Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Beschulung von Flüchtlingskindern in Thüringen schaffen

Zum Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/1833


Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Herr Bühl, natürlich soll der Beruf des Lehrers, des Erziehers – wo ist er denn jetzt? Ich sehe ihn gar nicht – natürlich soll dieser Beruf auch weiterhin Spaß machen. Aber denjenigen Lehrkräften, denjenigen Erzieherinnen und Erziehern, die ich gesprochen habe, ist der Spaß und die Lust am Beruf durch die Beschulung von Kindern mit Migrations- und Fluchthintergrund weiß Gott nicht vergangen, ganz im Gegenteil. Die allermeisten berichten davon, dass es eine Bereicherung ist, dass diese Kinder den Schulalltag bunter machen und dass sie in den Klassen, in den Schulen herzlich willkommen sind. Von daher, denke ich, sollte man auch Ihren Antrag, zu dem ich gleich zu sprechen komme, noch mal kritisch hinterfragen. Ob das, was darin steht, mir wirklich beim Lesen Spaß gemacht hat, das will ich mal infrage stellen.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das war nicht das Ziel!)


Einiges von dem – darauf werde ich jetzt noch eingehen – ist weiß Gott nicht spaßig und ist weiß Gott nicht das, was in den Schulen derzeit an Diskussion und an Notwendigkeiten gebraucht wird und läuft. Von daher sage ich: Es ist ein Antrag, den wir hier heute diskutieren, der sicherlich auch Ausfluss – Frau Ministerin hat es gerade noch mal betont – unserer intensiven Beratungen im Bildungsausschuss ist. Aber es ist auch ein Antrag, der deutlich zu kurz greift, der wesentliche Inhalte gar nicht aufnimmt und der eindeutig eine Sicht auf Schule widerspiegelt, die ich nicht teile.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Haben wir alles schon besprochen!)


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zur Aussprache kommt also der Antrag der CDU-Fraktion zu den Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Flüchtlingskinderbeschulung in Thüringen. Natürlich ist es ein Anliegen, ich hatte es gerade schon gesagt, was uns schon länger beschäftigt. Wir haben uns im Koalitionsvertrag als rot-rot-grüne Fraktionen auch schon dazu geäußert und den Weg zur gelingenden Integration von Kindern in das Bildungssystem erfasst. Die frühzeitige Sprachförderung zur sozialen Integration und zur umfangreichen Integration in die Schule stand dort im Mittelpunkt. Dies wird durch die zusätzlichen DaZ-Lehrkräfte, durch die zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer – Frau Ministerin Dr. Klaubert ist schon darauf eingegangen – und natürlich auch durch die langjährigen im Dienst befindlichen Pädagoginnen und Pädagogen heute bereits umgesetzt. Gelingende Integration findet tagtäglich in den Kitas und Schulen statt und dafür möchte ich allen beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen, aber natürlich auch denjenigen, die in den Schulverwaltungsämtern mit dafür sorgen, dass diese Aufgabe gelingt, im Namen meiner Fraktion ausdrücklich danken und meine Anerkennung ausdrücken.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nicht erst seit den Meldungen des Thüringer Lehrverbandes und der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft in den letzten Wochen wissen wir, dass Beschulung von Flüchtlings- und Migrationskindern eine große Herausforderung darstellt. Dabei ist das Thema eingebettet in ein übergeordnetes Thema, welchem sich die Schulen schon seit Jahren in großer Verantwortung stellen. Das Thema heißt „Umgang mit Heterogenität“ und das Thema heißt „Eine Schule für alle Kinder“.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Thüringer Entwicklungsplan Inklusion, von der letzten Landesregierung unter Führung der CDU erarbeitet und vom Landtag zur Kenntnis genommen, findet sich darunter Folgendes. Herr Präsident, ich würde gern zitieren. „Inklusion meint, dass alle Kinder und Jugendlichen von Anfang an – unabhängig davon, unter welchen Bedingungen sie aufwachsen – ein umfassendes Recht auf Bildung, auf soziale und gesellschaftliche Partizipation haben. Zur Durchsetzung dieses Rechts haben sie Anspruch auf Unterstützung. Diese Unterstützung ist so anzulegen,“ – so im Entwicklungsplan Inklusion nachzulesen – „dass Kinder und Jugendliche nicht von ihren Altersgleichen getrennt werden, sondern sich mit ihnen gemeinsam, verankert in ihrer Generation entwickeln können.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In inklusiven Bildungseinrichtungen können sie von Anfang an miteinander lernen. Ihre soziale, emotionale und kognitive Verschiedenheit ist hier nicht Randbedingung oder Störfaktor, sondern der zentrale Bezugspunkt des pädagogischen Handelns, von dem aus gemeinsame Bildungsangebote geplant, realisiert und reflektiert werden.“


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, war auch noch in der letzten Legislatur bei der CDU offensichtlich mehrheitsfähig. Davon finde ich in Ihrem Antrag schlichtweg gar nichts.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wir können immer wieder machen, was wir wollen.)


Sie sehen, wir reden hier nicht über eine neue Aufgabe an den Schulen, denn die Beschulung von Kindern mit anderem kulturellen und sprachlichen Hintergrund ist eine weitere Facette einer auf Teilhabe und Integration basierenden Bildungspolitik. Dieser Aufgabe müssen sich folglich alle Schulen stellen. Und die Koalition wird mit der Novellierung des Schulgesetzes dem auch weiter Rechnung tragen. Dies zur Einführung und zur Einordnung.


Die CDU macht es sich mit ihrem Antrag, der heute – da gebe ich Herrn Bühl ausdrücklich recht – endlich beraten werden kann, sehr leicht, indem sie mit ihrem Antrag zu erkennen gibt, was sie auch sonst in der Bildungspolitik vertritt: Ein Trennsystem oder, um es genau zu sagen, ein Semi-Trennsystem. So ist es der CDU zum Beispiel nicht wichtig – nicht wichtig, lieber Kollege Tischner –, in ihrem Antrag den gleichmäßigen Zugang von Flüchtlingskindern zu allen Schularten zu realisieren. In allen Gymnasien, und das waren nicht wenige, in denen ich in den letzten Monaten war


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie haben lange nicht mehr mit den Gewerkschaften geredet!)


– im Übrigen auch an den freien Schulen –, wurde eindringlich gefordert, die Zugangsbarrieren zu den Thüringer Gymnasien endlich zu beseitigen für diese Kinder, die zu uns gekommen sind, mit ihren Familien oder auch allein,


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Die Forderungen lesen!)


indem die Frage der zweiten Fremdsprache – wie in anderen Bundesländern im Übrigen auch – schnell und im Sinne der Kinder und Jugendlichen gelöst wird. Das war zum Teil die einzige Forderung, die die Gymnasien in diesem Bereich gestellt haben. Ich vermute, dass diese Forderung, die bei der Umsetzung eines gelingenden Integrationskonzepts elementar ist, den Schulen unerlässlich ist, bei der CDU aber schlicht keine Rolle spielt.

Warum ist das so, lieber Kollege Tischner? Ist das ein Versehen oder eine weitere Fortschreibung des Trennsystems im Bildungsbereich à la CDU? Lieber Herr Tischner, diesen Fragen können wir uns dann – wie insgesamt der Verbesserung Ihres Antrags – im Ausschuss widmen oder auch einen Koalitionsantrag dann gemeinsam abstimmen.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Mit Euch gibt es keinen Koalitionsantrag!)


Ich möchte ein zweites Thema benennen, was offensichtlich an Ihnen völlig vorbeigeflogen ist: Frau Ministerin hat ausgeführt, dass die Schulen mit erheblichen Mitteln ausgestattet worden sind, um Lehr- und Lernmittel- sowie Schulbuchfreiheit zu realisieren. Leider ist es auch so – und das ist ja auch der Hausleitung bekannt –, dass eben nicht alle Schulen und auch nicht sofort die Lehr- und Lernmittel zur Verfügung haben, die sie brauchen. Das greifen Sie aber überhaupt nicht auf. Das ist aber notwendige Voraussetzung für eine gelingende Integration in Schule. Dankenswerterweise hat Frau Ministerin mit ihrem Haus in den letzten Wochen und Monaten in 2015 auch noch einmal jede Schatulle umgedreht, um das rauszubekommen, was die Schulen dringend brauchen. Und das ist auch wesentliche Grundlage, das brauchen die Schulen. Hier sollten wir im Ausschuss weiter daran arbeiten und diskutieren, wie wir es eventuell so gestalten können, dass das sofort an den Schulen ankommt, was auch gebraucht wird – unbürokratisch und zielorientiert.


Vor welcher Situation stehen wir nun in Thüringen? Zuwanderung von Menschen nach Thüringen hat es in den letzten 25 Jahren schon immer gegeben. In meiner Heimatstadt Jena sind Schulen schon seit 20 Jahren damit befasst, dass Kinder aus Familien mit und ohne Status und vor allem aus Familien, in denen die Mütter und Väter als Wissenschaftler an den Hochschulen, als Ärzte am Universitätsklinikum oder als Fachkräfte der wissens- und exportorientierten Industrie arbeiten, ganz normal beschult werden. Allein an der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeiten Wissenschaftler aus 112 Ländern. Natürlich ist da auch immer wieder Bedarf da. Da kommen kurzfristig Kinder in den Schulen an ohne die entsprechenden Sprachvoraussetzungen. Denen haben sich die Schulen in Jena, aber auch insgesamt in Thüringen in ganz verantwortungsvoller Weise gestellt. Nun ist es natürlich so, wenn man gerade diese Fachkräfte, gerade diese Wissenschaftler dringend braucht und diese Menschen dann zu uns kommen und fragen, was ist denn bei euch in Thüringen los, das sind schon fast sächsische Verhältnisse, das, was da in Erfurt auf dem Domplatz passiert, dass dort Ausgrenzung passiert aufgrund der Herkunft oder der Religion, da sind sehr viele dabei …


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Nein, nein, nein! Kommen Sie mal zum Antrag!)


Hören Sie einfach mal zu!


Da sind sehr viele dabei, die natürlich hier ihren Glauben weiterleben wollen und natürlich auch die Kinder ihren von ihren Eltern vermittelten Wertekanon und ihren Glauben weiterleben wollen. Diese Menschen fühlen sich aufgrund einer Situation in der Gesellschaft, die maßgeblich geprägt wird von einer Partei hier im Landtag, von einer Fraktion, an den Rand gedrängt. Wir lassen das in Thüringen nicht zu. Wir werden es auch in Jena weiterhin nicht zulassen. Ich sage, die AfD ist schlecht für die Kultur in Thüringen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie ist schlecht für das gesamte Land und fügt uns in Thüringen erheblichen Schaden zu. Das werden wir auch weiter nicht zulassen.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da haben wir ja was richtig gemacht!)


Die Schulen haben Erfahrungen, wie schon gesagt, dass auch Kinder kurzfristig aus unterschiedlichen Ländern meist ohne deutsche Sprachkenntnisse in die Schulen kommen und dort meist zügig integriert werden. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Konzepte, die von den einzelnen Schulen und dem Alter der Kinder und Jugendlichen abhängen. Wir kennen Schulen, die gute Erfahrungen mit einer frühen und vollständigen Integration der Kinder in den regulären Unterricht haben. Wir kennen Schulen, die Kinder am Nachmittag gezielt Sprachförderung zuteil werden lassen. Es gibt aber auch positive Erfahrungen mit temporären, sogenannten Vorschaltklassen, wenn dies dem sprachlichen Entwicklungsstand des Kindes entspricht. Allen Schulen aber, die erfolgreich gelingende Konzepte der Integration von Kindern und den Umgang mit Heterogenität praktizieren, ist eines gemein: Ihnen ist jedes Kind willkommen. Sie fragen nicht als Erstes wie die CDU: Schaffe ich das? Sondern sie geben dem Kind die Gewissheit: Du bist willkommen und wir freuen uns, dass du da bist in unserer Schule und mit uns zusammen den Schulalltag lebst.


(Beifall DIE LINKE)


In den meisten Schulen in den anderen Bundesländern ist der Umgang mit kultureller und sprachlicher Heterogenität seit mehr als vierzig Jahren tägliche Routine und Daueraufgabe. Frau Ministerin ist schon darauf eingegangen. Wenn ich das mal hochrechne, in Thüringen etwa 3,7 Prozent Kinder mit einem anderen kulturellen oder sprachlichen Hintergrund. In Nordrhein-Westfalen sind es in etwa 9 Prozent und in Berlin sind es 12 bis 13 Prozent. Nur, um das mal ins Verhältnis zu setzen. Ich höre aus diesen Ländern keine sogenannte Zunahme der Belastungen, wenn Kinder ihrer Schulpflicht gemäß in den Schulen beschult werden. Die neuen Bundesländer sind derzeit in einer nachholenden Entwicklung, was die schulische Integration von Kindern mit Migrationshintergrund anbetrifft. Und ja, da gibt es natürlich auch Lerneffekte. Das muss man auch mal sagen. Deswegen haben wir uns auch ausführlich im Ausschuss damit beschäftigt und werden es auch weiter tun.


Natürlich können und werden wir uns mit den Zahlen auch im Ländervergleich weiter befassen. Lassen Sie mich aber bereits heute feststellen: Das, was andere Länder uns dort voraushaben, das können wir uns auch zu eigen machen. Da können wir auch mal hinschauen und das im Ausschuss weiterberaten. Die Verbände und Gewerkschaften – Sie haben mich vorhin darauf angesprochen – weisen nicht zu Unrecht darauf hin, dass zur Beschulung von zusätzlich mit besonderem sprachlichem Förderbedarf versehenen Kindern mehr Pädagogen, mehr Fachlehrer wie Sprachlehrkräfte benötigt werden. Auch zusätzliche Lehr- und Lernmittel werden immer wieder gefordert. Dem haben wir uns aber als regierungstragende Fraktionen gestellt, Frau Ministerin hat es schon ausgeführt. Wir haben im Doppelhaushalt 300 befristete Lehrerstellen geschaffen, zusätzlich 50 DaZ-Lehrer und nicht zuletzt 800.000 Euro zusätzlich für Lehr- und Lernmittel realisiert. Dass diese zusätzlichen Pädagogen, aber vor allem die Lehr- und Lernmittel umfänglich und schnellstens ohne besonderen bürokratischen Aufwand an die Schulen gehören, das ist der Wille des Haushaltsgesetzgebers gewesen und ist es immer noch. Hier können auch wir uns Verbesserung weiter vorstellen.


Insgesamt – das führte Frau Ministerin Klaubert im Februar auch im Bildungsausschuss aus – arbeiten derzeit in etwa – jetzt hat sie vorhin neuere Zahlen gesagt – 110 DaZ-Lehrer in den Thüringer Schulen, um die derzeit circa 6.600 Kinder in besonderer Sprachförderung zu unterstützen. Nun kann man sicherlich mit den Verbänden und Gewerkschaften trefflich streiten, ob dies dem Bedarf entspricht, zu viel oder zu wenig ist. Aber eins ist natürlich wieder klar, Herr Tischner und Herr Emde, Sie haben mit Ihrer Verweigerungshaltung in der Haushaltsberatung noch nicht mal deutlich machen können, was Ihnen dort wichtig ist,


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ich sage nur … !)


wo Sie wirklich Schwerpunkte setzen würden. Überhaupt nichts haben Sie eingebracht an Änderungsanträgen. Und bevor Sie populistisch besondere Belastungen in Thüringen ausmachen, wie in Ihrem Antrag steht, die ich persönlich Herausforderungen nenne und bei denen wir den Schulen mehr und mehr Personal und Lernmittel zur Verfügung stellen, sage ich, machen Sie erst mal Ihre Arbeit, bevor Sie ständig nur kritisieren.


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Danke, gleichfalls!)


(Unruhe CDU)


Herr Kollege Bühl hat ausgeführt, dass der Antrag aus den Gesprächen und aus den Erfahrungen aus den Schulen stammen würden. Was ist denn wirklich Grundlage Ihres Antrags? Am 11.11.2015 veröffentlichten die Landeselternvertretung, die Landesschülervertretung und der Thüringer Lehrerverband eine gemeinsame Erklärung mit dem Titel „Flüchtlingskinder an Thüringens Schulen“ – nun hören Sie mal genau zu – „so schaffen wir das!“. Der positive Grundtenor zieht sich auch wie ein roter Faden durch die Resolution, die ich damals bereits begrüßte und deren Kernaussage ich nachhaltig unterstütze, eben „so schaffen wir das!“.


Aber es lohnt sich, bereits im Vorfeld einmal auf die Resolution zu gucken und auf die Unterschiede zwischen der Resolution und Ihrem Antrag und vor allen Dingen die Unzulänglichkeiten Ihres Antrags einzugehen.


Feststellung Nummer 1: Ihr Antrag ist eine mit konservativer Tastatur im Copy-and-Paste-Verfahren verschlechterte Resolution der LEV, LSV und des TLV. Ein Beispiel: Während die Resolution „so schaffen wir das!“ von einer so früh wie möglichen Beschulung, spätestens aber nach drei Monaten spricht und mit dem Vorschlag eines Clearingverfahrens zur Unterstützung an den Schulen einen innovativen Hinweis auf Verbesserung bringt, wird die CDU beim Thema „Schulpflicht“ mehr als schwammig, indem Einzelfallentscheidungen nach individuellem Entwicklungsstand gefordert werden. Ein klares Bekenntnis zur Schulpflicht liest sich anders und steht bei Ihnen in Ihrem Antrag überhaupt nicht drin.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Unruhe CDU)


Kollege Tischner, ich denke, auch Sie haben die überwiegend positive Erfahrung an den Schulen bei der Integration von Kindern erlebt, wie diese Kinder, auch die Schulen den Unterricht bereichern, wie hoch deren Bereitschaft und deren Freude am und für das Lernen ist. Das macht die Bereicherung aus, das können und sollten wir unterstützen.


Feststellung Nummer 2: Die Forderung, das Flüchtlingskinder die Werte und Normen unserer christlich-jüdisch-abendländlich geprägten Gesellschaft sowie kulturelle Normen und des Weiteren schon in Vorschaltklassen und damit Grundkenntnisse der Verfassung der parlamentarischen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vermittelt werden, ist eine pauschale Diskriminierung von Kindern und mit Inhalt und Geist des Schulgesetzes überhaupt nicht zu vereinbaren.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Tischner, hören Sie mal zu, denn Sie waren nicht dabei. Frau Staatssekretärin und ich waren vor zwei Tagen in Jena bei einer Tagung, und zwar vom Zentrum für religionspädagogische Bildungsforschung mit dem Titel „Unterschiede wagen – Gemeinsamkeiten profilieren“. Bei dieser Tagung ging es um den schulischen Umgang mit kultureller und religiöser Heterogenität. Prof. Michael Wermke, der Veranstalter, führte dort aus oder stellte dort die Frage, warum ein Kind mit Migrationshintergrund, er nannte dieses Kind Ali, welches nicht aufräumen wollte und darauf verwiesen hat, dass das doch andere Kinder, vielleicht auch Mädchen machen können, warum dieses Kind oder das Verhalten dieses Kindes aufgrund seiner Herkunft als kulturelles oder gar religiöses Problem wahrgenommen wird. Warum, so die Religionspädagogen, ist das so? Warum wird das Verhalten, ein ähnliches Verhalten eines Sven oder Kevin, welches ganz klar ein Disziplinproblem ist, als solches bei Sven und Kevin gesehen, aber bei Ali eben nicht? Das Verhalten, so die Religionspädagogen der Uni Jena, muss übersetzt werden und genauso wie bei Sven und Kevin das mögliche Verhalten von Ali durch professionelle Elternarbeit, so die Forderung, durch die Pädagogen erfasst und auf eine gelingende Schulkultur bei allen Kindern hingewirkt werden. Und jetzt sage ich mal,


(Unruhe CDU)


in der Resolution „So schaffen wir das“ ist genau so ein Absatz enthalten, bei Ihnen fehlt er völlig.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ihre Redezeit ist gleich um!)


Die Einschätzung der Jenaer Religionspädagogen, dass Religionen immer der Gefahr der politischen Radikalisierung unterliegen, die teile ich.


(Unruhe CDU, AfD)


Aber ich sage Ihnen auch, wie es Prof. Wermke gemeint hat, lieber Kollege Emde. Er hat noch mal extra ausgeführt, die politische Radikalisierung geht nicht von den Menschen aus, die zu uns kommen, sondern von denen,


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Von Ihrer Partei!)


die sich diesen Menschen in den Weg stellen und nicht für eine gelingende Integration sorgen, insbesondere hier rechts in diesem Haus.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ganz rechts sitzt Herr Ramelow, gucken Sie mal!)


Deswegen plädieren die Jenaer Religionspädagogen für einen islamischen Religionsunterricht. Wir erinnern uns daran, dass das auch eine Diskussion war, die schon vor einem guten Jahr in Thüringen geführt worden ist. Lassen Sie uns dieses Ansinnen, was sich ja auch in den Lehrplänen niederschlagen kann, lassen Sie uns das im Ausschuss diskutieren, lassen Sie uns dort auch mit den Menschen, die auf wissenschaftlicher Seite sich darüber Gedanken machen und dazu Erkenntnisse haben, weiter diskutieren. Wie bereits ausgeführt, möchte die CDU, dass Kinder Rechtsnormen und christlich-jüdisch-abendländische Werte vor dem Besuch einer regulären Klasse vermittelt bekommen.


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: …)


Was die Wissenschaft über diese Vorstellung …



Vizepräsident Höhn:


Herr Wolf, Sie haben das Wort noch.



Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Danke schön. Also, Herr Brandner, ich glaube, Sie sollten sich besser etwas zurückhalten mit Ihren persönlichen Anfeindungen. Was die Wissenschaft,


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: … wohl der Vizepräsident!)


Ja, es ist einfach nur peinlich. Es ist peinlich, das, was Sie hier an Äußerungen tätigen in diesem Hohen Haus.



Vizepräsident Höhn:


Meine Herren Kollegen, ich würde vorschlagen, Ihren Dialog nach draußen zu verlegen.



Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:


Wie bereits ausgeführt möchte die CDU, dass Kinder Rechtsnormen und christlich-jüdisch-abendländische Werte vor dem Besuch von regulären Klassen vermittelt bekommen. Was die Wissenschaft über diese Vorstellungen und das dahinterstehende Menschenbild und Bildungsbegriff denkt, habe ich bereits ausgeführt. Aber ich frage Sie: Wie stellen Sie sich das denn überhaupt vor? Sollen Kinder, sieben oder acht Jahre alt, bevor sie überhaupt einmal eine reguläre Schulstunde erleben dürfen, Lehrinhalte vermittelt bekommen, die im Regelschulbereich in den Klassenstufen 9 und 10 im Lehrplan stehen?


(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Man sieht, Sie waren nie in der Schule, man merkt es!)


Nein, es ist einfach peinlich, was Sie vorgeschlagen haben.


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was reden Sie für einen Unsinn!)


Natürlich stehen die Prinzipien des § 2 Abs. 1 Thüringer Schulgesetz bei der Beschulung aller Kinder im Mittelpunkt. Zur Erinnerung und als Grundprinzip jeglichen Bildungsauftrags in Thüringen hier noch mal aus dem Paragrafen: Ein wesentliches Ziele der Schule ist „die Befähigung zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zur Mitgestaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie […] die Achtung vor den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer.“ Kindern und Jugendlichen entgegen den geltenden Lehrplänen und diskriminierend einen eigenen Bekenntnislehrplan aufgrund ihrer Herkunft aufzuerlegen, das lehnen wir natürlich ab. Ich sage es auch ganz klar: Ich sehe darin auch einen Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 3 der Thüringer Landesverfassung, das Diskriminierungsverbot, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall DIE LINKE)


Sie fordern also, dass Flüchtlings- und Migrationskinder, bevor Sie im regulären Unterricht beschult werden, in Vorschaltklassen ihre Sprachkenntnisse erwerben sollen. Zugestanden sei Ihnen, Vorschaltklassen sind gerade auch in anderen Bundesländern ein Weg hin zu einer erfolgreichen Beschulung. Aber, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich kenne Dutzende Schulen, die genau das ablehnen, insbesondere Grund- und Gemeinschaftsschulen. Diese sagen, sie haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, den Kindern eine gezielte Sprachförderung parallel zum Unterricht im Unterricht oder nach dem Unterricht zu ermöglichen. Dies setzt an einem Integrationskonzept an, das es den Kindern ermöglicht, im Prozess und gerade mit deutschsprachigen Kindern zusammen zu lernen. Dies setzt meist auch eine andere Methodik voraus, die diese Schulen zumeist dann auch haben, da sie sich als inklusive Schulen verstehen, eine inklusive Schulkultur entwickelt haben und die neu ankommenden Kinder nicht als Belastung, sondern als Bereicherung verstehen. Eingangs habe ich auf den Sachzusammenhang Inklusion und Umgang mit Heterogenität in dieser Frage schon hingewiesen.


Lassen Sie mich zusammenfassen: Ja, das Anliegen für eine bessere Steuerung, dem Abbau von Barrikaden und die Ausgestaltung des Bildungsauftrags als inklusiven Bildungsauftrag, das tragen wir mit. Das können wir im Ausschuss besprechen und dann entsprechend hier beschließen. Aber eine Aussetzung des Rechts auf Bildung für alle, eine Sonderung und Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen lehnen wir ab und wird niemals unsere Zustimmung finden.


Die Vorschläge der Resolution der Thüringer Eltern, Schüler und des Thüringer Lehrerverbandes können wir zum Teil im Ausschuss aufgreifen und weiterentwickeln, aber das bei Ihnen zum Beispiel nichts, was die Eltern und die Schüler vorschlagen, was das Kooperationsverbot anbetrifft, enthalten ist, das lässt dann wieder mal tief blicken. Copy and paste, da hätten Sie mal Ihre drei Finger drauflassen müssen, dann wäre vielleicht ein etwas besserer Antrag dabei herausgekommen. Ich bedanke mich erst einmal so weit für Ihre Aufmerksamkeit und beantrage, den Antrag der CDU-Fraktion an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zur weiteren Beratung zu überweisen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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