Papstbesuch als Impuls für Wertediskussion

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/2510 -

 

Meine sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Bergner hat sich geoutet, das mache ich jetzt auch, ich bin Christin, ich bin christlich erzogen und deswegen bin ich bei der LINKEN.


(Beifall DIE LINKE)


Meine christlichen Werte, nach denen ich erzogen wurde, sagen mir allerdings auch, dass ich mich nicht nur zurückhalte, sondern dass ich dann, wenn es etwas zu sagen und zu kritisieren gibt, das offen und klar so benenne. Als Erstes vorweg, jeder Gast ist erst mal willkommen, unabhängig von seinem Status,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


unabhängig von seiner hierarchischen Stellung, unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Religion, seinem Geschlecht und Ähnlichem. Auch das ist ein christlicher Wert, den ich ein Stück weit vermisst habe gerade. Ich bin der Meinung, dass wir reden müssen. Insofern nehme ich den Antrag der FDP kritisch wohlwollend zur Kenntnis. Wir möchten zumindest reden. Wir möchten reden über die homophoben Äußerungen des Papstes, der Homosexualität als widernatürlich gekennzeichnet hat, die Schwulen eher als verboten und nicht dem Menschenbild Gottes


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


entsprechend darstellt. Wir möchten reden über sein antifeministisches Verständnis, welches mit der Behauptung, die spezifische Sendung der Frau liege in ihrer Berufung der Mutterschaft und von Jungfräulichkeit gekennzeichnet ist. Wir möchten auch reden über seine, die Täter des Dritten Reiches verharmlosende Rede im Mai 2006 in Auschwitz.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir möchten auch reden darüber, dass er Ehescheidung als eine Sünde kennzeichnet. Ebenso möchten wir reden über sein ökumenisches Verständnis, denn im Jahr 2007 wurde eine päpstliche Glaubenskongregation veröffentlicht, nach der die Kirchen der Reformation keine Kirchen im eigentlichen Sinne sind. Sie alle sprachen davon, dass der Papstbesuch ein bedeutendes Zeichen für die Ökumene wäre. Wenn dem so ist, erwarte ist, dass diese Glaubenskongregation zurückgenommen wird. Wir möchten auch darüber reden, dass der Vatikan, genauso wie Weißrussland, bis heute nicht die europäische Menschenrechtskonvention anerkannt hat. Ich weiß nicht, ob er sich da in trauter Zweisamkeit befinden möchte. Ich unterstelle Nein und hoffe, dass der Vatikan diese annimmt. Wir möchten aber auch reden über sein antijüdisches Verhalten, denn mit der Konzilserklärung Nostra etate von 1965 wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen im christlich-jüdischen Verhältnis. Allerdings hat unser Papst - unser Papst - dieses wieder geschlossen. Ich zitiere: „Mitte 2007 lässt er die Tridentinische Messe wieder zu als außerordentlichen Ritus. Zwar streicht er die alte judenfeindliche Fürbitte, doch fügt er nicht die aktuelle, derzeit Gebräuchliche ein. Nein, er verfasst einen neuen Text ‚Lasst uns auch beten für die Juden, auf das Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen. Das stellt einen Rückfall in antijüdisches Denken vor dem Zweiten Vatikanum dar.’“


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen reden über christliche Werte und ich hoffe, dass Sie nicht gerade nur christliche Werte wie Nächstenliebe einmal kurz hier im Plenum behaupten, sondern ich hoffe auch, dass Sie nachher unter TOP 23 die Möglichkeit nutzen, Nächstenliebe zu äußern und sie der Abschaffung der Residenzpflicht, dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE zustimmen werden.


(Beifall DIE LINKE)


Wenn Sie denn Nächstenliebe ernst meinen, müssen Sie dies tun. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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