Rettungsschirm für die Thüringer Kommunen

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/353 -

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Rettungsschirm für Thüringer Kommunen, so ist der Titel unseres Antrags. Ich möchte noch einmal ein bisschen die Interessen, die Herr Meyer angemahnt hat, deutlich machen, worum es uns eigentlich geht. Fakt ist doch, dass seit Jahren eine Umverteilung der Mittel von unten nach oben stattgefunden hat, ich erinnere nur an die Körperschaftssteuerreform, an das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und auch der Spitzensteuersatz wurde kontinuierlich abgesenkt. Ergebnis ist, dass die öffentlichen Kassen keine Kohle mehr haben und diese Einnahmeverluste kommen natürlich auch bei den Kommunen an und müssen auch von den Kommunen verkraftet werden. Für die Stadt Erfurt kann ich Ihnen das relativ konkret machen: 5,5 Mio. € Gewerbesteuereinnahmen, darüber hinaus haben wir Steuerrückzahlungen über bundesgesetzliche Regelungen im Rahmen von 20 Mio. € zu leisten, es gibt Ausfälle in der Einkommenssteuer im Rahmen von 14 Mio. € und die allgemeinen Zuweisungen des Landes gehen um 8 Prozent zurück. Allein das stellt uns vor die Aufgabe, in den sogenannten freiwilligen Bereichen drastisch zu reduzieren und das bisher zur Debatte stehende Loch von rund 26 Mio. € irgendwie zu füllen. Ergebnis nicht nur in Erfurt, sondern auch anderweitig, es werden natürlich die freiwilligen Leistungen ganz, ganz stark beschnitten. Es geht nicht nur Erfurt so, es geht auch anderen Kommunen so. Allein in Rudolstadt fehlen derzeit 2 Mio. €. Im Landkreis Sömmerda beispielsweise ist es sogar schon seit Jahren der Fall, dass dort nicht mal mehr die Gelder vorhanden sind, um die Jugendpauschale vollständig abzurufen, was zum Beispiel zur Folge hat, dass die Stadt Rastenberg bei Kölleda nicht mal mehr in der Lage ist, sich einen Jugendpfleger zu organisieren, zu bezahlen; aufgrund der finanziellen Situation. In Erfurt stehen 16 Stellen aus dem Bereich des Jugendförderplans zur Disposition und der Unstrut-Hainich-Kreis steht generell unter Zwangsverwaltung. Auch das zeigt, dass dort kaum Mittel für freiwillige Leistungen vorhanden sind. Das hat auch was mit dem Landrat zu tun, es hat auch etwas damit zu tun, dass dieser Landkreis keine Gelder mehr hat.

Die Auswirkungen, die diese finanzielle Situation hat, sind dramatisch. Man muss sich überlegen, gerade der soziale Bereich, der Bereich von Kultur, Jugend, Sozial, aber auch sportlichen Einrichtungen oder auch von Umwelteinrichtungen - das ist ganz richtig, Herr Meyer, das haben wir an der Stelle vergessen, das werden wir künftig dann nachholen - genau diese Bereiche sind es, die den gesellschaftlichen Kitt darstellen. Allein in Erfurt haben wir gerade einmal bei 6.000 Schülern an berufsbildenden Schulen fünf Schulsozialarbeiter; die sind infrage gestellt. Auch die Qualitätsstandards, die es gibt für Jugendsozialarbeit, für Jugendverbandsarbeit, wo politische Bildung, wo demokratische Bildung stattfindet, die stehen zur Disposition. Ich glaube, das kann keiner so wollen.

Im Jugendhilfegesetz steht, dass Angebote bedarfsgerecht geplant und finanziert werden sollen. Mit der aktuellen Finanzsituation ist das nicht zu leisten. Mit den qualitativen Ansprüchen, die wir an Jugendarbeit, die wir an Sozialarbeit, die wir an kulturelle Arbeit stellen, ist die aktuelle Haushaltssituation ebenfalls nicht zu vereinbaren. Dieser Kitt in der Gesellschaft, der für das Leben, für das Miteinander der Menschen ganz, ganz wichtig ist, also Jugendverbandsarbeit, dort bekommen Kinder und Jugendliche demokratische Beteiligung, Mitbestimmung hautnah beigebracht, sie können es erleben; das sind, glaube ich, Projekte, die wir nicht einfach so aufgrund der finanziellen Situation, die das Land zum Teil auch verschuldet, akzeptieren können. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir ganz kurzfristig uns natürlich im Innenausschuss und im Haushaltsausschuss dazu verständigen, wie das konkret ablaufen soll. Aber ich glaube, gerade solche Projekte, beispielsweise in Erfurt gibt es das Projekt "Couragiertes Erfurt", das ist ein Projekt, das sich ganz explizit gegen Rechtsextremismus wendet. Dieses Projekt "Couragiertes Erfurt" hat ein ganz großes Problem. Sie haben eine halbe Personalstelle, aber die Mittel für die Praktikumsangebote, die Honorarmittel für Workshops, was also in den Schulen mit den Kindern gemacht werden soll, die stehen nicht zur Verfügung. Im Ergebnis haben wir also jetzt eine Mitarbeiterin für "Couragiertes Erfurt", die nichts zu tun hat, weil sie keine Projektmittel hat. Das ist, glaube ich, eine Situation, die man so nicht stehen lassen kann. Da wäre so ein Rettungsschirm oder so ein Topf, wo man zeitlich kurzfristig zugreifen kann, um solche Angebote aufrechtzuerhalten, bevor sie nämlich geschlossen werden, ganz sinnvoll.

Oder auch für diejenigen, die sich auskennen in der offenen Arbeit, eine Einrichtung des evangelischen Kirchenkreises in Erfurt, eine Einrichtung, die bislang mit eineinhalb Stellen gefördert wird, jetzt muss eine Stelle reduziert werden. Wie soll ein offenes Angebot, wie die offene Arbeit, mit einer halben Stelle existieren? Frau Taubert ist zwar leider nicht mehr da, aber in ihrem Ministerium wird ein jeder, der Ahnung von Fachlichkeit hat, auch in der Jugendhilfe, in der Kulturarbeit, sagen, dass ein Jugendhaus mit einer halben Stelle zu betreiben einfach nicht möglich ist. Aus diesem Grund ist es, glaube ich, sehr wichtig, dass wir uns über so einen Rettungsschirm unterhalten. Der Landesausgleichsstock ist, glaube ich, der Teil des Haushalts, wo man am schnellsten und am unkompliziertesten zugreifen kann. Wenn wir jetzt an den Ausschuss überweisen, dann ist das gut und schön. Es bringt aber nichts, wenn wir diesen Antrag jetzt ewig zerreden in epischer Breite und ihn dann erst im Juni wieder hierher ins Plenum holen und ihn dann vielleicht ablehnen oder beschließen, sondern wir müssen ihn jetzt möglichst zügig an den Ausschuss überweisen und vielleicht schon im Februar oder März hier wieder beschließen, damit wir den Trägern und Projekten auch effektiv helfen können, denn das ist, glaube ich, das Ziel. Die Stellen, die im Bereich des Sports - der Sport wird in Erfurt um etwa 80 Prozent reduziert - und in der Kulturarbeit reduziert werden sollen, werden im Nachhinein nicht wieder aufgebaut. Damit haben wir ein viel größeres Problem. Herr Huber, die Vorgängerlandesregierung hat es auf die Reihe bekommen, die Mittel für die Jugendarbeit, die Jugendpauschale von 15 Mio. € auf 9 Mio. € zu kürzen und diese Kürzungen haben im Jahr 2004/2005 stattgefunden. Das, was wir jetzt landesweit an Strukturen in diesem sozialen, in diesem freiwilligen Bereich haben, hat sich kaum wieder erholt. Das, glaube ich, ist eine sehr, sehr schwierige Situation. Alles, was wir dort kürzen, ist eine ganz nachhaltige Beschädigung nicht nur der Angebotsvielfalt, sondern auch der Trägervielfalt und das müssen wir dringend verhindern.

Frau Taubert, jetzt sind Sie ja wieder da, das finde ich ganz gut, das, was wir ganz, ganz dringend brauchen, ist eine Erhöhung der Jugendpauschale und die brauchen wir nicht nur angekündigt, sondern die brauchen wir ganz real. Darüber hinaus müssen wir auch daran arbeiten, dass beispielsweise die Aufgaben, die im Thüringer Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetz stehen und auch im SGB VIII, dass diese Leistungen nach §§ 11 bis 13, also Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Jugendverbandsarbeit, dass diese nicht nur Pflichtleistungen dem Grunde nach sind, sondern dass die vor allem auch Pflichtleistungen der Höhe nach sind. Das heißt, dass wir uns damit auseinandersetzen, was in der Tat Bedarfe sind, woran wir Bedarfe messen können und wie wir Bedarfe auch realisieren können. Denn die fünf Jugendlichen, die in Rastenberg an der Bushaltestelle sich jeden Tag treffen, die sind ein Bedarf. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

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