Rettungsschirm für die Thüringer Kommunen

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/353 -

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst, Herr Innenminister, meine Anerkennung. Das war eine Berichterstattung, die sich wohltuend von denen Ihrer Vorgänger verabschiedet hat bzw. unterscheidet. Was ich damit sagen wollte, Sie haben sich von diesem Konzept Ihrer Vorgänger verabschiedet, die Dinge, die DIE LINKE hier thematisiert hat, zu bagatellisieren. Sie nehmen uns ernst und das findet erst einmal Anerkennung.

(Beifall DIE LINKE)

Sie werden Verständnis haben, dass wir mit einigen Ihrer Aussagen so nicht zufrieden sind, weil sie aus unserer Wahrnehmung heraus das Leben in den Kommunen nicht so widerspiegeln. Das ist sicherlich rechtstheoretisch alles richtig, was Sie gesagt haben, und damit will ich vielleicht anfangen, ich würde Sie bitten, Ihre sehr überzeugende Argumentation zur vorläufigen Haushaltsführung, was dort möglich ist, nicht nur den Kommunen zur Verfügung zu stellen, sondern den Rechtsaufsichtsbehörden,

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil die es nicht wissen und zu Ihnen gehören. Die gehören in Ihren Verantwortungsbereich. Ich fand das sehr überzeugend. Viele Kommunen, Bürgermeister, Stadträte, Gemeinde- und Kreistagsmitglieder argumentieren genauso wie Sie, stoßen aber bei den Rechtsaufsichtsbehörden auf völliges Unverständnis. Die sind nach unserer Wahrnehmung die Blockierer in dieser Phase. Wenn wir das hinbekommen, dann kommen wir wirklich einen Schritt weiter und dann wäre vielleicht auch unser Antrag gar nicht erforderlich gewesen. Aber unser Antrag resultiert aus einer Vielzahl von Hilferufen der kommunalen Ebenen, die gesagt haben, wir kommen jetzt nicht weiter, weil es sicherlich auch vereinzelt Bürgermeister und Landräte gibt, die sehr froh sind über die vorläufige Haushaltsführung, weil man in dieser Phase sich sehr leicht von Projekten verabschieden kann, wo man politisch vielleicht nicht so dahintersteht - man kann da so eine Bereinigung durchführen. Das ist aber zum Glück nur der Einzelfall, aber das gibt es auch. Aber das Hauptproblem sind die Rechtsaufsichtsbehörden. Ich würde Ihnen auch empfehlen, sich mit unseren Vorschlägen zur vorläufigen Haushaltsführung, die wir in der 4. Legislaturperiode hier als Gesetzentwurf eingebracht haben unter dem Stichwort "Flexibilisierung des kommunalen Haushaltsrechts", noch mal zu beschäftigen, das greift nämlich Ihre Argumentation genau auf. Vielleicht können Sie in Ihrer Fraktion dafür werben, dass Ihre Fraktion das vielleicht aufgreift und hier einbringt, denn das würde auch viele Dinge entspannen.

Wir sind der Überzeugung, eines der Hauptprobleme im kommunalen Haushaltsrecht ist die Jährlichkeit. Wir wissen noch nicht mal, ob das zeitgemäß ist, das hat der Herr von Stein vor 200 Jahren mal entwickelt. Wir leben jetzt im 21. Jahrhundert und halten noch starr an diesem Jährlichkeitsgrundsatz fest, da müssten wir flexibler sein. Wir hatten dort Vorschläge unterbreitet, wie auch im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung zusätzliche Investitionen auf den Weg gebracht werden können. Das ist ein weiteres Problem, wie Zuschüsse an Dritte, die meist Aufgaben im kommunalen Interesse erfüllen, dort besser realisiert werden können. Wir bieten Ihnen das an, diese Vorschläge aufzugreifen. Sollten Sie in Ihrer Fraktion kein Gehör finden, würden wir natürlich auch unsere Vorschläge noch mal selbst einbringen, um so die Diskussion hier noch mal in Gang zu bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, beim verspäteten Landeshaushalt geht es nicht um die allgemeinen Zuweisungen, die Schlüsselzuweisungen, da haben Sie richtigerweise gesagt, da gibt es Abschläge, das läuft da, es geht um die besonderen Finanzzuweisungen, also die mit einer Zweckbindung versehen sind. Das sind gerade im kulturellen Bereich, im sozialen Bereich, im Jugendbereich die Kofinanzierungsmittel. Da geht jetzt so ein Prozess vor sich, ich nenne den immer den Prozess der organisierten Verantwortungslosigkeit, denn die Kommune sagt, das Land äußert sich nicht, das Land sagt, die Kommunen sind schuld und die Betroffenen sind völlig hilflos und wissen nicht wie weiter. Jetzt haben wir einen Weg aufgezeigt, wie Sie als Innenminister ohne Landeshaushalt schnell helfen können und die jetzt zu leistenden Abschlagszahlungen könnten, die dann mit den endgültigen Leistungen verrechnet werden. Wir wollen gar nicht, dass die Kommunen dann mehr bekommen sollen, sondern sie sollen jetzt erst mal Geld bekommen - und das ist der Landesausgleichsstock. Der hat den Charme, dass die Finanzministerin - sie ist nicht da - darauf am Jahresende nicht zugreifen kann, denn diese Mittel sind übertragbar. Das hat der Gesetzgeber bewusst so gewollt, dass er sagt, alle Mittel aus der Finanzmasse, die den Kommunen zustehen, sollen bei den Kommunen verbleiben und am Jahresende werden alle nicht verausgabten Mittel dort gesammelt und in das nächste Jahr übertragen. Damit haben Sie dort jetzt schon die Möglichkeit, aus diesem Topf Mittel zu entnehmen als Soforthilfe und auch mit Anrechnung auf künftige besondere Finanzzuweisungen. Das würde den Kommunen helfen und würde dieses Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit durchbrechen. Das brauchen wir als Signal.

(Beifall DIE LINKE)

Dass Mittel drin sein müssen, ist unstrittig, allein in dem Bereich "Finanzielle Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse" ist nur ein Teil der geplanten Gelder abgeflossen, so dass die Gelder auf alle Fälle zur Verfügung stehen. Da bitten wir Sie einfach noch mal, unseren Vorschlag wirklich in Ihrem Hause zu prüfen, ob das nicht ein gangbarer Weg ist.

Jetzt noch zu einigen Dingen, die Sie hier angesprochen haben, und damit wollten Sie ja begründen, dass unser Antrag nicht zielführend ist oder in bestimmten Teilen auch gar nicht notwendig gewesen wäre. Zunächst haben Sie auf die Mängel der Bedarfsermittlungen für den Kommunalen Finanzausgleich und die Korridorbildung verwiesen. Jetzt wird es wieder sehr abstrakt und ich laufe da auch immer Gefahr abzuschweifen, weil ich das mit Begeisterung mache und habe auch Verständnis, wenn nicht jeder in diesem Haus diese Begeisterung nachvollziehen kann. Ich habe festgestellt, Sie machen das auch mit Begeisterung und da treffen wir uns ja.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Dann sind es schon zwei.)

Ja, schon zwei Irre, ja, ja, das ist schon ... Es reicht noch nicht für eine Selbsthilfegruppe, es müssten sich noch zwei melden, ich glaube, ab vier geht das methodisch jetzt. Aber Herr Fiedler, Sie wollen nicht mitmachen? Nein ich hatte aber gefragt, wer mitmachen will, wenn sich jetzt alle 88 bei mir melden und sagen, sie machen nicht mit, das dauert dann zu lange.

Wir drehen das lieber um. Also die, die mitmachen wollen, können sich ja im Nachhinein am Rande des Innenausschusses - wir tagen heute noch - melden.

Also zur Korridorbildung: Sie haben recht, das haben auch wir nie infrage gestellt. Das System der Korridorbildung ist zulässig. Das respektieren wir auch. Die Frage ist aber, wie Sie den Korridor gewählt haben, nämlich zwischen 50 Prozent und 100 Prozent, das ist unsere Kritik, dass wir sagen, dadurch tritt die Wirkung ein, dass alle Kommunen, die Ausgaben über dem Durchschnitt haben, die nicht angerechnet bekommen. Das kann ja nicht sein, weil sich der Durchschnitt immer aus einer Gruppe von Ausgaben bildet, die entweder darunter- oder darüberliegen. Wenn ich dann den Korridor beim Durchschnitt nehme, das funktioniert mathematisch schon gar nicht. Deswegen haben wir vorgeschlagen, entweder eine Korridorbildung zwischen 50 und 150 Prozent oder wir sind auch bereit, zwischen 50 und 130 Prozent zu nehmen. Dann kann man tatsächlich einen Durchschnitt nehmen und kann die Ausreißer nach oben und nach unten rausnehmen. Das wäre ein solides Berechnungsverfahren und würde immerhin den Kommunen - ich habe es ausgerechnet - 280 Mio. € mehr bringen. Dass Sie das nicht wollen, Sie vielleicht, Sie wollen es ja, aber dass die Finanzministerin das nicht will, das ist mir schon klar.

So, und jetzt haben Sie gesagt in dem Zusammenhang, die Kommunen haben Ausgaben gemeldet, die sie gar nicht getätigt haben. Da bitte ich Sie einfach mal, das kommunale Leben noch stärker zu durchdringen. Da können wir mal zusammen durch das Land reisen, ich werde auch oft eingeladen und meist nicht zu Neujahrsempfängen oder Ähnlichem, sondern überall wo es brennt.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Das akzeptiere ich ja, ich bin ja immer für so eine Aufgabenteilung und ich versaue ja bei so einem Neujahrsempfang nur die Stimmung.

(Heiterkeit im Hause)

Da müssen mir Leute dann noch die Hand geben, die das eigentlich gar nicht wollen und ich bin für einen ehrlichen Umgang. Das braucht man bei mir nicht zu machen, das ist schon in Ordnung. Aber meine Wahrnehmung ist eben eine andere.

Die Kommunen müssen immer ihre Ausgaben der Einnahmesituation anpassen. Das haben wir als Gesetzgeber festgeschrieben, weil in Thüringen - in anderen Bundesländern ist das zum Teil anders, in Nordrhein-Westfalen ist das zum Teil anders - muss der Haushalt immer ausgeglichen sein. Also haben die Kommunen gar keine andere Chance, als ihre Ausgaben immer den Einnahmen anzupassen. Die Ausgaben bilden damit aber nicht mehr die Bedarfe ab, sondern orientieren sich eben nur an den Einnahmen. Die Kommunen müssen dort kürzen, wo es möglich ist. Da sind wir immer in zwei Bereichen, kurzfristig möglich bei Investitionen oder eben in diesen - nennen wir es - freiwilligen Bereichen, also in dem Bereich, der gesetzlich nicht normiert ist, wo die Kommunen selbst entscheiden können, ob und wie sie die Aufgabe wahrnehmen. Nur die zwei Bereiche haben Sie de facto als kurzfristige Konsolidierungsmasse. Die Bedarfe, die Sie ermittelt haben, bezogen sich auf den Zeitraum 2003 bis 2005 ursprünglich und das war die Zeit, wo es massive Steuermindereinnahmen gab aufgrund der Steuerrechtsänderung der Jahre 2001/2002, und wo wir 2005, wir nicht als Fraktion, sondern die Mehrheit hier im Haus, also die CDU, den Finanzausgleich um 200 Mio. € gekürzt hat. Da mussten die Kommunen ihre Ausgaben anpassen. Das aber zum Ausgangspunkt zu nehmen und zu sagen, das machen wir zum Bedarf, das wäre genauso, wenn Ihre Frau Sie jedes Wochenende zum Einkaufen schickt, bisher bekommen Sie 50 € und da haben Sie gesagt, es geht gerade so, und dann bekommen Sie nur 40 € und da sagen Sie, na mit 40 € geht es auch, also wir kommen nie wieder an die 50 € ran, was aber eigentlich den Bedarf abbildet. Da müssen Sie eben auf den Kasten Bier verzichten oder müssen umstellen auf Oettinger, das ist zwar kein Bier, aber es soll billig sein. Also, das funktioniert nicht. Entweder bildet man Bedarfe ab und da muss man das auch respektieren, was die Kommunen melden. Im Übrigen habe ich dort nicht das Gefühl, dass das ausufernd ist, sondern da sorgen auch wieder die Rechtsaufsichtsbehörden dafür, und dann kann so eine Korridorbildung, wie gesagt, verhindern, dass sehr fahrlässig damit umgegangen wird.

Aber einfach zu sagen, wir nehmen die Kassenstatistik und sagen, das sind die Bedarfe, das halten wir für unzulässig. Die Bedarfe müssen sich wirklich am Leben in den Kommunen orientieren. Darum bitte ich Sie einfach.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse für 2010 kennen wir nur den Referentenentwurf der Landesregierung. Aber da stellen wir bestimmte Mängel fest, die nicht zu akzeptieren sind, weil sie die Realität nicht abbilden. Da sind zunächst die Steuermindereinnahmen, die die Kommunen zu verkraften haben. da haben Sie einen relativ geringen Betrag drin mit 76 Mio. €. Aber die jetzige vorläufige Kassenstatistik sagt aus 115 Mio. € Steuermindereinnahmen im Jahr 2009 und im Jahr 2010 werden prognostiziert etwa 150 Mio. € Steuermindereinnahmen in den Kommunen.

Nun haben Sie gesagt, Sie erkennen kein strukturelles Problem bei den Steuereinnahmen, ich erkenne das schon seit Jahren. Sie können das sicherlich nachvollziehen, die Thüringer Kommunen haben eine Steuerdeckungsquote von rund 20 Prozent, also nur 20 Prozent der Einnahmen der Thüringer Kommunen resultieren aus eigenen Steuereinnahmen. In den alten Bundesländern liegt bei "gesunden" Gemeinden diese Steuerdeckungsquote zwischen 30 und 40 Prozent. Bei uns führt die geringe Steuerdeckungsquote dazu, dass eine hohe Abhängigkeit von den Landeszuweisungen da ist, nämlich 56 Prozent. Das erhöht die Verantwortung für uns, weil die Kommunen so abhängig sind. Sie haben mich sofort auf Ihrer Seite, wenn wir diese Abhängigkeit durchbrechen. Dann müssen wir den Kommunen aber ein höheres Steueraufkommen zuweisen. Das ist Bundessache, wir können nur im Bundesrat einwirken. Die bisherige Herangehensweise an das Steuerrecht hat eben genau das Gegenteil bewirkt. Die kommunale Steuerquote in unserer Finanzverfassung bundesweit liegt inzwischen nur noch bei 11,9 Prozent. Also nur noch 11,9 Prozent des Gesamtsteueraufkommens laufen in die Kommunen, wir waren schon mal bei 18 Prozent. Das war zugegebenerweise Ende der 80er-Jahre in der alten Bundesrepublik. In Dänemark liegt die kommunale Steuerdeckungsquote bei 40 Prozent, dort laufen 40 Prozent aller öffentlichen Einnahmen in die Kommunen. Damit haben die Kommunen in Dänemark eine ganz andere Position

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Und Dänen lügen nicht.)

und Sie werden nachvollziehen können, wenn wir Dänemark als Beispiel wählen, hat das noch nicht unseren Vorstellungen von einer anderen Gesellschaft zu tun, sondern das ist einfach nur eine andere Stellung der Kommunen im föderalen System. Dänemark ist kein föderales System, das ist klar. Aber nichtsdestotrotz hat Dänemark 40 Prozent der Steuern zur Verfügung, wir nur 11,9 Prozent.

Wenn Sie sagen, das ist kein strukturelles Problem, sehe ich das vollkommen anderes. Wir brauchen eine höhere kommunale Steuerquote, um die Abhängigkeit von den Landeszuweisungen zumindest zurückzudrängen. Wenn Sie in dieser Richtung mit uns gemeinsam kämpfen wollen, so haben Sie mich auch wieder an Ihrer Seite.

Jetzt geht es noch einmal um diese Steuerrechtsänderung. Da haben Sie gesagt, nicht jede Steuerrechtsänderung schlägt durch auf die Kommunen. Da ich ab und zu eine Anfrage stelle -

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Wenige.)

ja, ich habe noch Reserven, das war keine Drohung, das war eine Feststellung. Die Landesregierung hat geantwortet, ich habe einmal nachgefragt, die Steuerrechtsänderung seit 1999 auf die Kommunen runtergebrochen - 250 Mio. € im Jahr fehlen den Thüringer Kommunen nur durch Steuerrechtsänderungen. Das haben Sie schnell gelernt, da war ich wirklich erstaunt, wie Sie mit Statistik umgehen können. Das war bisher immer ein Steckenpferd von den Menschen, die vor 1989 politische Verantwortung hatten, da gehörte ich dazu in der DDR, da haben wir auch mit Statistik viel gemacht.

(Heiterkeit im Hause)

Das hilft uns nicht weiter, wenn Sie hier mit der Statistik spielen und 1995 mit 2005 vergleichen und dabei völlig ausblenden, dass wir eine Inflationsrate haben, dass die öffentlichen Haushalte insgesamt gewachsen sind, dass wir den Kommunen eine Vielzahl von Aufgaben übertragen haben. In dieser Zwischenzeit lagen zwei Kommunalisierungspakete allein hier in Thüringen, wo wir fast alle Aufgaben kommunalisiert haben, erst vor Kurzem die Versorgungs- und Umweltverwaltung. Diese reine Zahlengegenüberstellung bringt uns leider nicht weiter, sondern die Fakten bringen uns weiter und bei den Fakten ist eben zu bemerken, dass die Steuereinnahmen und die Einnahmen insgesamt und die Ausgaben auseinandergehen. Und jetzt machen Sie weiter Statistik und sagen, die Kommunen haben die Verschuldungen reduziert, die haben Rücklagen, die haben sogar einen Finanzierungsüberschuss. Das wissen Sie ja. Das machen ja die Kommunen nicht freiwillig, sondern das Haushaltsrecht schränkt sie ein. Wir haben zum Beispiel als Gesetzgeber die Kommunen verpflichtet, jedes Jahr zu tilgen. Ich würde mir wünschen, dass wir in der Landeshaushaltsverordnung auch so eine Verpflichtung für uns als Land getroffen hätten. Wir können Schulden kumuliert fortschreiben. Die Kommunen müssen tilgen, jedes Jahr. Sie müssen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und die Kreditaufnahme unterliegt der staatlichen Genehmigung. Sie sind also nicht frei in ihrer Kreditaufnahme. Das führt sicherlich dazu, dass unter anderem auch die Verschuldungssituation der kommunalen Ebene und der Landesebene auseinanderläuft. Aber man kann eben das Haushaltsrecht des Landes und der Kommunen nicht vergleichen, weil es nicht vergleichbar ist.

Dann haben Sie gesagt 738 Mio. € Rücklagen. Da wissen Sie aber, 100 Mio. € davon sind sogenannte Pflichtrücklage, 2 Prozent des Durchschnitts der letzten drei Jahre der Verwaltungshaushalte. Etwa 100 Mio. € müssen die Kommunen vorhalten als Vorlage. Dazu zwingen wir sie und wir haben einen hohen Anteil sogenannter zweckgebundener Rücklagen, die Sie mit eingerechnet haben. Das sind insbesondere Nachsorgerücklagen für den Bereich der Abfallwirtschaft. Das ist Geld der Gebührenzahler, was letztlich für die Nachsorge von Deponien zum Einsatz kommt, und wir haben Gebührenausgleichsrücklagen in Größenordnungen. Das ist auch Geld der Gebührenzahler. Wir haben auch zum Teil Rücklagen für Bürgschaften und Verpflichtungen gegenüber kommunalen Unternehmen, die auch pflichtig sind, hat Ihr Haus, also Ihre Vorgänger, eine Verordnung beispielsweise erlassen - die ich ganz vernünftig finde -, dass z.B. jede Bürgschaft mindestens mit 7 Prozent der Bürgschaftssumme als Fiskalvermögen hinterlegt sein muss. Also 7 Prozent der Bürgschaftssumme muss als Fiskalvermögen, also in der Rücklage da sein. Wie gesagt, das ist eine vernünftige Regelung, aber das müssen Sie dann natürlich, wenn Sie hier die Rücklagenzahlen definieren, einfach dazusagen, dass das also Rücklagen sind, die die Kommunen im Regelfall aufgrund der gesetzlichen Vorgaben gebildet haben. Es sind nicht Rücklagen, weil dort die Insel der Glückseligkeit ist. Das gibt es natürlich bei einigen, bei den Landkreisen; da habe ich mit mancher Rücklage Probleme, zum Beispiel die des Landkreises Schmalkalden-Meiningen. Mein Kollege Hellmann wird mit mir jetzt wieder schimpfen, wenn ich das immer kritisiere, weil der froh ist, dass die Rücklage dort ist, weil sie da mehr Gestaltungsspielräume haben. Aber die finanzieren sich ja über die Kreisumlage. Die haben das den kreisangehörigen Gemeinden weggenommen und bunkern das bei sich als Rücklage; 38 Mio. € finde ich unanständig. Das müsste man sich auch anschauen, ob bei den Landkreisen tatsächlich so hohe Rücklagen zulässig sind - allgemeine Rücklagen. Die 38 Mio. € sind nicht alles allgemeine Rücklage, es ist auch eine Zweckbindung dabei: Abfallwirtschaft. Aber das ist einer der Landkreise, die eine sehr hohe Rücklage haben; Wartburgkreis hat zum Beispiel 18 Mio. €. Ich bitte Sie aber einfach, wenn Sie erkannt haben, dass das kommunale Haushaltsrecht und das Landeshaushaltsrecht nicht miteinander vergleichbar ist, dass man es auch nicht miteinander vergleicht.

Die niedrigen Hebesätze; jetzt müssen Sie sich als CDU noch mal verständigen über Ihr Konzept. Es macht natürlich wenig Sinn, sich auf Bundesebene für eine Reduzierung der Steuerbelastung bei den Unternehmen einzusetzen, die Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent zu reduzieren und gleichzeitig von den Kommunen zu fordern, den Hebesatz der Gewerbesteuer anzuheben. Das macht ja wenig Sinn. Es gibt ein Potenzial jetzt bei der Erhöhung der Gewerbesteuer. Im Übrigen plädiere ich immer dafür, weil durch die Steuerrechtsänderung zum 01.01.2008 Einzelunternehmer die Gewerbesteuer bis zu einem Hebesatz von 380 mit ihrer Einkommensteuer verrechnen können. Das betrifft aber nur die Einzelunternehmer, die veranlagte Einkommensteuer bezahlen. Da haben wir einen Spielraum bis 380 Hebesatzpunkte, das zu erhöhen. Wir haben aber das Problem bei den Kapitalgesellschaften, wobei ich da immer sage, die Reduzierung der Körperschaftsteuer von 25 auf 15 Prozent wurde ja auch damit begründet, den Kommunen einen Korridor zu öffnen, den Hebesatz der Gewerbesteuer moderat anzuheben. Da bin ich also auch dafür. Aber Sie als CDU müssen das dann auch den Unternehmern ehrlicherweise sagen und dürfen nicht sagen: Wir auf Bundesebene reduzieren die Unternehmensteuer und schieben dann den Schwarzen Peter den Kommunen zu und sagen, aber ihr müsst jetzt zwingend die Hebesätze erhöhen, Herr Höhn. Also ich bin da für eine ehrliche Diskussion und Sie haben mich auf Ihrer Seite. Ich habe mich erst neulich wieder zur Diskussion in Bad Salzungen öffentlich geäußert, so dass ich sage: Bad Salzungen verschenkt Gewerbesteuer. Die haben einen Hebesatz von 300 als Kreisstadt. Die könnten ruhig auf 380 hochgehen. Das wären dort mindestens 720.000 € im Jahr Mehreinnahmen. Da haben Sie mich auf Ihrer Seite, denn ich bin keiner, der nur fordert. Das Land hat sowieso etwas davon über die Gewerbesteuerumlage. Es wird nicht angerechnet auf die Schlüsselzuweisungen, das ist auch gut so, damit wir die nicht "bestrafen", die die Hebesätze erhöhen. Da haben Sie mich auf Ihrer Seite, weil wir LINKE kümmern uns ja nicht nur um die Ausgaben, obwohl die Konservativen uns das immer unterstellen, dass wir nur verteilen würden, wir sind die Partei, die sich auch darum kümmert, dass Einnahmen da sind.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dort bitte ich um eine Versachlichung der Diskussion. Ich sage es noch einmal, Herr Innenminister, Ihre Rede war ein Beitrag zur Versachlichung. Sie merken, ich bemühe mich auch. Bei den Investitionen muss ich noch mal sagen, das haben Sie ausgeblendet, dass natürlich zu den Bedarfen die Investitionen bei den Kommunen gehören. Da müssen wir uns mit dem Problem beschäftigen, dass die Thüringer Kommunen zurzeit nur etwa 50 Prozent der notwendigen Investitionsquote realisieren können. Das DIfU-Institut, also das Deutsche Institut für Urbanistik, hat den jährlichen Investitionsbedarf der Thüringer Kommunen mit 1,5 Mrd. € definiert, um die Infrastruktur zu erhalten und die noch vorhandenen Infrastrukturlücken zu schließen, die es immer noch gibt, bei leitungsgebundenen Einrichtungen, auch beim Straßenbau. Zurzeit investieren die Thüringer Kommunen 800 Mio. € pro Jahr. Um das Problem müssen wir uns kümmern, weil sonst ein neuer Investitionsstau entsteht. Und den dann mal wieder zu reparieren, das verursacht zusätzliche Kosten. Von daher bitte ich Sie, auch das in Ihre Betrachtung entsprechend einzubeziehen.

Noch eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen SGB II, also Kosten der Unterkunft. Die jetzige geplante Reduzierung des Bundesanteils heißt, 10 Mio. € Verlust für die Thüringer Kommunen. Die von der Landesregierung selbst prognostizierte Steigerung, das hat der Arbeitsminister hier dargelegt, von 4 Prozent, würde 20 Mio. € Mehrausgaben bedeuten, das heißt, 30 Mio. € fehlen im System. Jetzt haben Sie gesagt, das wird bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt. Aus dem Referentenentwurf geht das nicht hervor. Aber es kann sein, dass der schon überarbeitet ist. Da werden wir sehr aufmerksam hinschauen, ob Ihre Aussage hier stimmt, dass das zu Verlusten beim Land führt, aber nicht bei den Kommunen. Wir haben bisher aus dem Referentenwurf entnehmen müssen, dass das eben bei den Kommunen voll durchschlägt. Aber da bin ich auch gern bereit, mich zu korrigieren, wenn sich Ihre Argumentation im Gesetzentwurf widerspiegelt.

Eine letzte Anmerkung dazu, dass Sie gesagt haben, die Bundesregierung wird schon wissen, was sie macht. Meine Erfahrungen sind andere. Deswegen ist es immer hilfreich, wenn wir Sie noch einmal darauf hinweisen, welche Folgen Ihre Gesetzgebung auf Bundesebene hat. Da wollen wir Ihnen zur Seite stehen, denn Sie haben im Bundesrat dort eine durchaus hilfereiche Argumentation geführt, also Sie als Landesregierung, wo es um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ging.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Reichtumsbeschleunigungsgesetz.)

Es führt aber zu mindestens 30 Mio. € Mindereinnahmen bei den Kommunen, allein dieses Gesetz. Konjunkturpaket II - im Übrigen 56 Mio. € im letzten Jahr, in diesem Jahr 105 Mio. €, weil noch die Anrechenbarkeit der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer auf die Einkommensteuer hinzukommt.

Also eine interessante Diskussion. Wir müssen jetzt handeln, wir können nicht bis April warten. Die Sofortmaßnahme wäre tatsächlich aus dem Landesausgleichsstock ein Sofortprogramm für Kultur und Sozialeinrichtungen. Dieses Geld steht uns zur Verfügung und belastet den Landeshaushalt nicht. Insofern, wenn wir wirklich etwas für die Kommunen in der jetzigen Situation machen wollen, sollten wir da schnell handeln. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

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