Rechtsstaat sicherstellen: Strafprozesse nicht an fehlenden Räumlichkeiten und Versagen des Justizministeriums scheitern lassen

Dr. Iris Martin-Gehl

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/4757

 

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Drogenprozess muss wegen eines Raumproblems vertagt werden, was letztlich zur Aufhebung von Haftbefehlen und Freilassung von Angeklagten führt. Ein Prozess um einen rassistischen Angriff muss wegen Raummangels auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Diese Pressemeldungen haben uns wohl alle sehr bestürzt und spontan Empörung hervorgerufen. Aber diese durchaus verständliche Empörung kurzerhand als Versagen des Justizministeriums zu deklarieren und damit einen Schuldigen zu präsentieren, der der Lage angeblich nicht Herr wird, ist unredlich in meinen Augen, unredlich deshalb, weil diese Schuldzuweisung wider besseres Wissen erfolgt. Herr Minister Adams hat, anders als Sie hier ausgeführt haben, in der Sitzung des Justizausschusses am Freitag sehr ausführlich dargelegt, wie es zu den Problemen um die Bereitstellung eines geeigneten auswärtigen Gerichtssaals gekommen ist und weshalb dem Justizministerium bei der Beschaffung geeigneter Räumlichkeiten für die beiden vertagten Prozesse kein Versäumnis vorzuwerfen ist. Ich kann hier auf die Einzelheiten der Berichterstattung nicht eingehen, bin aber befremdet darüber, dass in der Begründung zum Thema der Aktuellen Stunde die im Ausschuss erlangten Informationen und Erkenntnisse völlig ausgeblendet werden.

 

Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass die Antragstellerin der Aktuellen Stunde einen Aspekt der Verantwortung für die Raumbeschaffung für Gerichtsverfahren völlig aus dem Blick verloren hat: den Grundsatz der Selbstverwaltung der Gerichte. Danach liegt nämlich die Durchführung der Verfahren und Festlegung der Verhandlungssäle originär im Verantwortungsbereich der jeweiligen Gerichte bzw. Gerichtsverwaltungen. Nur dann, wenn Kapazitäten im eigenen Haus nicht ausreichen, kann das Justizministerium bei der Suche nach einem geeigneten Ersatzobjekt unterstützend tätig werden, dies aber auch nicht von sich aus, sondern nur auf konkrete Anforderung durch das jeweilige Gericht. Im Rahmen ihrer Eigenverantwortung obliegt es den Gerichten, gerade unter Pandemiebedingungen rechtzeitig die Raumsituation für anstehende Gerichtstermine zu prüfen und sich gegebenenfalls um Ersatz zu bemühen. Dies gilt umso mehr und besonders für Verfahren, bei denen eine Terminaufhebung wie hier in diesem einem Fall zur Überschreitung der Frist für die maximale Dauer von Untersuchungshaft führt und daher mit der Freilassung von Angeklagten einhergeht. Vor diesem Hintergrund stellt sich für mich die Frage, ob das Gericht in dem vertagten Drogenprozess ab dem Zeitpunkt der Anberaumung des Verhandlungstermins vorausschauend alles denkbar Mögliche veranlasst hat, um gerade in Anbetracht der anhaltenden Pandemiesituation zu verhindern, dass es zu einer Terminaufhebung mit den bekannten benannten Folgen kommt. Ich frage mich zudem, inwieweit Störungen in der Kommunikation und Informationsdefizite innerhalb der Justizverwaltung ursächlich sind für die folgenschweren Terminaufhebungen.

 

Meine Erwartung an die Justizverwaltung ist, dass die Ursachen für die besagten Prozessverschiebungen vollständig aufgeklärt und abgestellt werden. Es muss in jedem Fall sichergestellt werden, dass auch unter Corona-Bedingungen Prozesse reibungslos vonstattengehen. Hierfür ist – und das haben uns diese Prozessverschiebungen gelehrt – entsprechende Vorsorge und eine Art, ich will es mal „Notfallplan“ nennen, für unvorhergesehene Geschehen erforderlich. Dazu gehört aber auch, die Kommunikations- und Informationswege in der Justizverwaltung auf den Prüfstand zu stellen und etwaige Mängel abzustellen, sowie die Vorhaltung einer Reserve von Ersatzräumlichkeiten, auf die von den Gerichten gegebenenfalls auch kurzfristig zurückgegriffen werden kann.

Wie angekündigt: Wir werden dieses Thema im Justizausschuss weiter auf der Tagesordnung haben und diskutieren. Ich gehe davon aus, ich hoffe, dass das Justizministerium alsbald über die geforderten tragfähigen Lösungen berichten wird. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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