Neue Wege aus der Coronakrise gehen – Thüringen von bürokratischen Hürden befreien

Andreas Schubert

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/1194

 

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Die Forderung der CDU nach unbürokratischen Hilfen für die Wirtschaft und einer schlanken Verwaltung halten wir im Grundsatz für richtig. Auch wir nehmen in Gesprächen mit Unternehmer/-innen, aber auch Einwohner/-innen, Verbandsvertretern die Kritik an der aktuellen Regelungsdichte insgesamt wahr. Sicherlich hat die Politik Sorge dafür zu tragen, dass sich bürokratische Vorgänge nicht wie ein selbst wucherndes Geschwür ausbreiten können und so die Handlungsfähigkeit und Wirtschaft und Verwaltung behindern.

 

(Beifall FDP)

 

Aber ich möchte auch dazu sagen – und das war schon Bestandteil der Bemerkung der Kollegin Lehmann –, die Mehrzahl der Vorgaben ist auf Bundes- und europäische Ebene zurückzuführen. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand hier im Saal ernsthaft bestreiten wird. Ein Beispiel ist die A1-Bescheinigung. Wenn ich Urlaub machen will, kann ich aufgrund der EU-Reisefreiheit einfach losfahren und muss mir keine großen Gedanken über unnötigen Papierkram machen. Anders sieht es aus, wenn ich als Soloselbstständiger im europäischen Ausland auf Geschäftsreise bin oder ich als Unternehmer meine Mitarbeiter/-innen ins Ausland schicke. Bei Tätigkeiten und Dienstreisen ins europäische Ausland ist die A1-Bescheinigung zwecks Sozialversicherung zwingend notwendig. Das Verfahren zur Beantragung dieser A1-Bescheinigung muss dringend vereinfacht werden, denn es kostet unnötig Zeit und bei Nichteinhaltung dieser Regelung drohen hohe Strafen. Gemeinsam müssen wir deshalb den Druck auf Bundes- und Europapolitik vor allen Dingen erhöhen, um Bürokratiemonster und den bereits angesprochenen Papiertiger einzudämmen und in Zukunft zu verhindern.

Zur Wahrheit, sehr geehrter Kollege Henkel, gehört natürlich auch, dass sich die Landesregierung unter CDU-Ministerpräsidenten auch um den Aufwuchs materiellen Rechts verdient gemacht hat und offensichtlich zu wenig getan hat für den Bürokratieabbau. Das betrifft, weil Sie so schmunzeln, Herr Montag, auch Ihre Regierungsbeteiligung, zum Beispiel auf Bundesebene. Insofern ist die Gefahr natürlich groß, hier bei uns im Land Erwartungen zu wecken, die die Landesebene überhaupt gar nicht erfüllen kann. Aber immerhin beweist die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ja den doppelt so hohen Mut wie die Kollegen im Bundestag, indem nicht eine Eins-zu-eins-Lösung vorgeschlagen wird, sondern sogar eine Eins-zu-zwei-Lösung. Zwei Regelungen sollen abgeschafft werden, wenn eine neue eingeführt wird.

 

Zu Ihrem Antrag ist zu sagen, dass die Punkte 2 und 3 viel schneller mit einer Anfrage erfüllbar gewesen wären. Dann wäre auch die Terminstellung zum 1. September wahrscheinlich noch erreicht worden, die aber jetzt aufgrund der Verweisung an den Ausschuss so gar nicht funktionieren kann. Wenn die inhaltlich erwähnten Punkte 4 und 5, unbeachtlich der unter Punkt 1 geäußerten semantischen Klimmzüge mit politischen Worthülsen, dann tatsächlich im Vordergrund stehen, so werden wir uns gern mit Ihnen im Ausschuss in die Debatte begeben. Allerdings – und auch das möchte ich hier schon vorab anzeigen, Herr Henkel – haben wir erhebliche Zweifel, dass mit der Einführung eines weiteren Gremiums der erste Schritt gegangen wird, Bürokratie abzubauen. Der Normenkontrollrat, den Sie vorschlagen, klingt eher nach der Logik: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann bilde ich den nächsten Arbeitskreis.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Vor dem Hintergrund bleibt tatsächlich zu fragen, ob wir hier von Bürokratie im Allgemeinen sprechen, denn Bürokratie ist nicht gleich Bürokratie, wenn es um gewollte und auch gesellschaftlich notwendige Steuerung von Rahmensetzungen geht. Rahmensetzung ist ja die Aufgabe von Politik, natürlich auch Rahmensetzung für die Wirtschaft. Vor dem Hintergrund kann ich Ihr angeführtes Beispiel genauso wenig nachvollziehen wie die Kollegen der Koalitionsfraktionen, die vor mir hier schon am Pult gestanden haben, wenn es darum geht, beim Vergabegesetz tatsächlich auch politische Rahmensetzungen im Gesetzgebungsverfahren abzubilden, ist das nicht mit einer abzuschaffenden Bürokratie zu beschreiben, sondern wir wollen tatsächlich – und das ist ja auch bei vielen Unternehmensvertretern zum Beispiel überhaupt nicht in Abrede gestellt worden – die Kriterien zum Zuge bringen, die da heißen: Ein Betrieb, der sich der Aufgabe der Ausbildung zukünftiger Fachkräfte widmet, hat natürlich sozusagen höhere Aufwendungen und soll dafür auch ein Prä bei Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hand bekommen.

 

Auch das, was von Ihrer Fraktion in der Aktuellen Stunde oder von Ihrem Kollegen am Samstag vergangener Woche in Gerbershausen auf der Versammlung der IG Metall gesagt wurde, dass also Regelungen tatsächlich notwendig sind, um zum Beispiel zu verhindern, dass auf europäischer Ebene das Fördermittel-Hopping von Unternehmen befördert wird, ist eine politische Rahmensetzung, die ganz offensichtlich zumindest Teile auch der CDU-Fraktion hier im Thüringer Landtag gern begrüßen.

 

Deswegen sollten wir tatsächlich im Ausschuss noch mal über die Kernaufgabe des Staats nachdenken. Die Kernaufgabe besteht jedenfalls nicht darin, der Wirtschaft maximale Freiheit zu organisieren, da haben wir ein ganz anderes Verständnis. Insofern bleibt es sozusagen auch zu bezweifeln, dass die CDU an dieser Stelle das Korrektiv hier im Thüringer Landtag ist. Wir werden einer Ausschussüberweisung ebenfalls zustimmen und sind gespannt auf die interessante Debatte dann im Fachausschuss im September. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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