„Lauinger-Affären“ endlich ein Ende setzen - Justizminister entlassen

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/4744

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion hat mich sehr befremdet.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein Minister soll unverzüglich aus seinem Amt entlassen werden. Das ist eine schwerwiegende Forderung, für die man wohl eine fundierte Begründung erwarten dürfte. Was sich in der vorliegenden Begründung allerdings findet, basiert auf Behauptungen, Unterstellungen, Vermutungen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da ist etwa die Rede von mangelndem Problembewusstsein, von Nachlässigkeit, von Missachtung parlamentarischer Informationsansprüche, ohne auszuführen, welche konkreten Ministerpflichten angeblich verletzt wurden, welches Verhalten nachlässig gewesen sein soll bzw. was konkret von Herrn Minister Lauinger erwartet wurde. Was bitte soll man mit diesen lapidaren Aussagen anfangen? Ebenso wenig erschließt sich, welches vermeintliche Fehlverhalten sich hinter dem Vorwurf des „dilettantischen Umgangs mit schwerwiegenden Angelegenheiten“ verbergen soll.


Nehmen wir den gut organisierten Drogenring in der JVA Tonna. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, woraus die Antragstellerin die Erkenntnis schöpft, dass es in der JVA Tonna den behaupteten gut organisierten Drogenring gibt. Nach den vorliegenden Pressemitteilungen muss man davon ausgehen, dass Quelle dieses Wissens eine Fernsehberichterstattung ist, in der – medial eindrucksvoll in Szene gesetzt – in der Sache beteiligte Personen über die Drogenproblematik in der JVA Tonna aus ihrer persönlichen subjektiven Wahrnehmung sprechen und in der Bezug auf sogenannte Ermittler genommen wird, deren Identität völlig im Dunkeln liegt. Solche nicht überprüfbaren Informationen als Tatsachen zu unterstellen und daraus der Öffentlichkeit einen gut organisierten Drogenring, ja sogar ein Drogenkartell, wie es in der Pressemitteilung heißt, zu präsentieren, das ist abenteuerlich, ich möchte schon sagen vermessen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bleiben wir doch bei den Fakten: Dass es in der JVA Tonna – und auch nicht nur in dieser JVA – Drogenprobleme gibt, ist seit Langem bekannt. Herr Minister Lauinger hat dazu in den Sitzungen des Justizausschusses am 09.12.2016 sowie am 20.01.2017 ausführlich berichtet. Dabei informierte er auch über die Maßnahmen, die zur Eindämmung des Drogenkonsums im Thüringer Strafvollzug und speziell zur Prävention ergriffen wurden. Die Details hierzu sind in den Protokollen der Ausschusssitzungen nachlesbar. Zudem empfehle ich die Lektüre der Antwort vom 23.12.2015 auf die Große Anfrage der CDU.

Was die staatsanwaltlichen Ermittlungen zu Drogenvorfällen in der JVA Tonna anbelangt, vermag ich kein Informationsdefizit vonseiten des Justizministeriums zu erkennen, denn Ermittlungsverfahren sind bekanntlich vertraulich zu behandeln. Diese Vertraulichkeit ist notwendig, um ein faires Verfahren sicherzustellen, um einerseits die Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten und Zeugen zu gewährleisten und andererseits den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dies ist ein unabdingbares Gebot der Rechtsstaatlichkeit, über das sich auch Minister und Abgeordnete nicht hinwegsetzen dürfen. Gerade in dem sensiblen Bereich des Strafvollzugs verbietet es sich, Ermittlungen vor ihrem Abschluss öffentlich zu machen. In gleicher Weise verbietet es sich aber auch, aufgrund einzelner Vorfälle in spekulativer Weise das Ermittlungsergebnis quasi vorwegzunehmen und damit die öffentliche Meinung zu manipulieren.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Also was ist daran dilettantisch, wenn sich ein Minister an rechtsstaatliche Gebote hält? Lassen Sie uns also den Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten, dann wird sich zeigen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Strukturen des organisierten Drogenhandels in der JVA Tonna bestanden oder gar noch bestehen und welche Abwehrmaßnahmen geboten sind.


Zum Ausbruch eines hochgefährlichen Straftäters aus der Justizvollzugsanstalt Suhl-Goldlauter: Über diesen Vorfall hat der Justizminister in der Sitzung des Justizausschusses am 27.10.2017 ausführlich berichtet. Und falls Sie sich in dieser Angelegenheit dennoch nicht ausreichend informiert fühlen sollten, erlaube ich mir, auf eine Sitzung des Justizausschusses vom 14.02.2008 zu verweisen. Ein Vertreter des damals CDU-geführten Justizministeriums führte zu einer ähnlichen Problematik aus, dass die Nichtrückkehr eines Strafgefangenen aus einem ihm gewährten Hafturlaub kein Gegenstand sei, über den die Landesregierung den Ausschuss unterrichten würde. Zudem beklagte er in diesem Zusammenhang den reißerischen Unterton der Medien.


(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Hört, hört!)


Hört, hört! Da hat sich ja einiges geändert seit Ihrem Umzug in die Opposition. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zurück zu Ihrem Antrag: Sie sind also der Meinung, dass Herr Minister Lauinger den Herausforderungen seines Amtes nicht gewachsen sei, weil es in Thüringer Justizvollzugsanstalten eine Drogenproblematik gibt und weil ein Untersuchungsgefangener entflohen ist.


(Beifall CDU)


Lassen Sie uns doch einmal einen Blick in die Vergangenheit werfen. Lieber Herr Kollege Geibert, als ehemaliger Abteilungsleiter Strafvollzug des TJM werden Sie mir sicher zustimmen, dass Ausbrüche aus Justizvollzugsanstalten und Drogenprobleme in Haftanstalten nichts ganz und gar Ungewöhnliches sind und gewiss –


(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: In meinen fünf Jahren ist keiner ausgebrochen!)


(Heiterkeit im Hause)


gut, warten Sie es ab, ich werde dazu noch etwas sagen – nicht von Nachlässigkeit und fehlender Kompetenz des jeweils amtierenden Justizministers zeugen. Ich möchte dazu an Ausbruchsfälle aus der Zeit erinnern, als das Thüringer Justizministerium von der CDU geführt wurde. – Ja, jetzt kommt’s – Im Jahr 2000 brach ein Häftling aus der Justizvollzugsanstalt Gotha aus, ein weiterer entwich im selben Jahr aus der Justizvollzugsanstalt Goldlauter, zwei weitere im Jahr 2006 aus dem Maßregelvollzug in Mühlhausen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Ich nehme insoweit Bezug auf die Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Nothnagel vom 09.01.2008 – da finden Sie eine schöne Liste.


Präsident Carius:


Sehr geehrte Kollegen, die Unruhe im Haus wird etwas zu groß. Ich bitte um Ruhe. Danke.


(Zwischenruf Abg. Korschwesky, DIE LINKE: Ich kann die verstehen von der CDU!)


Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE:


Und was die Problematik des Drogenkonsums in Haftanstalten anbelangt, möchte ich nur beispielhaft an den tragischen Tod eines Häftlings in der JVA Hohenleuben wegen unbekannter Drogenproblematik im Jahr 2006 erinnern. Vonseiten des damals CDU-geführten Justizministeriums wurde dazu ausgeführt, dass es trotz aller Kontrollen immer wieder solche Fälle geben werde und es auch immer wieder Bedienstete geben werde, die sich in dieses Geschäft einbinden lassen, und dass es eine drogenfreie Anstalt weder in Thüringen noch in ganz Deutschland gäbe und dass es vermessen wäre, wenn man behaupten würde, dass eine Justizvollzugsanstalt, in der natürlich auch ein hoher Anteil von Betäubungsmittelabhängigen inhaftiert sei, drogenfrei wäre.


In Anbetracht des vorliegenden Antrags müsste man meinen, dass die damaligen Justizminister wegen dieser Vorfälle ihren Hut nehmen mussten. Aber mitnichten! Auf solch eine absurde Idee ist damals niemand gekommen.


(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Noch nicht einmal die Opposition!)


Woher kommt aber dieser Gesinnungswandel? Ich denke, Ausführungen hierzu kann ich mir ersparen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich nun auf die Vorwürfe zum Verhalten des Ministers in der Angelegenheit der Prüfungsbefreiung seines Sohnes eingehen oder – besser gesagt – nicht eingehen. Denn es ist ein Unding zu verlangen, dass sich das Plenum mit Fragestellungen befasst, die Gegenstand der Ermittlungen eines Untersuchungsausschusses sind.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diesen Untersuchungsausschuss 6/3 haben Sie, liebe CDU-Fraktion, selbst initiiert. Nun sollten Sie sich auch an dessen Regeln halten


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und diese besagen, dass sich die Mitglieder und Ersatzmitglieder bis zum Vorliegen eines schriftlichen Berichts über die Ergebnisse der Untersuchung einer öffentlichen Beweiswürdigung zu enthalten haben. Also warten Sie ab, bis die Ergebnisse dieses Untersuchungsausschusses vorliegen, bevor Sie das Verhalten des Ministers Lauinger in dieser Angelegenheit bewerten. Das gebieten nicht nur die Vorgaben des Untersuchungsausschussgesetzes, sondern auch der Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


in dem Sie ja selbst an der Aufklärung der von Ihnen thematisierten Fragen mitwirken. Bedauerlich ist, dass Sie sich mit Ihrem Antrag nicht nur durch die versuchte Umgehung des Untersuchungsausschusses, sondern auch durch Missachtung des Justizausschusses über grundlegende parlamentarische Regeln und Gepflogenheiten hinwegsetzen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn der Justizausschuss ist das zuständige Gremium für die begehrten Berichterstattungen, Aufklärungen und damit einhergehenden Sachdiskussionen. Weshalb Sie keine Sondersitzung des Justizausschusses zur Klärung der im vorliegenden Antrag angesprochenen Fragen beantragt und keine Sachanträge, etwa zum Justizvollzug, gestellt haben, erschließt sich jedenfalls nicht.


(Beifall DIE LINKE)


Damit verdichtet sich allerdings der Eindruck, dass es Ihnen tatsächlich nicht um Sachaufklärung geht, sondern um eine gezielte Kampagne gegen die Person des Ministers Lauinger.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ganz großes Theater!)


Das empfinde ich als ungehörig und geschmacklos, und ich möchte an Sie appellieren, zur Sachlichkeit zurückzukehren.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum Schluss noch ein Satz zum Alternativantrag der AfD. Und ich sage wirklich nur einen

Satz: Dieser Antrag ist derart abwegig und unsubstanziiert, dass sich jegliche Kommentierung erübrigt. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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