Mögliche Einführung einer Impfpflicht auch in Thüringen – Wie viel ‚Wortbruch‘ verträgt die Demokratie

Ralf Plötner

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/4523

 

Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Anwesende – die im Moment in der Tat leider noch nicht so zahlreich sind –, es ist viel getan worden, bevor die Überlegungen zu einer Impfpflicht von politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern ernsthaft erwogen wurden. In Thüringen gab und gibt es eine Impfkampagne mit Infomaterial, Werbung, Aufklärung in sozialen Medien, aufsuchende Beratung durch die Sozialplanung vor Ort und in Beratungsstrukturen, das massive Aufstocken der mobilen Impfteams, Impfaktionen, die dort sind, wo die Menschen leben, und das Aufrechterhalten der Impfstellen. Der schnelle Anstieg der Impfwilligen zu Beginn der Impfkampagne und jetzt bei den Boosterimpfungen zeigt uns, dass diese Informationen auch bei den Menschen ankamen und ankommen. Eine Impfquote – das wissen wir leider –, die die gesamte Bevölkerung schützt und die Pandemie beendet, ist nicht erreicht. Von Beginn an wurde darauf hingewiesen, dass eine sehr hohe Impfquote notwendig ist, um den Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Das ist keine neue Erkenntnis, auch wenn die AfD immer gern so tut. Und leider haben die Mutationen die Anforderungen an eine Impfquote noch einmal erhöht. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kann die Gesellschaft diejenigen schützen, die zum einen für ihren Eigenschutz eine Impfung vorgenommen haben, vor allem diejenigen, die aus medizinischen Gründen keine Impfung vornehmen können, und die, die trotz Impfung nicht genügend Antikörper aufbauen? Wie schützt eine Gesellschaft ihr Gesundheitssystem vor dem offensichtlichen Zusammenhang zwischen Ungeimpften und einer hohen Hospitalisierung. Hier kommt wieder die Debatte zur Impfpflicht ins Spiel. Es ist leider so, dass die AfD die Betten in den Krankenhäusern vollmacht und eine hohe Mitschuld daran trägt,

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

dass Operationen nicht ausgeführt werden können wie bei diesem schlimmen Schicksal des Kindes, das hier vorhin angesprochen wurde.

 

Ich komme gern zu den Zahlen, die wir zwingend bei der Debatte um die Impfpflicht berücksichtigen müssen. Beim Hospitalisierungsgrad bei Geimpften und Ungeimpften besteht ein großer Unterschied. Die Wahrscheinlichkeit für eine Hospitalisierung ist für eine geimpfte Person durch die größere Grundgesamtheit an Geimpften deutlich geringer als die von einer ungeimpften Person. So beträgt die Hospitalisierungsinzidenz für Geimpfte 5,4, während sie für die Ungeimpften 12,5 beträgt; die Daten sind mit Stand vom 09.12. Momentan ist es auch so, dass die Impfpflicht von unterschiedlichsten Parteien als Option diskutiert wird. Das zeigt auch, dass in der Gesellschaft die Debatte breit verankert ist und uns Umfragen auch deutlich machen und sagen: Die Mehrheit der Menschen in Deutschland und in Thüringen spricht sich für eine Impfpflicht aus. Man muss also anerkennen, dass es hier die breite Befürwortung gibt. Das ist sehr zu begrüßen. Dass die Impfpflicht zu Beginn der Impfkampagne nicht als probates Mittel öffentlich diskutiert wurde, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, aber Sie erinnern sich an die Debatten um Priorisierung und vor allen Dingen die der Impfstoffknappheit. Deswegen hätte sich da auch eine Debatte über eine Impfpflicht verboten. Was hier von der AfD als – Zitat – „arglistige Täuschung“ diffamiert worden ist, ist ein demokratischer Prozess, der hier stattfindet, und das ist nicht zwingend etwas Schlechtes. Eine Umentscheidung, ein Revidieren von früheren Positionen – das sollte eben auch im politischen Diskurs üblich sein – ist möglich. Meinungen ändern sich, weil andere Argumente in den Vordergrund treten und der Diskurs über neue wissenschaftliche Erkenntnisse eben auch andere politische und gesellschaftliche Auffassungen als Ergebnis hat. Das ist geübte und gute Praxis.

 

Der Ethikrat hat sich auch sehr intensiv mit den Fragen einer Impfpflicht beschäftigt, wie zum Beispiel auch schon bei der Frage der Masern. Er führt den Begriff des Gemeinschaftsschutzes hier als einen sehr wichtigen an, dass es eben nicht darum geht, Einzelinteressen hier zu verfolgen, sondern wirklich die gesamte Gesellschaft in den Blick genommen werden muss. Er hat sich bei den Masern – Sie wissen das – für eine Impfpflicht ausgesprochen und eben jetzt auch bei der Corona-Pandemie.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Wir werden in Thüringen nicht eigenständig eine Verpflichtung zum Impfen gegen das Corona-Virus einführen. Der Bund muss ja weiter aktiv sein. Nach allem, was wir sehen, gibt es Planungen für eine Einführung im Frühjahr nächsten Jahres. Dafür muss aber die Grundlage geschaffen sein, dass es eine Auswahl zwischen mRNA-Impfstoffen, Vector-Impfstoffen und Totimpfstoffen gibt, und es muss auch überhaupt Impfstoff vorhanden sein. Leider haben wir ja alle vernommen, dass es wieder Probleme bei den bestellten Impfstoffmengen gibt, durch den Gesundheitsminister a.D. zu verantworten.

 

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, was auch niemanden kaltlassen sollte, ist, dass wir hier eine Debatte um eine Impfpflicht führen, während in ärmeren Ländern der Welt gerade mal 2,5 Prozent der Bevölkerung einen vollständigen Impfschutz haben. Der Weg hier kann nur über die Freigabe von Patenten gehen, damit die weltweite Pandemie auch weltweit bekämpft werden kann.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss und möchte noch mal deutlich sagen: Eine Impfpflicht bedeutet nicht, jemanden mit Gewalt zum Impfen zu bringen, aber sie wird die Impfquote erhöhen und sie ist der Weg aus der Pandemie, sonst würden wir uns in einer Dauerschleife von Einschränkungen wiederfinden, die wirklich niemand will. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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