Schutz der Bevölkerung und der Weidetiere vor dem Wolf in Thüringen

Marit Wagler

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/7728

 

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen, werte Kollegen, wenige Tiere werden politisch derzeit so missbraucht wie der Wolf. Während für ungeschützte Weidetiere tatsächlich eine Gefahr von diesem Raubtier ausgeht, kann man von einer realen Gefahr für die Bevölkerung eigentlich nur sprechen, wenn man nicht mehr ernst genommen werden will.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Es wäre das Gleiche, wie wenn man behauptet: Aus Angst vor dem Fuchs geht man nicht mehr in den Wald. Von nicht tollwütigen Füchsen geht als scheues Wildtier genauso wenig Gefahr für die Bevölkerung aus wie von dem Wolf. In Deutschland existiert die Tollwut nicht mehr. Es gibt in Deutschland keine dokumentierten Fälle von Wolfsangriffen. Ich kann nur annehmen, dass hier absichtlich Ängste geschürt werden.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Anders sieht das aber bei den Weidetieren aus. Die Sorgen der Weidebauern müssen wir durchaus ernst nehmen, denn die Weidehaltung ist für Tiere nunmal die beste aller Haltungsformen. Wir müssen unsere Weidetiere schützen, genauso wie wir auch schon immer unser Geflügel schützen mussten, damit es der Fuchs nicht holt. Einer angemessenen Förderung der Weidetierhaltung muss deshalb Vorrang eingeräumt werden. In Thüringen leisten wir da, denke ich, bereits ganz gute Arbeit mit der Schaf-Ziegen-Prämie und mit der Gewährung von Zuwendungen zur Vermeidung und Minderung wirtschaftlicher Belastungen durch Wolf und Luchs.

 

Der Wolf ist ein Spitzenraubtier. Er ist wichtig für die Gesunderhaltung der Wildpopulation und auch zur Regulation des Wildbestands. Bei dem jetzigen Zustand des Walds, bei der Dringlichkeit, mit der abgestorbene Waldbestände ersetzt und verjüngt werden müssen, können wir jede Hilfe zur Regulation eben dieses Wildbestands ganz dringend brauchen. Der Wolf unterliegt berechtigt einem starken Schutzstatus.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

International wird er in verschiedenen Schutzabkommen berücksichtigt, in dem Washingtoner Artenschutzabkommen, in der Berner Konvention und in der EU-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, also der FFH-Richtlinie. In den Anhängen II und IV dieser Richtlinie ist der Wolf aufgeführt; sie stellen damit hohe Anforderungen in Bezug auf den Artenschutz in Verbindung mit dem Wolf.

 

Zum Vorschlag der antragstellenden Fraktion, die Wolfsvorkommen aus den Anhängen II und IV der Richtlinie zu entfernen und sie stattdessen in dem Anhang V aufzunehmen: Der Anhang V der FFH-Richtlinie listet Tier- und Pflanzenarten auf, für deren Entnahme aus der Natur besondere Regelungen getroffen werden können. Sie dürfen jedoch nur im Rahmen von Managementmaßnahmen genutzt werden. An dieser Stelle möchte ich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Mitgliedern unserer Bundestagsfraktion zum Thema „Wolf“ verweisen. Ausgesagt wird hier zum Beispiel, dass der zwischen Bund und Ländern mittels eines aufwendigen Monitorings ermittelte Wolfsbestand jederzeit digital abgerufen werden kann. Mittels interaktiver Kartenmodule könnten für alle Regionen Deutschlands über die letzten 20 Jahre Entwicklungen der Wolfspopulation jederzeit nachvollzogen werden. Der Erhaltungszustand des Wolfs wird im Rahmen eines nationalen Berichts gemäß Artikel 17 der FFH-Richtlinie im September 2019 fertiggestellt werden. Der Bericht wird also bald vorliegen. Möglicherweise ergeben sich daraus neue Erkenntnisse, ob eine Lockerung des Wolfsschutzes gerechtfertigt sein könnte. Diese sollten wir abwarten,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

denn nur dann haben wir eine ordentliche, eine gesicherte Datengrundlage, über die man diskutieren kann, und keine Behauptungen. Außerdem wird mit der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Mai dieses Jahres bereits ermöglicht, Wölfe leichter abzuschießen, wenn es zu Übergriffen auf Nutztiere kommt.

Zum Schluss möchte ich zusammenfassen: Wir haben in Thüringen nur eine Wölfin. Von einer gesunden, selbst erhaltenden Population kann daher keine Rede sein. Der Wolf übernimmt wichtige Ökosystemdienstleistungen für unseren Wald.

 

(Unruhe AfD)

 

Die Wolfshybriden wurden auf die einzige Art und Weise entnommen, die rechtlich möglich war, mit milderen Mitteln, also Lebendfallen. Später wurde dann der Fangschuss angewendet. Das Schießen ist rechtlich nur legitim, wenn mildere Mittel ohne Erfolg angewendet wurden. Das wäre auch in allen anderen Bundesländern nicht anders möglich gewesen, solange wir in einem Rechtsstaat wohnen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Eine Steuerung der Wolfspopulation ist schwer möglich. In Sachsen gibt es seit 20 Jahren Wölfe. Dort wurde zum Beispiel beobachtet, dass ein Wolf innerhalb von zwei Tagen von der Lausitz nach Berlin und wieder zurück in die Lausitz trabte. Wie wollen also Sie, liebe AfD, die Ausbreitung der Wölfe verhindern? Sie sind extrem mobil, laufen bis zu 50 Kilometer täglich und halten sich an keine Ländergrenzen. Wir müssen also mit den Wölfen umgehen, mit Ihnen leben lernen, so wie es in Rumänien, Osteuropa und Italien schon längst der Fall ist. Dafür müssen wir unsere Weidetierhalter unterstützen. Zu 99 Prozent fressen Wölfe andere Wildtiere und sind wichtig für die Gesunderhaltung und Regulation unserer Wildpopulation, aber Sie sind auch sehr lernfähig. Wölfe können theoretisch lernen, Weideschutzzäune zu überspringen, obwohl sie eigentlich eher untergraben werden. Wölfe können auch von anderen Rudelmitgliedern lernen. Die wirksamsten Schutzmaßnahmen – das lehren die jahrzehnte- und jahrhundertelangen Erfahrungen von Ländern, in denen der Wolf nie ausgerottet war – sind Herdenschutzhunde und Schutzzäune. Über diese Schutzmaßnahmen und deren ständige Anpassung müssen wir im Gespräch bleiben. Es geht um die Unterstützung unserer Weidetierhalter. Denen ist allerdings überhaupt nicht geholfen, wenn sie eine Bedrohung der Bevölkerung konstruieren. „Rotkäppchen und der Wolf“ ist ein Märchen. Dieses Märchen diente dazu, junge Mädchen vor Übergriffen von fremden Männern zu warnen.

 

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Es ging also in dem Märchen tatsächlich nie um ein Wildtier, und diesen Eindruck habe ich auch bei den Anträgen der CDU und AfD. Danke.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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