Schluss mit dem Bildungschaos in Thüringen – Schulen brauchen Verlässlichkeit und engagierte Lehrer statt neuer Reformen

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2452

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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Eberl von der Evangelischen Schulstiftung, es freut mich, dass auch die Freien Schulen bei diesem Thema vertreten sind. Kollege Liebermann vom Beamtenbund, Sie sind auch noch nicht begrüßt worden.


(Unruhe CDU)


Es freut mich ganz besonders, dass Vertreterinnen und Vertreter des Hauptpersonalrats, insbesondere die Vorsitzende, Frau Bärbel Brockmann – Sie werden sie gar nicht kennen, seien Sie doch mal ruhig! –, da ist bei dieser wichtigen Debatte, die wir heute aber nicht zum ersten Mal führen.

Ich will auf meinen Vorredner, Herrn Abgeordneten Mohring, eingehen und fragen. Es war zu erwarten. Sie reden nicht zum Thema, schon gleich gar nicht zu Ihrem Antrag.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was mich aber dann doch verwundert hat: Ist es nicht so, Herr Mohring, dass auch ein Vater – wie Sie gesagt haben – der Schulze oder Meier oder zufälligerweise Lauinger heißt, dass dieser Vater nicht auch die Möglichkeit haben muss, einen Rechtsakt, einen Verwaltungsakt, vom Schulamt ausgesprochen für das eigene Kind, in Frage zu stellen,


(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da rufen die alle in der Staatskanzlei an!)


der einen Tag vor Antritt einer Fahrt für einen Auslandsaufenthalt im Rahmen der Beschulung wieder aufgehoben werden soll? Ist es denn nicht …


(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Das arme Kind!)


Ja, das arme Kind, das hier an die Öffentlichkeit gezogen wird, das sehe ich so wie Sie.


(Unruhe DIE LINKE)


(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ihr solltet euch was schämen!)



Vizepräsident Höhn:


Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte doch, die Aufgeregtheit wieder etwas einzudämmen und dem Redner die volle Aufmerksamkeit zu widmen.


Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Vielen Dank, Herr Präsident. Ist es denn nicht völlig normal, dass sich Eltern dann sorgen und sich fragen, was sollen wir denn da machen, und dass sie ihre Möglichkeiten nutzen und auch im Ministerium nachfragen?


(Unruhe CDU)


Ich halte das für einen ganz normalen Vorgang, der tagtäglich zu Dutzenden im Ministerium und in den Schulämtern stattfindet. Ich weiß überhaupt nicht, worin jetzt hier die Aufregung bestehen soll.


(Unruhe CDU)


(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Das ist ja das Schlimme!)


Ich sage Ihnen auch, dass Sie sich auch auf die Besondere Leistungsfeststellung offensichtlich als elftes Gebot beziehen. Die Besondere Leistungsfeststellung ist ein besonderer Thüringer Weg, der entstanden ist, weil Sie eine Schulpolitik der Ausgrenzung betrieben haben.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Erst, als das schiefgegangen ist, erst dann sind Sie darauf gekommen und haben gesagt: Hier brauchen wir eine Besondere Leistungsfeststellung. Dann hören Sie sich doch einmal um bei den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, wie sie unter dieser Mehrbelastung stehen und sagen: Das bringt uns gar nichts! Und wenn 180 Schülerinnen und Schüler in Thüringen diese Besondere Leistungsfeststellung nicht bestehen, sage ich, dann sollen wir mal die besondere Leistungsfeststellung in Frage stellen und nicht eine CDU-Schulpolitik bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag weitermachen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Vizepräsident Höhn:


Meine Damen und Herren, Sie machen es uns aber heute besonders schwer auf dem Podium.


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das ist ja auch besonderer Unsinn!)


Herr Kollege, die Freiheit des Wortes gilt auch hier im Plenarsaal des Thüringer Landtags. Herr Abgeordneter Wolf, Sie haben das Wort.



Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Dieser Meinung können Sie gern sein und Sie können sich gern dazu melden, wenn Sie irgendetwas dazu beizutragen haben, was mit Bildung zu tun hat. Das würde ich bei Ihnen noch bezweifeln.


(Unruhe CDU)


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen ja: Jedem Neuanfang wohnt sprichwörtlich ein Zauber inne. Nun ist eine gute Vorbereitung auf ein Schuljahr im Ministerium, den Schulämtern, den Schulen alles andere als Zauberei. Ich möchte daher allen, die an der Vorbereitung des Schuljahres 2016/2017 beteiligt waren, seitens meiner Fraktion danken und bin mir sicher, dass diese Vorbereitung dazu führen wird, dass die Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler in Thüringen bestmögliche Bedingungen für das Schuljahr haben, gemessen aber an dem Maß, dass in Zeiten des demografischen Wandels – Frau Ministerin ist darauf schon eingegangen – viele Herausforderungen auch in den Schulen tagtäglich noch zu lösen sind. Allen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern wünsche ich von hier aus ein erfolgreiches Schuljahr.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als ich Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, gelesen habe, habe ich mir so gedacht: Aha. Mike Mohring, da er auch in einem MDR-Interview eingestanden hat, dass Urlaub dieses Jahr nicht so seine Sache war, hat ein Interview gegeben und dabei ist er auf die Idee gekommen, mir fehlt noch ein Thema für ein Sonderplenum. Und da hat er dann wahrscheinlich bei Kollege Tischner angerufen. Ich vermute einmal eher, da Kollege Tischner in Italien in Urlaub war, bei der Referentin von Kollege Tischner. Und die armen Menschen mussten


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Falsch, falsch, falsch!)


dann alles das zusammenschustern und zusammenschreiben,


(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Nach Italien fährt immer jemand anderes!)


was hier im letzten Jahr im Plenum oder im Bildungsausschuss schon hinlänglich besprochen und geklärt worden ist. Nun ist es aber nicht so wie bei Witwe Bolte, dass es besser schmeckt, nur weil es wieder aufgewärmt ist. Ganz im Gegenteil! Ihr Antrag, da steckt so viel Unsinn darin. Frau Ministerin ist schon darauf eingegangen, ich werde dazu auch noch etwas sagen, dass Ihr aufgewärmter Antrag weder was mit Bildungspolitik zu tun hat und schon gleich gar nicht mit einer zukunftsweisenden Personalpolitik. Also er schmeckt überhaupt nicht und das werden wir jetzt auch noch einmal im Einzelnen durchgehen.


Es gibt in China eine Weisheit die sagt: Man braucht zum Segeln nicht nur den Wind, sondern man braucht auch Segel! Und eigentlich sind das Entscheidende am Segeln, damit man auch ankommt, die Segel und nicht der Wind. Nun kann man sich natürlich fragen, was hat das mit Ihrem Antrag zu tun? Ich will das auch in Fragen fassen: Was hat denn die CDU in ihrer 24-jährigen Regierungsverantwortung in Thüringen und seit zwei Jahren in der Opposition getan und beigetragen, um von dem CDU-iniziierten Chaos Abhilfe zu schaffen? Was haben wir als rot-rot-grüne Landesregierung seit dem getan


(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Sie haben das Chaos angerichtet!)


und wie müssen wir denn die Segel setzen, um für alle auch sicher durch alle Wetterlagen, Strömungen und eventuellen Havariefällen das schwere Schiff „Bildung“ steuern zu können? Der CDU-Antrag befasst sich schwerpunktmäßig mit den Themen „Schulgesetz“, „Besoldungsgesetz“, „Steuerung von Schule und Bildung“, „Haushalt“ – hier insbesondere Klassenfahrten und Gebühren für Spezialgymnasien für Unterbringung und Verpflegung – und im weitesten Sinne auch „Ganztagsschule“ und „Schulentwicklung“ selbst. Zu all diesen Themen hat die CDU eine tapfer gefasste Meinung der letzten zwei Jahre: Das geht erst einmal alles gar nicht.


Die Landesregierung soll nach Ihrem Antrag folgend im Schulgesetz Regelungen unterlassen, die eine Steuerung von sinnvollen Schulgrößen beinhaltet. Dieses Kirchturmdenken der CDU würde aber vor allem zulasten der Kinder und Pädagoginnen und Pädagogen gehen. Warum? Weil Kleinstgrundschulen und kleine Regelschulen keine gute pädagogischen Angebote mehr sicherstellen können, die notwendig zur individuellen Förderung sind und, dass Lehrer nicht ständig zu Reisekadern gemacht werden. Was auch wiederum zulasten der Gesundheit geht. Sie müssen hier schon einmal Farbe bekennen, wie gerecht ist das denn, dass Kinder in kleinen Grund- und Regelschulen in einer Klasse mit 15 oder nur zwölf anderen Kindern zusammen lernen können, während Kinder aus Erfurt, aus meiner Heimatstadt Jena oder anderen Städten in Klassen sitzen, wo 27 bis 30 Kinder heutzutage ganz normal sind.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Also doch Schulen schließen!)


Sie können sicherlich auch Auskunft darüber geben, welche Konsequenzen die CDU-Landesregierung aus seit Ende der 90er-Jahre bekannten Reformbedarfen im Bereich „Schule“ gezogen haben? Der eigentlich Skandal ist, dass Sie sich hier hinstellen und vom Chaos fabulieren, aber die allermeisten Baustellen, die Schulen wirklich täglich beschäftigen, nämlich das, was zur Unterrichtsabsicherung notwendig ist, das geht auf Ihr Versagen zurück! Aber wir werden diese Herausforderung als rot-rot-grüne Landesregierung lösen und uns vom CDU-Gezänk nicht von unserem Weg abbringen lassen.


Weiterhin hat die CDU in ihrer Verantwortung für den Bereich Bildung und zuletzt Finanzen Vorschläge zur Weiterentwicklung des längst veralteten Sockelfaktoren-Modells nach ThVPS vorgelegt, dass die eigentliche Problematik der fehlenden Ausstattung mit Lehrkräften an den Schulen beinhaltet? Haben Sie das vorgelegt? Nein, haben Sie nicht. Warum ist das notwendig? Einerseits, da es der Landesrechnungshof schon lange angemahnt hat. Wir haben uns das jetzt als Haushalts- und Finanzausschuss dauerhaft auf die Tagesordnung gesetzt. Andererseits, da dieses ein Personalsteuerungsinstrument aus Zeiten des Personalüberhangs ist, welches zwangsläufig in Zeiten des beginnenden Personalmangels völlig ungeeignet ist. Hat die CDU heute Vorschläge, wie die Schulen mit einem Personalabbaupfad der CDU im Bereich Schule umgehen sollen? Gar nichts.

Man kann nur immer wiederholen: Das laute Wehklagen der CDU über zeitweisen schulspezifischen Fachlehrermangel korrespondiert natürlich überhaupt nicht mit dem Beschluss der Regierung Lieberknecht, noch weitere 2.000 Lehrerstellen abzubauen. Hat die CDU in den Haushaltsdebatten hier 2015 und auch für den jetzigen Doppelhaushalt auch nur einen Vorschlag, einen Antrag dazu eingebracht, Kollege Emde? Null. Völliger Ausfall. Sieht so die staatspolitische Verantwortung der CDU für den Zukunftsbereich Bildung oder gar das Land Thüringen aus?


(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich kommt die größte Überraschung aber in Punkt 2 Ihrer Forderungen. Sie wollen kein inklusives Schulgesetz. Herr Mohring und Herr Tischner, Sie können vor dem Hintergrund Ihres christlichen Menschenbildes natürlich erklären, warum Sie es für notwendig halten, dass Kinder – um einmal Gerhard Schöne zu zitieren – „die nicht stark, nicht schnell sind, Kinder, die nicht ganz so hell sind“ –, warum diese Kinder dauerhaft in Schulen unterrichtet werden sollen, in denen nur 10 bis 30 Prozent der Schulabgänger überhaupt einen regulären Schulabschluss haben und so ein Leben lang stigmatisiert werden. Das können Sie sicherlich mit Ihrem christlichen Menschenbild erklären.

Können Sie erklären, warum Sie den Entwicklungsplan Inklusion als Regierungsfraktion in der letzten Legislatur mitgetragen haben, bei dessen Umsetzung Sie uns heute aber nahezu wortgleich mit den Rechtspopulisten der AfD eine bildungspolitische Kampfansage entgegenschleudern?


(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ist so ein Schwachsinn!)


Wenn das für die CDU eine gute Gesellschaft ist…


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Herr Wolf, es ist schön, dass Sie Schulen abschaffen wollen!)


Ich versuche einmal, eine Erklärung zu liefern. Es kommt Ihnen gar nicht auf die Unterstützung der Schwachen an, so wie es gute Christenpflicht wäre.



Vizepräsident Höhn:


Einen kleinen Augenblick, bitte. Herr Kollege Wolf, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

 


Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Ich halte es da wie Kollege Mohring. Sie haben heute noch Rederecht.



Vizepräsident Höhn:


Herr Tischner, der Wunsch nach einer Frage ist leider abgelehnt.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aber er wollte doch was wissen!)



Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Die Erklärung, die ich Ihnen dazu liefere, ist: Sie wollen Ihr gegliedertes Schulsystem mit manifester Trennung von vermeintlich Starken, die häufig nur das Glück hatten, in sozial starke Familien hineingeboren worden zu sein, und vermeintlich Schwachen, die dieses Glück eben nicht hatten, unbedingt aufrechterhalten. Bildungspolitik einer Landesregierung unter Linken, Sozialdemokraten, Grünen sieht aber genau das vor: Individuelle Förderung aller, keiner darf ohne Abschluss abgehen, Schulentwicklung unter Einbezug des Sozialraums Schule und aufgabengerechte Personalausstattung. Das ist der Anspruch der rot-rot-grünen Landesregierung. Daran lässt sich Frau Bildungsministerin sicherlich gern messen.


Viele der nachfolgenden Punkte beschäftigen sich im Wesentlichen mit der Novellierung des Besoldungsgesetzes. Erinnern wir uns zurück: Im Jahre 2008, das letzte Jahr der CDU-Alleinregierung, wurde das Besoldungsgesetz in der Art geändert, dass wir heute vor schier unlösbaren Aufgaben stehen. Ich sage es hier ganz klar: Die CDU ist dafür verantwortlich, dass in Thüringen die Lehrer im unteren Drittel bezahlt werden. Das uns im Bereich der Absicherung der Lehrerbildung zweite Phase die notwendigen Ämter fehlen und das wir keine Beförderung oder kaum – zumindest keine ausreichende Beförderung in den letzten acht Jahren zu den Schulleiteraufgaben mehr vorgenommen haben. Denn wer hier bis 2014 die Gesamtverantwortung in der Landesregierung und das federführende Finanzministerium inne hatte, ist ja wohl auch klar: Das war die CDU.


Die Gewerkschaften und Verbände und die damals noch in der Opposition befindlichen, heute in Regierungsverantwortung befindlichen Fraktionen, haben dies immer wieder kritisiert, aber gute Bildung stand für die CDU unter Althaus, Lieberknecht, Voss immer unter Finanzierungsvorbehalt. Es wurden Fehler gemacht, die uns heute die größten Probleme bereiten. Um nur einmal den größten CDU-Bock zu benennen: die Teilzeitverbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern. Dies brachte nach dem entsprechenden Urteil einen Personalüberhang, welcher erst heute abgearbeitet werden kann,


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aha, aha – genau!)


wir also heute kaum noch Überhänge an den Schulen haben. Dies hat dazu geführt, dass wir heute bundesweit die ältesten Lehrerinnen und Lehrer haben. Das wiederum führt zu Krankenständen, die deutlich über dem Bundesschnitt sind, zu verhinderten pädagogischen Entwicklungssprüngen in der Schulentwicklung und damit zu dem Bildungschaos á la CDU, wie die drei Affen: nichts hören, nichts sehen, aber am lautesten schreien. Dies alles wurde durch die damals von meiner Fraktion heftig kritisierte Fehlentscheidung der Lehrerverbeamtung erzeugt. So wie heute ist eine Lehrerverbeamtung kein irgendwie geartetes Mittel zur Lösung von bildungs- oder personalpolitischen Problemen, vielleicht von finanzpolitischen Problemen, das wird man sehen. Im Übrigen kann sich heute noch nicht einmal jemand auf die jungen Pädagoginnen und Pädagogen selbst berufen, denn wie eine Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Jahr 2014 unter den Referendaren gezeigt hat, wünscht sich gerade mal knapp die Hälfte der im Vorbereitungsdienst Befindlichen eine Verbeamtung.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Manipuliert oder was?)


Hören Sie doch einfach mal zu, Herr Tischner, es wird Ihnen nicht schaden!

Auch hier wird die Landesregierung in Abstimmung mit den Fraktionen einen Weg finden, die dringend benötigten Fachlehrer dauerhaft an Thüringen binden zu können, was ohne Zweifel besser über eine Verbeamtung gelingt, und der gleichzeitig die notwendigen Änderungen eines aufgabengerechten Besoldungsgesetzes für gute Bildung realisiert.

Wer aber jenseits von Statusfragen wissen will, wie die Zukunft in den Schulen aussehen wird, muss mal in andere Bundesländer sehen. Nehmen wir zum Beispiel Sachsen. Dort haben wir in einzelnen Schularten, wie der dortigen Oberschule, heute schon 60 Prozent Seiteneinsteiger. In anderen Bundesländern werden andere Regelungen zu Vorbereitungsdiensten für Seiteneinsteiger und Nachqualifizierungsprogramme angeboten. Wir tun gut daran, den Koalitionsvertrag umzusetzen und echte Entwicklungschancen für dringend notwendige Seiteneinsteiger anzugehen und die Schulen in ihrer Eigenverantwortung bei der Personalauswahl zu stärken.


Sie haben, Kollege Tischner, in Ihrem Antrag gefordert, früher in die Auswahl geeigneter Bewerber einzusteigen. Das, was Kollege Emde hier gesagt hat, ist purer Unsinn. Ich will das hier noch mal sagen: Wenn im Mai in Bayern eingestellt wird, aber erst im Juni/Juli die entsprechenden Prüfungen abgenommen werden, kann logischerweise nur das Vorgängerjahr überhaupt eingestellt werden. Das sollte man sich auch aufseiten der CDU noch mal genauer ansehen. Sehen wir aber mal vom Hase-und-Igel-Effekt, der das mit sich bringt, ab, ist es dann nicht sinnvoller, den Schulen die Verantwortung für die Personalauswahl selbst zu übertragen? Wissen nicht die Schulleitungen, die örtlichen Personalräte und eventuell die Schulkonferenzen viel besser, welche Lehrkraft für welches Schulkonzept geeignet ist? Macht es nicht darüber hinaus auch Sinn, sich bei der Auswahl der Lehramtsanwärter diese nach einer möglich zu besetzenden Stelle der Schule auszusuchen?


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ihr zentralisiert doch alles!)


Lieber Kollege Tischner, denken Sie doch nicht immer so formal, denken Sie auch einmal im Sinne der Schulen!


Natürlich sind manche Diskussionen auch immer wieder spannend, wie zum Beispiel die sogenannte Bestenauslese. Das, was sich die Grundgesetzväter und  mütter völlig zutreffend richtig gedacht haben, läuft automatisch dann leer, wenn wir weniger ausbilden als wir perspektivisch einstellen müssen. Auch hier will ich auf die Verantwortung der CDU bezüglich des Besoldungsgesetzes aus dem Jahr 2008 verweisen und auch darauf, dass Thüringen das einzige Bundesland ist, welches die wichtige Aufgabe des Fachleisters an einem Studienseminar nicht mit einem eigenen Amt besetzt. Die Wirkung ist heute schon da. Obwohl die Vorgängerregierung geplant hatte, die Ausbildungskapazität in der zweiten Phase auf 1.200 zu erhöhen, ist sie aufgrund mangelnder Fachleiter um 100 Lehramtsanwärter zurückgegangen. Besonders schlimm wird sich dies im Bereich Förderpädagogik auswirken, wo wir noch ganze fünf Lehramtsanwärter haben – fünf, bei einem jährlich kurzfristigen Einstellungsbedarf von 100 bis 120 Förderpädagogen. Auf diese Bestenauslese bin ich dann heute schon mal gespannt. Eine tatsächliche Auslese unter geeigneten Bewerbern kann man nur vornehmen, wenn man selbst auch nach Einstellungsbedarf ausbildet. Nun kann natürlich jeder seine Meinung kundtun, mit wie wenigen Lehrern wir unsere Kinder bestens auf das Leben vorbereiten können. Wir haben als rot-rot-grüne Landesregierung in den Jahren 2015/2016 Einstellungen vorgenommen, die den Abgangszahlen entsprechen. Wir haben damit so viele junge Pädagoginnen und Pädagogen eingestellt wie keine Landesregierung in den letzten zehn Jahren. Das wird natürlich auch die Verjüngung in den Lehrerzimmern befördern, wird die Krankenstände abschmelzen und neue pädagogische Methoden in die Schulen bringen. Ich sage: Gut so!

Wir haben ein Schulbauprogramm aufgelegt. Die letzte CDU-geführte Landesregierung hatte ganze 12 Millionen Euro pro Jahr für Schulbauinvestitionen. Wir haben pro Jahr 30 Millionen Euro. Wir haben darüber hinaus die Schulen in die Lage versetzt, mit den neuen Herausforderungen der Integration in unseren Bildungseinrichtungen umzugehen.


(Beifall DIE LINKE)


Wir haben die freien Schulen – immerhin zehn Prozent der Schüler werden dort unterrichtet. Den freien Schulen haben wir Sicherung und gute Entwicklungsperspektiven gegeben, die sie unter der CDU-geführten Landesregierung eben nicht hatten. Wir haben darüber hinaus die Voraussetzung für eine gute ganztägige Bildung geschaffen, indem wir allen Beschäftigten, die es wollten, Beschäftigungssicherheit gegeben haben – durch dauerhafte Beschäftigung. Dies alles haben wir, hat Bildungsministerin Dr. Klaubert realisiert – bei gleichzeitiger Haushaltskonsolidierung durch Rot-Rot-Grün. Dafür verdient sie meinen Dank und meine Anerkennung.


Der Bereich „Schule“ ist der einzige Bereich im Land, wo auf Grundlage der Zahlen der Kinder, der Stundentafel, der Lehrerarbeitszeit und der Altersstruktur der Lehrer ein durchgerechnetes Personalkonzept bis 2022 existiert. Die darin enthaltenen Zahlen sind auch heute noch aktuell – und zwar fachspezifisch –, weil sich an den Parametern überhaupt nichts geändert hat. Die Überhänge an den Schulen – ich hatte es schon gesagt – sind weg. Und wenn man sich das Personalentwicklungskonzept ansieht, dann stellt man fest, dass wir 2018 einen Ersatzbedarf – einen Ersatzbedarf – von 800 Stellen und 2019 von 850 Stellen haben. Zusätzlich brauchen wir – wie auch von der GEW und anderen Lehrerverbänden, dem Thüringer Lehrerverband, gefordert – eine Personalreserve, die auch in den Schulen ankommt. Also wird sich der Einstellungsbedarf 2018 in etwa bei 1.000 Stellen bewegen müssen und 2019 bei 1.050. Die Regierungsfraktionen werden sich in den Haushaltsberatungen eingehend mit den Einstellungsbedarfen beschäftigen, natürlich mit dem Ziel, alle ausscheidenden Pädagoginnen und Pädagogen zu ersetzen und darüber hinaus auch wirklich auf die steigenden Kinderzahlen einzugehen. Schauen wir auch da wieder nach Sachsen. Sachsen ersetzt alle ausscheidenden Lehrerinnen und Lehrer eins zu eins. Zusätzlich werden jedes Jahr 500 Lehrstellen ausgebracht – nicht zusätzliche Lehrstellen, sondern Lehrstellen als unbefristete Lehrerstellen –, die dann abgebaut werden, wenn die Kinderzahlen wieder zurückgehen. Was wir brauchen, ist also, dass wir auch tatsächlich nach Bedarf einstellen. Wir werden das auf jeden Fall so in die Haushaltsberatungen mitnehmen.


Was müsste und sollte weiterhin getan werden, um einerseits den Krankenstand sofort merklich zu senken und andererseits noch mehr junge Pädagoginnen und Pädagogen in den Thüringer Schuldienst zu holen und so die verfestigten Altersstrukturen aufzubrechen? Die Antwort ist so schnell wie einfach zu realisieren: Teilzeit auch für Lehrer. Ich sage es hier mal ganz klar: Ich bin Finanzministerin Taubert sehr dankbar, dass sie gerade in den letzten Tagen bezüglich der Krankenstände in der öffentlichen Verwaltung im Land darauf aufmerksam gemacht hat, dass Teilzeit dort natürlich ein wesentliches Instrument sein kann. Nun können sich einige fragen, warum Lehrer keine oder kaum Teilzeit nehmen. Fakt ist doch, dass ein Mathe-Physik-Lehrer oder eine Kunst-Latein-Lehrerin, die für sich selbst einschätzt, dass sie den Anforderungen einer 100-Prozent-Stelle nicht mehr gewachsen ist, heute Schwierigkeiten hat, aufgrund des Mangelfaches auf 80 Prozent zu gehen und so einen Tag für sich selbst wenigstens in der Woche noch einmal hat, sich zu motivieren zusätzlich und auch was für die Gesundheitsvorsorge zu tun. Es muss aber abgesichert werden, dass die restlichen Stellenanteile, die entstehen, zusammengezogen werden, um diese zusammengezogenen Stellen mit jungen Pädagoginnen und Pädagogen neu zu besetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass wir dadurch einen kräftigen Spareffekt durch die niedrigeren Stufen hätten, ist dies im Personalentwicklungskonzept Schule alles durchgerechnet und rechtlich durchgeprüft. Das kann sofort umgesetzt werden und sollte auch sofort umgesetzt werden.

Kommen wir zurück zu dem wenig geglückten CDU-Antrag. Sie haben da alle Ihre bereits im Ausschuss und im Plenum letzten Herbst diskutierten Positionen reingepackt, damit es mächtig und nach viel aussieht. Ich sage Ihnen, es sieht eher dünn und chaotisch aus.


(Beifall DIE LINKE)


So haben Sie rechtlich völlig unhaltbare Forderungen, wie ein Schulleiterversprechen, drin, welches mal eben den Rechtsstaat infrage stellt. Sie haben unbelegte Aussagen aller unterfinanzierten Klassenfahrten-Regelungen drin, die im Übrigen in anderen Bundesländern in der gleichen Art wie in Thüringen so angewandt werden. Sie haben typische Forderungen einer Oppositionsfraktion drin, wie die Aushebelung der Landeshaushaltsordnung bei den Gebühren zur Unterbringung und Verpflegung an den Spezialgymnasien. Auch hier, selbst wenn Sie das gern skandalisieren: Es ist rechtens, Gebühren aller drei Jahre und nicht nur aller acht Jahre anzupassen. Diese Anpassung hat gar nichts mit einem von Ihnen unterstellten Fremdeln der Linken gegenüber begabten Schülerinnen und Schülern zu tun, sondern ist konsequent rechtskonformes Handeln einer Landesregierung, schlicht und einfach.


Richtig abstrus wurde es aber, wenn man sich die eigentlichen bildungspolitischen Herausforderungen ansieht und was die CDU dazu zu sagen hat. Das große Thema der Bildung ist seit Jahren der Umgang mit Heterogenität als gesellschaftlicher Auftrag der Integration aller in unserer Gesellschaft und in die Arbeitswelt. Untersetzen lässt sich das Thema „Umgang mit Heterogenität“ unter anderem durch Inklusion, ganztägige Bildung, Umgang mit kulturellen und sprachlichen Barrieren und Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien. Dazu braucht es nicht nur personell wie räumlich gut ausgestattete Bildungseinrichtungen, sondern auch frühkindliche Förderung, Steuerung von Bildungsprozessen im lokalen Raum und flächendeckende Angebote eines längeren gemeinsamen Lernens in den Klassenstufen 1 bis 12, also Gemeinschaftsschule. Sagt zu diesen Herausforderungen Ihr Antrag irgendetwas? Wenig, und dann nach dem Grundsatz, das alles will die CDU nicht.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wir wollen erhalten!)


So bleiben Sie natürlich auf dem Stand der 90er-Jahre stehen und verbauen den Schulen, den Schülern und Eltern Entwicklungsmöglichkeiten, für die Thüringen als Land einmal wie kein anderes stand, das Land der Reformen in der Pädagogik.


Sie als CDU haben die Wahl, Thüringen mitzugestalten und den Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben oder Ihren Kurs kleinlichen Kritikertums weiter fortzusetzen und sich so den Ruf Ihres CDU-Parteifreundes und Jenaer Bürgermeisters Schenker tagtäglich neu zu verdienen. Schenker sagte 2014, die CDU hat ein Bildungsverständnis wie aus der Kaiserzeit.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir als rot-rot-grüne Landesregierung hingegen gestalten auch im Bildungsbereich mit dem Anspruch der bestmöglichen Teilhabe für alle und werden Thüringen fair-ändern. Darauf können sich die Thüringer Lehrer, Erzieher, Eltern und Schüler verlassen.

Um auf die eingangs erwähnte chinesische Weisheit zurückzukommen: Wir stellen auch im Bildungsbereich die Segel richtig, damit wir das Boot sicher ans Ziel bringen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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