Nachhaltigkeitsinvestitionen in Thüringen beschleunigen

Andreas Schubert

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/7779

 

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Thüringerinnen und Thüringer am Livestream oder auch später dann beim nachschauen, der Antrag der Koalitionsfraktionen unter der Überschrift „Nachhaltigkeitsinvestitionen in Thüringen beschleunigen“ steht mit seinen konkreten Vorschlägen für die Zukunft von Thüringen. Schon Voltaire wusste: „Wir sind verantwortlich für das, was wir tun, aber auch für das, was wir nicht tun.“

 

Inzwischen haben wir als Menschheit einen Punkt erreicht, der bei unveränderter Wirtschaftsweise die Existenzgrundlage hier auf unserer Erde massiv gefährdet und damit die Zukunft der Menschheit infrage stellt. Wir stehen kurz vor dem Kipppunkt in eine unumkehrbare klimatische Katastrophe, die das Leben unserer Kinder und Enkel auf vielen Gebieten des Planeten unmöglich machen würde – mit allen daraus abzuleitenden Auswirkungen. Wenn wir das nicht zulassen wollen, müssen wir reagieren, jetzt, auch in Thüringen. Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen gilt. Es ist der ultimative Handlungsauftrag für alle, für uns alle, die letzte Chance zu nutzen, das Schlimmste abzuwenden.

 

Es sei auch noch mal darauf verwiesen, dass wir die Erde brauchen, um zu leben. Die Erde braucht uns aber nicht. Das heißt, es reicht nicht, uns heute damit zu begnügen, schon an morgen zu denken, wie manche hier im Plenum immer wiederholen. Nein, wir müssen vom Denken endlich ins Handeln kommen. Heute für morgen handeln ist das Gebot der Stunde. Deshalb muss ab sofort das Kriterium für alle Entscheidungen sein, wie mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz gelingen, und zwar schnellstmöglich. Wenn wir heute schon vermehrt unseren Strom aus erneuerbaren Energien beziehen würden, wenn unsere Heizungen auf Wärmepumpen basierten, wenn die Mobilität von der Straße auf die Schiene umgestellt und die technologische Transformation schneller vorangebracht worden wäre, dann hätten wir keine Inflation in dieser Höhe und weniger Unternehmen mit den dazugehörigen Arbeitsplätzen wären hier bei uns im Land in ihrer Existenz bedroht. Denn nicht zufällig heißt das größte Subventionsprogramm in Amerika, mit 2 Billionen US-Dollar ausgestattet, „Inflation Reduction Act“. Es geht nämlich dort genau darum, mit diesen Subventionen die Inflation zu bekämpfen. Deshalb ist eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung zur Dekarbonisierung doppelt wichtig im Kampf um den Erhalt der Lebensgrundlagen auf unserer Erde und im Wettbewerb um Zukunftschancen des Wirtschaftsstandorts.

 

Mit dem vorliegenden Antrag unterbreiten wir konkrete Vorschläge, um die Dekarbonisierung in Thüringen mit Nachhaltigkeitsinvestitionen der öffentlichen Hand und der Unternehmer voranzutreiben, um langfristig Verbraucher und Wirtschaft zu entlasten. Die schnelle Umstellung auf CO2-neutrale Energiequellen und Produktionsprozesse einschließlich Energieeffizienzsteigerung ist und bleibt für die Thüringer Wirtschaft eine Herausforderung gerade in Zeiten extremer Preissteigerungen und multipler Krisen.

Die Dekarbonisierung von Produkten und Prozessen für eine klimaneutrale Wirtschaft ist notwendig und bedarf kurz- und mittelfristig großer Investitionsanstrengungen der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand. Das hören wir von allen, mit denen wir dort draußen sprechen. Zielgerichtete Förderung von Unternehmen bei der Transformation von Produktionsprozessen und Dienstleistungen in Richtung klimaneutrale Wirtschaft beinhaltet Umstellung auf erneuerbare Energien einschließlich deren Erzeugung, Energieeffizienzsteigerung und -einsparung, Klimaneutralität auch in globalen Lieferketten. Durch Ausweitung der Förderung um 50 Millionen Euro wollen wir dies auch bei Unternehmen anreizen.

 

Wir wissen, dass seitens des Landes und in den Thüringer Kommunen insgesamt erhebliche Investitionsbedarfe bestehen. Für die Schaffung einer nachhaltigen Infrastruktur benötigen das Land, Städte und Gemeinden und Landkreise zusätzliche Finanzierungsinstrumente bzw. zweckgerichtete Investitionsmittel, um notwendige Transformationen umsetzen zu können. Das ist etwas anderes, als das, was wir im vorletzten Tagesordnungspunkt beschlossen haben, dass wir 50 Millionen Euro pauschal an die Kommunen ausgeben, bei denen wir nicht wissen, ob am Ende damit Nachhaltigkeitsinvestitionen unterstützt werden. Deshalb schlagen wir die Einrichtung eines revolvierenden Nachhaltigkeitsfonds vor, um zusätzliche Investitionen für Kommunen einschließlich kommunaler Eigenbetriebe in Maßnahmen zur Energieerzeugung, Energieeinsparung zu finanzieren. Ziel ist ein Instrument mit langfristiger Planungssicherheit und einer kontinuierlichen Antragstellung, ohne Stichtage, ohne Abhängigkeit von zukünftigen Landeshaushalten zu schaffen.

 

Dafür kann zum Beispiel unsere landeseigene Förderbank, die TAB, genutzt werden, die dafür schon viel Know-how angesammelt hat. Als Beiratsmitglied der TAB bin ich davon überzeugt, wir könnten einen solchen Nachhaltigkeitsfonds noch in diesem Jahr auf Landesebene zum Laufen bringen, um 2024 die ersten Projekte umzusetzen. Auch das Land mit seinen landeseigenen Gesellschaften, Körperschaften, als Immobilienbesitzer bzw. großer Flächeneigentümer in Thüringen hat eine besondere Verantwortung für die Dekarbonisierung. Deshalb schlagen wir die Prüfung alternativer Finanzierungsmodelle vor, um den Transformationsprozess zu beschleunigen. Vorstellbar zum Beispiel ist für uns dabei, dass bestehende Landesgesellschaften eine explizite Aufgabenstellung erhalten: Energieeinsparung, Energieeffizienzsteigerung, die Umstellung auf die Gewinnung und Übertragung von erneuerbaren Energien und/oder die Neugründung von öffentlichen Investitionsgesellschaften, die dieses Ziel erfüllen.

 

Auch für Privathaushalte stellt sich die Frage der Dekarbonisierung unmittelbar. Das sehen wir unter anderem an der aktuellen Presselage gestern, als über eine Verdoppelung der Fernwärmepreise zu lesen war. Deshalb wollen wir folgende Maßnahmen auf den Weg bringen: Einen Investitionszuschuss für Energiegenossenschaften, damit durch die breite wirtschaftliche Beteiligung bei der Energietransformation in den Regionen Vorbehalte gegen die Errichtungen von Anlagen für erneuerbare Energien minimiert werden. Damit kann flächendeckend kurzfristig eine Vielzahl von Akteuren für den Umstellungsprozess aktiviert werden. Das auch schon von meinem Vorredner bei der Einbringung angesprochene Programm für Privathaushalte im Rahmen der Wärmewende gehört genauso dazu.

 

Jetzt werden sicherlich nachher in der Diskussion wieder Bedenkenträger hier zu hören sein, die fragen: Woher nehmen wir denn dafür das Geld, ist es nicht besser, das Geld in die Rücklage zu packen,

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Nein! Ist es sinnvoll?)

 

ist es vielleicht nicht besser noch zu warten? Nein, ist es nicht, lautet die Antwort, denn es wird beim Zuwarten nicht günstiger, es wird immer nur teurer und wir verpassen die Zukunftschancen für unser Land.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Und deswegen hat unser Vorschlag ganz konkret eine Quelle, die wir hier auch benennen. Im Sondervermögen für die Energiekrise sind also Mittel nicht nur für diese Rettungsschirmmaßnahmen, die schon angesprochen wurden, in Höhe von über 250 Millionen Euro adressiert, nein, wir lesen in § 2 Abs. 2 des Gesetzes unter 6. folgenden Satz: dass Mittel auch für Zuschüsse zur Transformation von Energieträgern Energieeffizienzsteigerung und Energieeinsparung genutzt werden können. Alle Vorschläge, die ich bis hierher genannt habe, passen genau in das Raster der Auftragsstellung, die im Sondervermögen nachzulesen ist, nämlich in § 2 Abs. 2 Nr. 6. Und deshalb ist es so – und das ist übrigens auch die Überzeugung des Wirtschaftsministers in diesem Bundesland –, dass wir die für den Rettungsschirm bereitgestellten Mittel in dieser Höhe, weit über 250 Millionen Euro, nicht mehr brauchen werden, weil sich bekanntermaßen die Rahmenbedingungen seit Oktober vergangenen Jahres doch sehr deutlich geändert haben. Deswegen wollen wir diese Mittel jetzt umnutzen, um in den Transformationsinvestitionen hier deutlich Fahrt aufzunehmen.

Es gibt darüber hinaus einen weiteren Vorschlag, einen zentralen Vorschlag in diesem Antrag der Koalition, der auch den notwendigen Paradigmenwechsel parkiert, alle Instrumente zu nutzen, die uns heute zur Verfügung stehen. Die Rede ist von unserer landeseigenen Förderbank. Wir wollen dort das Eigenkapital aufstocken und es gibt für mich keinen einzigen erkennbaren Grund, dieses Instrument nicht zu nutzen. Denn Fakt ist, die Attraktivität des Freistaats für neue Investitionen und die Sicherheit bestehender Arbeitsplätze steigt mit der Geschwindigkeit der dafür notwendigen Nachhaltigkeitsinvestitionen. Wir müssen die Modernisierung Thüringens beschleunigen. Eine aktive Unterstützung der Umstrukturierung in den Unternehmen ist Voraussetzung dafür, dass möglichst wenig Arbeitsplatz- und Wertschöpfungsverluste in diesem Prozess auftreten, sondern im Gegenteil, neue dazugewonnen werden können. Und das ist aus unserer Sicht auch eine Aufgabe, die nicht länger Zeit verbrauchen kann, sondern wir wollen jetzt damit beginnen. Es wird sich am Ende für uns alle auszahlen, unter anderem auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für Unternehmen. Gute Wirtschafts- und Klimapolitik ist eben auch gute Finanzpolitik.

 

Der Vorschlag der Koalition bringt Thüringen bei schneller Umsetzung auf die Überholspur im Standortwettbewerb der Zukunft. Worauf sollten wir also noch warten? Sind wir als Demokraten in Verantwortung für unsere Wählerinnen und Wähler ins Gelingen verliebt, dann sollten wir jetzt die Ampeln auf Grün schalten und den Nachhaltigkeitsturbo für Thüringen zünden. Wir sind verantwortlich für das, was wir tun, aber auch für das, was wir nicht tun. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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