Schulmilch und Schulobst für alle Kinder im Grundschulalter entgeltfrei

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE- Drucksache 5/24 -

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen. Also, Frau Meißner, ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht erst in diesem Wahlkampf das Thema "Gesundes Essen an der Schule" entdeckt haben, ich werde Ihnen das auch beweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Da Sie schon länger diesem Plenum angehören, dürften Sie sich auch erinnern. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass Ihr Verteilen der echten Bratwurst dazu gehören sollte und dass dies ein Beitrag zur gesunden Ernährung gewesen sei. Aber schön, dass Sie das Thema jetzt auch entdeckt haben. Ich bin begeistert, dass wir also im Ausschuss darüber weiter reden werden. Dieser Antrag stammt tatsächlich aus einer Zeit, wo die Mitglieder unserer Fraktion noch nicht wussten, ob sie der Regierung angehören werden oder nicht. Wir haben für uns als Fraktion entschieden, dass wir es ernst meinen, dass wir also in einem Einhundert-Tage- Programm, egal ob wir mitregieren oder nicht, denken, dass man, auch ohne den Kassensturz schon zu kennen, dieses Programm umsetzen könnte. Das, was wir eigentlich wollen, und das wissen die Fraktionen, die hier dem Hohen Hause schon angehört haben, ist etwas ganz anderes oder viel mehr eigentlich. Wir wollen eigentlich kostenloses Mittagessen in einer Ganztagsschule und dazu gehört natürlich auch das Frühstück. Dazu gehört auch das, was ich 2001 in Finnland schon kennengelernt habe. Da stehen eben keine Automaten, die irgendwelche Cola oder Limonaden verkaufen, sondern dort stehen kostenlose Automaten mit Milch und Wasser. Das würde mir natürlich als Vision nach wie vor vorschweben. An diesem Thema waren wir immer dran. In jeder Haushaltsdebatte haben wir Vorschläge gemacht, wie zum Beispiel gesundes Mittagessen in den Kommunen kofinanziert werden kann. Aber die CDU-Fraktion hat das Gegenteil gemacht, die letzten 23 Cent wurden auch noch zusammengestrichen, sodass wir jetzt in Thüringen den Fall haben, dass wir arme und reiche Kommunen haben, die einen geben etwas zum Mittagessen dazu und die anderen nicht. Es gibt Modellprojekte - das ist schön - in Nordhausen, auch in Lucka. Wir denken aber, es muss einfach so sein und das ist die Pflicht des Verwaltungshandelns in einem Land, eigentlich erst recht auch in einem Bundesland, dass es nicht davon abhängig ist, wo ein Kind geboren ist, welche Bildungschancen es hat oder nicht. Deswegen unser Antrag und ich freue mich auch auf die Diskussion der einzelnen Fragen im Ausschuss.

Es ist tatsächlich so, dass es nicht egal ist, ob ein Kind, welches in Thüringen geboren wird, seine Anlagen optimal entwickeln kann oder nicht, weil dies von sehr vielen Faktoren abhängt. Nicht alles können wir als Politiker ändern und beeinflussen und wir wollen dies natürlich auch nicht. Es gibt wohl Unterschiede - ganz ohne Wertung, ob ein Kind nun in Döllstädt, in Altkirchen, in Gera, in Jena oder sonst wo geboren wird, es gibt Unterschiede - wieder ohne Wertung, ob es als Einzelkind oder als Geschwisterkind geboren wird, ob es mit einem Elternteil oder mit zwei Elternteilen zusammenlebt, ob diese Arbeit haben oder nicht, ob eine Schule oder eine Kita im Ort ist oder nicht. Das alles lässt sich nur sehr schwer beeinflussen. Leider hängen die Bildungschancen eines Kindes in Thüringen auch davon ab, welches soziale Niveau oder welches Bildungsniveau die Eltern haben. Das alles belegen Studien. Diese Debatte will ich hier nicht führen. Aber einen engen Zusammenhang gibt es eben auch zwischen Bildungserfolg und Gesundheit. Das belegen auch Studien. Ich erinnere meine Kolleginnen und Kollegen aus der dritten Wahlperiode daran, als es diese Enquetekommission hier im Landtag gab und Frau Prof. Dr. Meier-Gräwe in dieser Enquetekommission mitgearbeitet hat. Da lohnt sich ein Nachlesen auch als Vorbereitung für die Ausschuss-Sitzung. Gesundheit ist also wiederum mit gesunder Ernährung unmittelbar verknüpft und gesunde Ernährung, das ist schon gesagt worden durch Matthias Bärwolff, muss man sich leisten können. Ich verweise ebenfalls auf die Studie von Prof. Merten von vor zwei Jahren "Kindheit und Jugend in Armut", vorgestellt im März 2008 in Jena. Jedes vierte Kind in Thüringen ist von Armut betroffen. Das muss uns nachdenklich machen. Aber es geht eben nicht darum, nur zu beobachten, dass es Kinder gibt, die arm sind und denen irgendeine andere Ernährung zukommen zu lassen oder vielleicht noch Kinder-Tafeln in Thüringen zu erfinden, wie die Sozialministerin, damals noch Frau Lieberknecht, eröffnet hat,

(Beifall DIE LINKE)

sondern es geht wirklich darum, gesunde Ernährung bereits in der Schule zu erlernen, und zwar nicht durch ein Unterrichtsfach, sondern durch aktives Tun. Deswegen stimmen wir natürlich ausdrücklich dem Gesagten von Herrn Augsten zu und natürlich auch dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es ist eine Binsenweisheit, die leider noch nicht überall angekommen zu sein scheint, Kinder und Jugendliche lernen besser, wenn sie gesund und nicht hungrig sind. Deswegen haben wir jetzt unseren Antrag gewissermaßen konkretisiert auf gesundes Frühstück. Unser Fokus lag bisher, das gebe ich zu, auf kostenlosem Mittagessen, wohl wissend, dass das richtig viel Geld kostet. Aber wenn Kinder schon ohne Frühstück zur Schule kommen, und Lehrerverbände festgestellt haben, dass das wohl 70 Prozent der Kinder sein sollen, dann muss uns das natürlich stutzig machen. Und man kann auch die Verantwortung der Eltern beklagen, das nützt uns herzlich wenig, ich denke, vormachen und gemeinsam machen, so wie das Frau Hitzing auch geschildert hat, die ja gewissermaßen vor Kurzem noch ganz nah dran war. Ja, das ist in Ordnung. Ich finde das gut, dass selbst die FDP mitzieht. Ich hätte Ihnen das nicht zugetraut, das gebe ich ganz ehrlich zu.

(Unruhe FDP)

Ja, ganz einfach deswegen: Wer im Bund das Geld mit vollen Händen verteilt, um Kindergelderhöhungen zu finanzieren, und zwar auf Pump, liegt falsch! Ich sage immer, und das schon seit vielen Jahren: Ich bin gegen jede Kindergelderhöhung, solange nicht alles das, was Kinder brauchen aber nicht missbrauchen können, frei ist. Solange bin ich gegen jede Kindergelderhöhung und gegen jede Freibetragsregelung und schon gar auf Pump, noch dazu wenn es denjenigen, die es am meisten betrifft, und die es am meisten brauchen, dann hintenrum wieder abgezogen wird. Also deswegen hatte ich Ihnen das nicht zugetraut, aber ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss.

Noch ein paar Fakten vielleicht, um es zum Nachlesen zu haben. Ich habe das nicht erfunden. Zum Diabetestag vorige Woche wurde beispielsweise auch geschrieben: Deutsche essen zu fett, zu süß und zu viel. Wir haben falsche Essgewohnheiten, und die führen zu massiven Gesundheitsproblemen. Im Bratwurstland Thüringen sind 25 Prozent der Thüringer übergewichtig. Hier leben die dicksten Deutschen, und der vierte Thüringer Lehrertag, der hatte das Thema XXL-Problemzone Kind. Denn ca. 15 Prozent der drei- bis 17-jährigen haben Übergewicht, 7,2 Prozent der Schulanfänger Adipositas, also Fettsucht, und jedes fünfte Kind zwischen 11 und 17 Jahren zeigt ein auffälliges Essverhalten. 7- bis 12-Jährige essen nur 6 Prozent soviel Gemüse und 19 Prozent soviel Obst wie empfohlen wird. Und das hat nichts mit Armut zu tun. Das hat etwas mit dem Essverhalten zu tun. Das muss man in der Schule erlernen und trainieren. Deswegen denken wir, dass dieser Sozialfonds, so gut er gemeint ist, Prof. Merten, nichts damit zu tun hat. Wir können die Kinder nicht in der Schule differenzieren zwischen denen, die ein kostenloses Frühstück kriegen, und die anderen, die die Bemme von der Mutter mitgebracht haben und essen, und manche eben gar nichts. Wir denken, man muss gemeinsam essen, und dazu muss man das Geld, was zur Verfügung gestellt wird, auch nutzen. Und die EU hat nicht umsonst seit mehr als zehn Jahren dieses Programm, EU-Schulmilchprogramm, aufgelegt, welches man nutzen kann. Es ist jetzt auch neu aufgelegt mit einfacheren und klareren Umsetzungsregelungen. Trotzdem denke ich, dass man das nicht den Schulen vor Ort überlassen kann, oder einer Elterninitiative, sondern dass man im Zuge dessen, gleichartige Lebensverhältnisse für alle Kinder in Thüringen herstellen zu wollen, das vom Land kofinanzieren muss. Dann kann man das Geld an die Schulträger geben, und so wird es eine kreative Umsetzung vor Ort geben, weil dann auch der nötige Druck entsteht, dass Eltern das wollen, dass Schulen das wollen, denn sie kriegen es dann auch kofinanziert. Es gehört dann immer noch ein bisschen Geld dazu, welches der Schulträger zur Verfügung stellen muss, um die notwendigen Utensilien ringsrum zu organisieren. Ich weiß, wovon ich spreche, wie gesagt, es gibt da ein Projekt, das in Lucka ganz toll auch angenommen worden ist.

Also noch einmal, das Ziel unseres Antrages war keine Armenküche oder das Armenfrühstück der Kinder zu organisieren, sondern wir wollen ein gesundes Frühstück, wie es von den Grünen auch gerade hier angesprochen worden ist. Das muss gemeinsam organisiert werden, und das Geld, was dafür von der EU zur Verfügung gestellt wird, das muss genutzt werden können.

Ich denke, soweit habe ich eigentlich alles gesagt, ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss, da können wir dann noch einmal die konkreten Probleme miteinander besprechen. Ich bin sicher, wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg, und dann werden wir das Geld dafür auch finden. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

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