist ein Grund zu jubeln.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Der Sinn der Schulsozialarbeit: Kinder und Jugendliche werden in ihrer Schullaufbahn, aber eben auch in ihrem alltäglichen Leben durch Schulsozialarbeit unterstützt, eben weil Schule und Leben nicht voneinander trennbar sind. Mit der Einführung der Schulsozialarbeit werden Schule und Jugendhilfe wieder oder überhaupt miteinander gekoppelt. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche darin zu unterstützen, einen Schulabschluss, damit einen Berufsabschluss oder aber eben ein selbstbestimmtes Leben zu führen und zu ermöglichen. Der angewandte Methodenkanon von Schulsozialarbeiterinnen ist groß und vielfältig, klassisch der eines Schulsozialarbeiters/einer  sozialarbeiterin von der klassischen Einzelfallberatung über die sozialpädagogische Gruppenförderung bis hin zu Elternarbeit, Prävention, Krisenintervention, Netzwerkarbeit und natürlich Gemeinwesenarbeit – all dies in Zusammenarbeit mit Schule und im besten Fall auch mit konzeptioneller Verankerung vor Ort. Potenziale werden entwickelt, Menschen zusammengeführt. Die Chance, dass Schule ein Lernort für alle Menschen wird; Schüler/-innen, egal wo sie herkommen, aus welcher Familie, egal aus welchen finanziellen Verhältnissen sie kommen, werden gefordert und gefördert. Gesellschaftliches Leben, Zusammenleben wird erleichtert, die Selektion, die durch die Institution Schule in Deutschland stattfindet, aufgrund von sozioökonomischer Herkunft, wird vermindert, Spaltung wird entgegengewirkt und solidarisches Zusammenleben, ja, Perspektiven werden aufgezeigt. Das Gesagte gilt im Übrigen auch für unsere jungen Schüler/-innen. Im Bereich der Grundschule sprechen Träger von wachsenden Bedarfen in der Beziehungsarbeit mit den Kindern und in der aktivierenden Elternarbeit, wo mehr und mehr eine Arbeit der die Lehrkräfte niederschwellig unterstützenden Einflussnahme gebraucht wird.

 

Zur Geschichte oder zur Genese der Sozialarbeit in Thüringen habe ich bereits Ausführungen in meiner Rede vom 31. Januar dieses Jahres gemacht. Das ist im Protokoll der 6. Plenarsitzung der 7. Wahlperiode, Drucksache 7/153, ab Seite 376 nachzulesen. Das erspare ich Ihnen diesmal.

 

Aber: 2017 schaffte es die Festlegung einer Mindestfördersumme für die Schulsozialarbeit im Gesetz für Thüringen, erstmals zur nötigen Klarheit und örtlich überall zur unbefristeten oder teils unbefristeten Vertragsgestaltung zu kommen. Im Landeshaushalt für 2020 geht Rot-Rot-Grün einen weiteren Schritt: Der Umfang des Programms der Schulsozialarbeit wurde auf über 22 Millionen Euro angehoben und damit etwa verdoppelt. Dies bedeutet eine erhebliche Kraftanstrengung für unser Land. Die für die Förderung maßgebliche Richtlinie wurde selbstverständlich schon evaluiert. Heute nun geht es darum, diese Fördersumme für die nächsten Jahre festzuschreiben und damit für die örtlichen Träger der Jugendhilfe wiederum auf einem erhöhten Level einen festen planbaren Finanzrahmen zu schaffen. Wir als Linke wollen, dass ab dem neuen Schuljahr an viel mehr Schulen Schulsozialarbeiter/-innen mit unbefristeten Verträgen zum Einsatz kommen. Deswegen treten wir für den Einsatz und Ausbau der finanziellen Spielräume und für die gesetzliche Sicherung der Landesförderhöhe hier in Thüringen ein.

 

Kurz zu den Verankerungen der Schulsozialarbeit in der Kommune: Der Thüringer Landkreistag betont immer wieder, dass die Schulsozialarbeit zur Schule gehöre und deswegen eine Landesaufgabe sei und also nicht zu den Aufgaben auf kommunaler Ebene gehöre. Ich kann mich darüber nur wundern: Dieser Logik folgend, müsste man die Möglichkeit prüfen, ob Schulsozialarbeit als Teil von Schule in multiprofessionellen Teams in staatlicher Verantwortung zu organisieren wäre. Dies würde allerdings bedeuten, dass es keine Entscheidungsmöglichkeiten der örtlichen Jugendhilfeausschüsse und keine Beteiligung der freien Träger mehr gäbe. Der üblichen Ebene gingen wahrscheinlich bei einem solchen Weg wichtige Möglichkeiten verloren. Wichtig ist – und deswegen brauchen wir die Kommune –, dass sozialraumbezogene Kriterien herangezogen werden, um zu steuern, etwa ähnlich wie im Kyffhäuserkreis. Konzeptionell müssen diese verzahnt sein mit den Schulen und lokalen Sozialräumen, um so Sozialarbeit zu gestalten.

 

Heute geht das alles – noch –, aber eben deswegen, weil es hier um eine Aufgabe nach dem SGB VIII geht, die vom Land zwar freiwillig vollständig finanziert wird, aber eben von den örtlichen Trägern der Jugendhilfe in Kooperation mit Schulen durchgeführt wird. Das machen wir im Übrigen nicht, weil Haushalte schwierig sind, Herr Bühl, sondern das machen wir, weil wir die Schulsozialarbeit wichtig finden.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Frau Baum, ich habe den Eindruck – ich will es Ihnen nicht unterstellen –, auch in den Fragen hier im Ausschuss, dass Sie dieses Thema noch nicht ganz durchdrungen haben und daher hier auch Ihre Rede zu diesen Verträgen in der Schulsozialarbeit.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Das muss doch nicht sein!)

 

Aber auch hier kann ich Ihnen als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses in Gera berichten, dass das Vertrauen in das Land der letzten Jahre dazu geführt hat, dass wir mit den Trägern vor Ort die teilweise auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisse auf zwei Jahre machen konnten. – Das war nur ein kleines Level. Jetzt werden wir in Zukunft mit den Trägern vor Ort unbefristete Verträge aushandeln können, weil eben die Träger und die örtlichen Träger vor Ort auf das Land und auf dieses Gesetz vertrauen. Das ist ein wichtiger Schritt für die Arbeiter/-innen in unserem Land, aber auch für die Schüler/-innen in unseren Schulen.

 

Zu solch einem Gesetzentwurf entstehen oftmals Anhörungen und nochmals Anhörungen – schriftlich und mündlich. Natürlich möchte die AfD nicht Expertinnen und Experten vor Ort befragen, sondern bezieht sich – aus meiner Sicht auch zu Recht – auf den Landkreistag. Es wurde natürlich die Möglichkeit eines Entschließungsantrags und eines Änderungsantrags in diesem Entwurf benutzt.

 

Werte Abgeordnete, werte Präsidentin, wir haben dazu im Bildungsausschuss eine ausführliche Anhörung gehabt. In der Anhörung haben ausnahmslos alle Anzuhörenden die geplante gesetzliche Sicherung durch Schulsozialarbeit begrüßt – alle. Daneben gab es eine ganze Reihe von wichtigen Anregungen zum Thema „Jugendförderung“. Geäußert wurde zum Beispiel die Mahnung, nicht nur den Ausbau der Schulsozialarbeit zu stärken, die Stärkung der örtlichen Jugendförderung sollte nicht vergessen werden. Mehrfach kam von den Anzuhörenden die Anregung, auch den Landesjugendförderplan im Landeshaushalt mit einer Mindestsumme zu versehen. Dieser Punkt wurde von der CDU-Fraktion in einem Änderungsantrag aufgegriffen. Auch wurden die Verteilungsfragen innerhalb der Richtlinie und weitere Punkte angesprochen. Einige davon haben Niederschlag in einem Entschließungsantrag zur Jugendförderung gefunden, den die Koalitionsfraktionen und die CDU gemeinsam einbringen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzesvorschlag von Rot-Rot-Grün hat im Ausschuss zu einer Diskussion jugendpolitischer Themen geführt. Das Ergebnis dessen war einerseits eine zeitliche Verzögerung des Beschlusses und andererseits eine inhaltliche Erweiterung unseres ursprünglichen Antrags. Wir haben die Debatte geführt und heraus kamen eine Erweiterung des Gesetzentwurfs durch den Änderungsantrag der CDU und ein Entschließungsantrag, in dem Rot-Rot-Grün und die CDU gemeinsam die Stellung der Jugendpolitik in Thüringen feststellen und einige Auflagen für die kommende Zeit in den Blick nehmen.

 

Einige Worte möchte ich zu dem Änderungsantrag der CDU sagen, der sich aus der Anhörung ergeben hat: So wie die örtlichen Träger der Jugendhilfe auf der kommunalen Ebene für die örtliche Aufgabe wird auch das Land für den Bereich der Landesaufgaben bei der Förderung der Jugendhilfe eine eigene Planung durchführen. Dies ist niedergelegt im Landesjugendförderplan. Wenn einmal im Rahmen von Planungen Mindestfördersummen festgelegt werden, so werden diese im Rahmen des Planungsprozesses durch Akteure von Politik und Verwaltung sehr oft als Obergrenzen verstanden. Dies ist aus unserer Sicht die Gefahr und dies waren und sind unsere Bedenken bei der Festlegung einer Mindestsumme für den Kinder- und Jugendförderplan des Landes.

 

Wir haben dem Ansinnen der CDU jetzt zugestimmt, dies so zu machen. Aber ich, wir werden versprechen – und das will ich Ihnen sagen auch als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses in Gera oder als Sozialarbeiter –: Ein solches Verständnis, dass die Summen zugleich als prinzipielle Festlegung nach oben begriffen werden und nicht mehr an den konkreten Bedarfen angesetzt werden, wird auf unseren Widerspruch, ja, auf unseren Widerstand treffen, weil das eine Prinzipienfrage ist. Wir legen im Gesetz hier nicht die Qualität, also wie es umgesetzt wird, fest, sondern nur, wie Quantitäten festgelegt werden. Und wenn immer mehr Quantitäten hinzukommen, werden Qualitäten sinken. Und das ist wie überall: Wenn ich eine höhere Qualität habe und möchte, muss ich eben auch mehr Geld ins System geben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Außerdem ist es üblich – ich muss es schneller machen –, dass es, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei den wichtigen Gesetzesvorhaben um prinzipielle Diskussionen geht, Entschließungsanträge gefasst werden, ja, Aufgaben abgebildet werden. So ist es eben auch mit dem von den Koalitionsfraktionen und der CDU gemeinsam vorgelegten jugendpolitischen Entschließungsantrag, für den wir heute ebenfalls um Zustimmung werben. Er formuliert zunächst eine grundlegende Zustimmung zu den in Thüringen bestehenden Förderstrukturen der Jugendhilfe in den drei Säulen und spricht die politische Absicht aus, alle drei Bereiche auch weiterhin bedarfsorientiert, stabil und zuverlässig zu fördern. Uns als Linke war und ist hier die Herstellung des engen Zusammenhangs der örtlichen Jugendförderung besonders wichtig, denn für diesen Bereich hat heute die diskutierte Gesetzesänderung keine, ja, leider keine Verbesserung gebracht – vielleicht in Zukunft.

 

Der Entschließungsantrag …

 

Präsidentin Keller:

 

Herr Abgeordneter, Sie waren nicht schnell genug. Jetzt ist Ihre Zeit vorbei.

 

Abgeordneter Reinhardt, DIE LINKE:

 

Ja, schade.

 

Wir machen heute drei wichtige Themen: Wir verbessern die Schulsozialarbeit, wir legen leider Gottes die Mindestfördersumme für den Landesförderplan fest

 

(Heiterkeit DIE LINKE)

 

und wir machen die jugendpolitische Standortbetreuung für die Jugendarbeit in Thüringen, die wir auch in Zukunft weiterhin begleiten wollen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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