„Maulkorberlasse“ Thüringer Behörden – Reglementierung der Medienarbeit von Bürgermeistern und Polizei 1/2

Zum Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/1051


Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem der CDU-Fraktion! Mit der Neufassung Ihres Antrags in Drucksache 6/1051 versuchen Sie, den Eindruck zu erwecken, als ob unter Rot-Rot-Grün die Einschränkung der Meinungsfreiheit an der Tagesordnung ist.


(Beifall CDU, AfD)


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie haben es auf den Punkt gebracht, Herr Dittes! Genau so ist es!)


Jetzt muss ich natürlich ein Stück weit auch an Ihrer Aufnahmefähigkeit am heutigen Morgen zweifeln. Ich habe gerade gesagt, Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass das an der Tagesordnung ist, und da applaudieren Sie. Ich denke, damit beweisen Sie, dass meine These richtig ist.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist aber ein unsäglicher Versuch und vor allem ist es ein unbegründeter und unsachlicher Versuch.


Wenn es um das Zurückrudern geht, Herr Thamm, nicht Herr Rosner ist zurückgerudert, sondern er hat klargestellt, was im Anschreiben/Rundschreiben gemeint ist. Sie sind heute zurückgerudert, indem Sie sagen, es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Da will ich mal sagen, von der Überschrift „Maulkorberlasse in Thüringen“ bis hin „es bleibt ein bitterer Nachgeschmack“, Herr Thamm, dann ist es wirklich eine große Bandbreite, die wir hier vernehmen konnten. Es wird vor allem deutlich, dass hier viel Wind um nichts gemacht wird.


(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das haben die Bürgermeister anders gesehen!)


(Unruhe CDU)


Meine Damen und Herren, Sie müssen einzeln zwischenrufen, in Ihrer Gruppe verstehe ich Sie nicht. Das ist das Problem. Insofern kann ich nicht auf Sie reagieren.


(Beifall DIE LINKE)


(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Dann müssen Sie mal zum Ohrenarzt gehen!)


Es ist doch auch nicht falsch, was Herr Thamm sagt, dass ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Aber gehen wir doch der Reihe nach mal das Rundschreiben durch. Frau Marx hat darauf verwiesen, es geht um amtliche Äußerungen. Falls es irrige Annahmen darüber gibt, wo denn die amtliche Äußerung endet oder beginnt, legt das Landesverwaltungsamt in seinem Rundschreiben auch noch dar, dass amtliche Äußerungen in der Regel dann vorliegen, wenn sich die Amtsträger beispielsweise in Amtsblättern oder in den Internetpublikationen der Gemeinden äußern. Und es macht doch auch Sinn, hier auf die tatsächliche Rechtslage hinzuweisen. Sie kennen das vielleicht aus dem Bereich der politischen Bildung, dort reden wir auch von einem Überwältigungsverbot, was aus einer Funktion gegenüber dem Lernenden heraus entstehen kann. Genauso ist es hier im Fall der Amtsträger. Man wolle eben nicht öffentlich den Eindruck erwecken, dass eine politische Auffassung, eine persönliche Meinung die amtlich hoheitlich vorgetragene Auffassung des Staats und seiner Strukturen ist, weil der Bürger/die Bürgerin selbst die Möglichkeit haben muss, ihre Meinung frei zu bilden. Und darauf zu verweisen, ist doch alles andere als ein Maulkorb, es sei denn, meine Damen und Herren der CDU, Sie sagen, das Beamtengesetz und das Beamtenstatusgesetz kommen einem Maulkorb gleich. Das ist mitnichten so, sondern das sind wesentliche Grundlagen zum Funktionieren eben auch öffentlicher Verwaltungen im Wechselspiel mit den Bürgerinnen und Bürgern.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will aber auch deutlich machen, Herr Thamm – und deswegen sage ich, Sie liegen gar nicht so falsch mit dem bitteren Nachgeschmack –, es kommt natürlich auch immer darauf an, wie man Rechtslagen kommuniziert. Darauf hat der Ministerpräsident bei der Mitgliederversammlung des Gemeinde- und Städtebunds auch hingewiesen. Wenn der Anlass – und, Frau Marx, ich will den Namen ruhig nennen –, der im Amtsblatt des Landkreises Weimarer Land liegt und durch den Landrat Münchberg veranlasst worden ist, so lange zurückliegt, dass er für die meisten in der kommunalen Familie nicht mehr erinnerbar ist, dann sollte man in einem solchen Schreiben noch mal darauf hinweisen und nicht allein auf aktuellen Bezug in allgemeiner Natur hinweisen, sondern dürfte durchaus noch mal die direkte Beziehung herstellen. Es ist natürlich unglücklich, dass dieses Schreiben in eine Zeit hineinfiel, in der es einen sehr intensiven öffentlichen und auch sehr kritisch geführten Dialog zwischen Landräten, Bürgermeistern und der Landesregierung gibt. Aber, meine Damen und Herren – und das sage ich auch wieder in Ihre Richtung, der CDU-Fraktion –, es wäre nicht nur wünschenswert, wenn Landräte und Bürgermeister – und da gebe ich auch Ihnen recht, Herr Thamm, die übergroße Mehrheit der Amtsträger verhält sich auch in diesem Punkt rechtskonform – sich nicht nur an die Vorgaben des Beamtenstatusgesetzes und des Beamtengesetzes halten, sondern eben auch an die Wahrheit. Für mich wäre manchmal ein politischer Hinweis auch aus Ihrer Fraktion, was den Wahrheitsgehalt von Meinungsäußerungen von Landräten anbetrifft, durchaus wünschenswert. Dabei will ich ganz konkret einen weiteren Landrat, der Ihrer Partei angehört, ansprechen, nämlich den Landrat Krebs, der in seiner Funktion als Landrat einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten dieses Landes schreibt und darauf hinweist, er könne keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, weil im Wartburgkreis keine Unterkunftsmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen, aber gleichzeitig sich Bürgermeister im Wartburgkreis äußern, dass sie Unterkunftsmöglichkeiten dem Landrat angeboten haben, dieser diese aber abgelehnt hat.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier wünsche ich mir eine wahrhaftige Aussage auch von Amtsträgern und Mandatsträgern. Das hat weniger mit dem Rundschreiben zu tun als mit dem tatsächlichen politisch verantwortungsvollen Umgang mit den sachlichen Themen, die Landräte alltäglich zu bewältigen haben. Insofern ist das Rundschreiben rechtlich überhaupt nicht zu beanstanden, aber ich will einräumen, in der B-Note gibt es tatsächlich Verbesserungsbedarf. Ich denke, das haben das Landesverwaltungsamt und das Innenministerium aus der Diskussion auch mitgenommen.


Ich will zu dem zweiten Punkt, den Sie in Ihrem Antrag formulieren, noch etwas sagen. Hier wiederholt sich ein Phänomen, was wir schon in vergangenen Sitzungen immer wieder beobachten konnten. Herr Thamm, Sie stellen sich hier vorne hin und behaupten tatsächlich Sachverhalte wider besseres Wissen.


(Beifall DIE LINKE)


Sie schreiben im Antrag und Sie wiederholen das hier, es gäbe eine Mail vom 4. Februar 2015. Daraus ist zu entnehmen, dass es eine Anweisung gegenüber nachgeordneten Behörden der Landespolizeiinspektion Nordhausen gibt, Informationen über Kriminalität in Flüchtlingsunterkünften möglichst nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Sie haben hier noch davon gesprochen, dass es zum Stillschweigen Anordnungen gäbe, und das sei eine bedenkliche Behinderung der Medienarbeit. Herr Thamm, ich meine, Sie waren letzte Woche zugegen bei der Sitzung des Innenausschusses und wir haben diese Fragen eigentlich abschließend geklärt und beantwortet bekommen. Wir haben auch über den Inhalt der Mail im Ausschuss diskutiert. Dass, was Sie hier vorgetragen haben, ist schlichtweg wahrheitswidrig. Ich glaube, das, was man Ihnen zum Vorwurf machen muss, ist, dass Sie es eigentlich besser wissen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese Mail vom 4. Februar 2015 hat zum Inhalt, dass nachgeordnete Behörden der Landespolizeiinspektion darauf hingewiesen werden, dass die öffentliche Berichterstattung in den Fällen des öffentlichen Interesses selbstverständlich durch die Landespolizeidienststellen erfolgt. Ein öffentliches Interesse ist abzuleiten bei einer besonderen Schwere der Straftat oder wenn die Straftat im öffentlichen Raum stattgefunden hat. In allen anderen Fällen, das sagt die Mail aus, wird nicht eigenständig informiert, sondern auf Nachfrage von Medien ordnungsgemäß und wahrheitsgemäß beantwortet. Von Stillschweigen ist überhaupt nicht die Rede. Wenn Sie weiter sagen, es gäbe ein systematisches Verschweigen, dann weise ich Sie nur auf parlamentarische Anfragen und Antworten der Landesregierung hin, wo Sie genau die Anzahl der registrierten Straftaten im Zusammenhang mit Flüchtlingen in Thüringen und auch die polizeilichen Einsatzvorkommnisse im Zusammenhang mit Aufnahmeeinrichtungen entnehmen können. Daraus abzuleiten, hier gebe es ein systematisches Verschweigen, ist, und das hatte ich schon gesagt, grob fahrlässig oder zumindest auch bewusst wahrheitswidrig vorgetragen. Es ist auch überhaupt nicht zu beanstanden, eine solche Eingrenzung vorzunehmen, denn, Sie wissen es, wir haben im Jahr 2014 in Thüringen 142.000 Straftaten zu verzeichnen. Nun wird doch keiner von Ihnen auf die Idee kommen, dass über jede einzelne dieser Straftat, die weit weniger in der Anzahl darstellen als polizeiliche Einsatzalarmierungen und Einsatzgeschehen, die Polizei proaktiv die Öffentlichkeit informiert. Das widerspricht doch grundsätzlich den Persönlichkeitsinteressen und hier gelten Persönlichkeitsschutzinteressen nicht nur der Opfer von Straftaten sondern auch der Täter. Es gibt aber im Abwägungsprozess natürlich die Pflicht zur öffentlichen Berichterstattung, das hatte ich gesagt, in Abhängigkeit der Schwere oder beispielsweise bei der Inanspruchnahme des öffentlichen Raums.


(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Hat einer Anzeigen aufgenommen?)


Das ist ja im Fall von Straftaten in Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen auch geschehen oder auch im Zusammenhang mit Körperverletzungsdelikten durch Flüchtlinge, aber auch im Zusammenhang mit Straftaten, die sich gegen Erstaufnahme- oder Aufnahmeeinrichtungen oder gegen Flüchtlinge gerichtet haben. Ich möchte Sie beispielsweise für die erste Gruppe auf die Situation in Suhl aber auch in Arnstadt hinweisen.


Wenn Sie in diesem Zusammenhang auch – das wird vielleicht der Abgeordnete Fiedler in seinem Redebeitrag noch tun – auf die Äußerung und Einlassung des stellvertretenden Leiters des Arbeitskreises Polizei bei der CDU hinweisen, dann will ich Ihnen auch noch einmal deutlich zitieren, was Herr Christ auch gegenüber der Öffentlichkeit gesagt hat. Er sagte: Von schriftlichen Weisungen habe ich nicht gesprochen. – Er stellt etwas in den Raum, was er annimmt, dass es vorherrscht als Klima. Und daraus entwickelt sich eine Darstellung des systematischen Verschweigens. Ich finde diese Herleitung politisch auch grob fahrlässig, weil sie in der Öffentlichkeit


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


einen Eindruck erweckt, dass nicht nur etwas verschwiegen werden muss, sondern dass es auch noch eine große Dunkelzahl hinter den Zahlen, die ohnehin veröffentlicht werden, gibt, und das erzeugt natürlich auch Unsicherheit, aber das befördert auch Rechtspopulisten. Wer den letzten Wahlkampfautritt von HC Strache in Wien verfolgt hat, konnte erleben, wie so was auch politisch instrumentalisiert gebraucht wird.

Ich bin André Schulz vom Landeskriminalamt Hamburg sehr dankbar, der einen Beitrag für die „WELT“ geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob er sich dort auf die GdP Thüringen bezogen hat, aber grundsätzlich hat er natürlich recht, wenn er dort schreibt: „Wenig hilfreich ist es auch, wenn sich Polizeigewerkschaftsvertreter unter dem Klartextdeckmantel als geistige Brandstifter betätigen und endlich mal das aussprechen, was die Lügenpresse“ – oder Rot-Rot-Grün in Thüringen – „uns verschweigt.“


Meine Damen und Herren, ich mahne bei Ihnen Sachlichkeit in der Debatte an und mit Sachlichkeit können wir auch ehrlich und transparent über die tatsächliche Situation reden. Ihr Antrag ist jedenfalls kein Beitrag zur Sachlichkeit und findet auch keine Zustimmung. Herzlichen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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