Schuldenbremse gleich Zukunftsbremse für Thüringen

Andreas Schubert

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 7/9150

 

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Thüringerinnen und Thüringer hier im Hohen Haus und an den Endgeräten, Deutschland im Spätherbst 2023 ist ein Land in der Rezession, kein Land im Aufbruch, sondern ein Land mit einem riesigen Investitionsstau in vielen Bereichen der öffentlichen Infrastruktur und seit letztem Monat ein Land in Verunsicherung über die Investitionsbedingungen gerade jetzt in der entscheidenden Phase des Umbaus hin zur Klimaneutralität, ein Land nicht auf der Überholspur, sondern ein Land auf der Standspur im Ergebnis des Versagens der Bundesregierung der letzten Jahre, ja, Jahrzehnte. Um dieses unser Land zukunftsfest zu machen, es zu modernisieren, umzubauen hin zu Klimaneutralität braucht es vieles, aber mit Sicherheit keine Schuldenbremse, die der Politik fast jede Reaktionsmöglichkeit auf externe Krisen, auf Gegensteuern bei Pandemie, bei Kriegsfolgen, bei Naturkatastrophen nimmt. Und weil das offensichtlich auch die Bundesregierung so gesehen hat, wurde in Berlin die Idee von neuen Fonds kreiert, dem Klima- und Transformationsfonds, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds als Umgehungstatbestand der ökonomisch so fatalen Schuldenbremse, die wir als Linke von Anfang an abgelehnt haben. An die leidenschaftliche Rede des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow damals als Abgeordneter des Deutschen Bundestags bei deren Einführung sei hier nur erinnert.

 

Aber durch die Klage der CDU sind am Ende alle Fans der Schuldenbremse einschließlich der CDU zu Verlierern geworden. Sie sind in ihre selbst gestellte Falle gelaufen, denn das Verfassungsgericht urteilt nicht nach ökonomischen Wirkmechanismen, sondern entscheidet danach, was im Grundgesetz steht, und zwar egal, ob es ökonomisch sinnvoll und nachhaltig ist oder nicht. Wie sinnfrei die Regelungen tatsächlich konstruiert sind, sieht man schon an dem Fakt, dass Notlagen, die die Schuldenbremse ausnahmsweise aussetzen, nur jährlich festgestellt werden können, als ob sich alle Notlagen an unseren Kalender halten und im Jahresrhythmus beseitigt werden regelmäßig zum 31.12.

Die Schuldenbremse, meine sehr geehrten Damen und Herren, verhindert dringend notwendige Investitionen und ist damit eine Zukunftsbremse für unser Land.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wer das bis jetzt nicht verstanden hat, sollte es spätestens mit dem Urteil aus Karlsruhe verstehen und deshalb gehört sie abgeschafft – je eher desto besser.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ein schuldenfreies Land ist nicht per se generationengerecht. Ein Land mit moderner Infrastruktur, mit modernen Bildungs-, Kultur- und Sporteinrichtungen, mit klimaneutraler Wirtschaft bedeutet Zukunft für unsere Kinder, Nachhaltigkeitsinvestitionen sind Zukunftschancen, das ist generationengerecht. Wer das der Linken nicht glauben kann oder will, sollte doch wenigstens den Wirtschaftsforschern, den Wirtschaftsredaktionen oder den Ministerpräsidenten bis hin zur CDU oder dem gesunden Menschenverstand glauben.

 

Wenn das alles noch nicht hilft, sollte doch wenigstens das Abschauen in der Schule verstanden worden sein. So frage ich: Welches Land hat denn außer Deutschland solch eine fiskalische Übervorsicht noch in seine Verfassung geschrieben und was machen eigentlich unsere Konkurrenten auf dem Weltmarkt in den USA, in Großbritannien, wo mit milliardenschweren Subventionsprogrammen die Erneuerung des Wirtschaftsstandorts vorangetrieben wird? Die größte öffentliche Subventionsschleife mit 370 Milliarden US-Dollar unter der Überschrift „Inflation Reduction Act“ in den USA mit 370 Milliarden US-Dollar läuft. Dieses Subventionsprogramm hat man nicht aufgelegt, weil man dort Freude am reinen Geldausgeben hat, sondern weil man es durchgerechnet hat. Je eher die Investitionen in den Strukturwandel zur Klimaneutralität, umso effektiver und nicht nur, weil es später teuer wird, sondern weil auch die Effekte später eintreten, die man sich verspricht. Wer langsamer unterwegs ist, kommt nicht schneller ans Ziel.

Und bei uns so? Die Verunsicherung ist überall zu spüren, der wirtschaftlichen Entwicklung ist schon allein dadurch ein maximaler Schaden entstanden, auch in Thüringen, zwei von vier Projekten im Bereich der Mikroelektronik sind noch nicht beschieden. Wie der Wirtschaftsminister sich in der Presse zitieren ließ, steht auch die Bescheidung in den Sternen.

 

Viele Bund-Länder-Programme werden später zur Bescheidung kommen, das führt zu Verzögerungen, mindestens wird es damit teurer, wenn nicht Projekte und Vorhaben völlig gestrichen werden, wie zum Beispiel der Aufbau eines Wasserstoff-Pipeline-Netzes. Die Folgen wären für Ostdeutschland fatal. Und anstatt jetzt einer schwarzen Null weiter hinterherzurennen, wäre es höchste Zeit, dass unser Land bei der Energiewende der Dekarbonisierung der Wirtschaft endlich Fahrt aufnimmt. Das betrifft auch die Modernisierung der Infrastruktur insgesamt, von Verwaltung über Bildung, Gesundheit, Sport und Kultur. Dafür müssen jetzt verlässliche Rahmenbedingungen mit Investitionsanreizen geschaffen werden, damit endlich Planungssicherheit für Unternehmen und Menschen hier in Thüringen und in Deutschland hergestellt wird. Jeder Monat Verzögerung ist ein Sargnagel für die Zukunft des Industriestandorts und damit für die Arbeitsplätze in Thüringen. Deswegen sage ich: Wer an der Schuldenbremse festhält, wird zur Zukunftsbremse für unser Land. Mit Generationengerechtigkeit hat das nichts zu tun. Ohne Zukunftsinvestitionen keine Zukunft. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE)

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