Kindertagespflege in Thüringen stärken

Zum Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 6/228


Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, erst einmal freut es mich, festzustellen, dass wir heute hier einen gemeinsamen Änderungsantrag aller demokratischen Fraktionen nach intensiver Diskussion beraten und beschließen können.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da könnte noch „populistisch“ dabei sein!)


Das andere ist natürlich, auch wenn nur noch wenige Zuschauer auf der Tribüne sind, vielleicht ein paar mehr Zuschauer am Livestream,


(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Am demokratischen Livestream!)


freut es mich doch, dass das Hohe Haus noch so vollzählig vorhanden ist.


Die Kindertagespflege in Thüringen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, ist ein Thema, das uns im Bildungsbereich, aber auch im Jugend- und Sozialbereich wie zum Beispiel im Landesjugendhilfeausschuss schon eine ganze Weile beschäftigt. Kindertagespflege ist für uns als Linke eine Säule der Kinderbetreuung, die ihre Entsprechung in § 8 Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz hat und eine für die Wahlfreiheit der Eltern wichtige Aufgabe im Spektrum der frühkindlichen Bildung und Betreuung erfüllt. Die Klärung offener Fragen im Bereich der Kindertagespflege ist für uns deswegen eine wichtige Aufgabe der Landespolitik, der sich die rot-rot-grüne Koalition mit Engagement gestellt hat. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, ich zitiere: „Für uns gehört die Kindertagespflege (einschließlich der ergänzenden Tagespflege) zur Kinderbetreuung wie die Kindertagesstätte. Tagesmütter und -väter sind für uns gleichberechtigte Akteurinnen und Akteure in der frühkindlichen Betreuungs- und Bildungsarbeit. Auch hier muss eine gute Qualität der Arbeit möglich sein. Auch für Tagesmütter und Tagesväter muss gelten: Gute Ausbildung, Evaluierung und angemessene Bezahlung.“


Die Probleme im Bereich der Kindertagespflege sind nicht neu und wurden von der Vorgängerregierung eher stiefmütterlich behandelt. Dies wirft im Übrigen – Herr Kowalleck ist schon kurz darauf eingegangen – ein etwas ungutes Licht auf manche Kommunalpolitiker, gerade hier in Erfurt, die aus Unkenntnis der derzeitigen Verordnung auch Falschinformationen in die Welt gebracht haben. In meiner Heimatstadt Jena wird das ganz anders diskutiert. Über Informationen der Stadtverwaltung gibt es eine große Zufriedenheit der Tagesmütter und Tagesväter. Ich bin da auch im intensiven Kontakt und Gespräch mit den entsprechenden Akteurinnen. Ich kann nur sagen, dass die Klarheit über die Diskussion hier im Plenum auch noch mal dazu führen kann, dass mehr Ruhe und mehr Sachlichkeit Einzug hält. Da bin ich doch recht zuversichtlich, dass gerade der gemeinsame Antrag auch dazu beiträgt.


Die Kindertagespflegepersonen bedürfen einer stärkeren rechtlichen Regelung ihrer Tätigkeit in dem Sinne, dass Haftung, aber auch Entlohnung, Urlaub und Rentenleistungen und andere Fragen klar und besser und vor allem im Sinne der in der Kindertagespflege tätigen Menschen gelöst werden. Obwohl wir uns als Land Thüringen nicht allein in der Möglichkeit sehen, alle Fragen zu lösen – darauf ist eben schon eingegangen worden –, so wollen wir doch dort, wo wir handeln können, einen Beitrag leisten. Vor allem hat das Bildungsministerium nach Thüringer Rechtslage die laufende Geldleistungserstattung der Leistungen der Kindertagespflegepersonen durch Verwaltungsvorschrift festgelegt. An dieser Stelle, also die Entlohnung und die soziale Absicherung der Kindertagespflegepersonen betreffend, hat die Landesregierung bereits gehandelt. Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 wurden die laufenden Geldleistungen – da sind die Abgeltungen für Urlaubsfälle mit enthalten, Herr Kollege Kowalleck – erhöht, und zwar um 1,6 Millionen Euro auf einen doch recht stattlichen Betrag. Die Finanzierung ist an dem TVöD mit angemessener Entgeltgruppe angelehnt. Bei zusätzlicher Qualifikation und besonderen Leistungen können aber auch darüber liegende Beträge erreicht werden.


So wurde erreicht, dass in allen Kommunen und Gebietskörperschaften Thüringens – das ist auch ein Novum in Deutschland – einheitliche Aufwandsentschädigungen gezahlt werden können. Dies gibt den in der Kindertagespflege Tätigen nicht nur Planungssicherheit, sondern auch eine deutlich höhere Wertschätzung und die Möglichkeit der verbesserten individuellen Vorsorge. Denn, auch das muss gesagt werden, Tagesmütter und Tagesväter bieten ihre wertvolle Betreuungs- und Erziehungsarbeit.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Tagesväter!)


Ja, da werden Sie wieder lachen, willkommen in der Realität. Die Welt ist viel bunter und vielfältiger, als Sie das jemals begreifen werden.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nicht den rechten Arm heben!)


(Beifall DIE LINKE)


Denn auch das muss gesagt werden, die Tagesmütter und  väter bieten als Freischaffende eine wertvolle Betreuungs- und Erziehungsarbeit an. Wenn wir diese jetzt de facto tarifieren, leisten wir einen starken Beitrag für mehr Gerechtigkeit, sind aber in unseren Handlungsmöglichkeiten natürlich auch eingeschränkt. Die Folge dieser Verbesserung ist, dass die in Thüringen tätigen Kindertagespflegepersonen in diesem Jahr bereits – wie schon gesagt – 1,6 Millionen Euro mehr erhalten. Sie sehen also, die Landesregierung handelt.


Die im Alternativantrag in Punkt 1 benannte Forderung nach einer Förderung der Kindertagespflege als eine Säule der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist bereits erfüllt. Ich bin überzeugt davon, mit den durch die Landesregierung getroffenen Regelungen, ergänzt durch den von uns – CDU, Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – gemeinsam getragenen Alternativantrag wird Thüringen für alle anderen Bundesländer wieder eine Vorreiterrolle in der ergänzenden frühkindlichen Bildung und Betreuung einnehmen.


Dennoch: Eine ganze Reihe weiterer Aufgaben bedarf der weiteren Bearbeitung und Regelung, um die Kindertagespflegepersonen in ihrer Arbeit zu unterstützen und ihnen eine verbesserte Absicherung für ihre von vielen geschätzte Arbeit zu geben.


Hier sind wir jetzt bei dem Beschlusstext, der aus diesem Haus in Form einer gemeinsamen Beschlussempfehlung von den Koalitionsfraktionen und der CDU heute zur Thematik vorliegt. Was die Urlaubs- und Vertretungsmöglichkeiten und die Weiterbildung anbetrifft, so sind diese Fragen durch den jeweiligen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu regeln. Das gilt auch für die Fachberatung, die Kooperation zwischen der Kindertagespflegeperson, der Elternmitwirkung und andere Punkte. All das – das ist schon von Kollegin Pelke aufgeführt worden – sind wichtige Felder, die von uns auch noch weiter beobachtet und begleitet werden müssen.


Es ist aus unserer Sicht außerordentlich wichtig und sinnvoll, auch diese Fragen landesseitig konkreter zu regeln und zumindest Empfehlungen für diese Regelung zu unterbreiten. Hier treffen wir uns mit den Vorstellungen der CDU, die bereits vor einem Jahr einen Antrag zum Thema in den parlamentarischen Prozess eingebracht hat.


Der Antrag der Kollegen von der CDU hat uns im Ausschuss umfänglich beschäftigt. Er wurde – das ist von Kollegen Tischner schon ausgeführt worden – in zehn Beratungen aufgerufen und im Ergebnis dieser intensiven Arbeit präsentieren wir Ihnen nun diese gemeinsame Beschlussvorlage.


Ich möchte mich ausdrücklich für die konstruktive Diskussion der demokratischen Fraktion im Ausschuss bedanken, ebenso wie für die vielen Hinweise und Anregungen, die wir durch die Anhörung erhalten haben. Die AfD hingegen beteiligte sich eher desinteressiert und oberflächlich an der Ausschussarbeit. Die Abgeordnete Muhsal fehlte entweder ganz oder fiel durch Teilnahmslosigkeit auf. So wird das natürlich nichts mit der parlamentarischen Arbeit der AfD.


Aber wie wir bereits aus dem Diskussionspapier zum Grundsatzprogramm der AfD wissen, vertritt die AfD ein eher antiquiertes familien- und wirtschaftsfeindliches Weltbild. Darauf will ich jetzt noch mal kurz eingehen.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich denke, wir haben keins?)


Die AfD ist zum Beispiel der Meinung, dass – und jetzt zitiere ich mal: „Die Wirtschaft will Frauen als Arbeitskraft. Ein falsch verstandener Feminismus schätzt einseitig Frauen im Erwerbsleben.“ Ich kann es Ihnen auch gern noch mal vorlesen. Aber wie schon die Meldung zum 8. März – zum Internationalen Frauentag – seitens der Sozialministerin in Thüringen belegt hat, ist die Erwerbstätigenquote von Frauen und Männern in Thüringen nahezu identisch. Die AfD meint – wie heute aus der Presse zu entnehmen war –, soziale Gerechtigkeit vertreten zu wollen. Nun, die Thüringerinnen und Thüringer als Familien, aber vor allen Dingen natürlich auch als Bürger wissen sehr wohl, dass die freie Teilhabe am Erwerbsleben eine Errungenschaft des 21. Jahrhunderts ist.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was Sie hier zu bieten haben mit Ihren Ansätzen, das entstammt bestenfalls den 50er-Jahren und in dieser Zeit ist ja auch Ihre Fraktion hängen geblieben,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts der Altbundesrepublik.


(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber den Wählern gefällt es, das zählt!)


Und wenn es so ist, dass – wie die AfD dann eben meint – Frauen an den Herd und ins Haus gehören, dann frage ich mich natürlich allen Ernstes: Ja, Frau Muhsal, was machen Sie denn dann hier?


(Unruhe AfD)


(Beifall DIE LINKE)


Meine Damen und Herren, worum geht es uns in dem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen und der CDU? Wir wollen erreichen, die Situation der Kindertagespflege in Thüringen zu stabilisieren und zu verbessern. Dazu wünschen wir uns einen Prozess der fachlichen Debatte, an den sich politisches Handeln anschließen soll. Hier fordern wir die Landesregierung auf, in allem über einen über den Landesjugendhilfeausschuss als zuständiges Fachorgan initiierten Diskussionsprozess fachliche Empfehlungen für die Kindertagespflege in Thüringen zu erarbeiten. Von diesen Empfehlungen erhoffen wir uns Aussagen zur Weiterentwicklung der Thüringer Verordnung und hinsichtlich der von mir vorhin vorgestellten Punkte.


Zudem ist es uns ein Anliegen und darauf ist auch schon eingegangen worden, die krankenversicherungsrechtlichen Sonderregelungen für Kindertagespflegepersonen, die auch auf Initiative von Sozialministerin Heike Werner jetzt auf Bundesebene noch einmal verlängert worden sind, die aber 2018 tatsächlich auslaufen sollen, diese Sonderregelungen weiterzuführen. Denn das macht oftmals für die in der Kindertagespflege tätigen Personen, Tagesmütter und Tagesväter, einen großen Unterschied, ob sie am Monatsende 170 Euro mehr haben oder nicht. Hier müssen wir aber an den Bund herantreten und das ist unser gemeinsames Anliegen an die Landesregierung.


Meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist der Fraktion Die Linke bewusst, dass es sich bei der Kindertagespflege nicht um ein Angebot handelt, das für ganz Thüringen flächendeckend von Bedeutung ist. Vielmehr hat die Kindertagespflege ihren notwendigen Platz eher in den größeren Städten, wo sie als notwendige, aber zumindest auch willkommene und gewünschte Ergänzung von Eltern zu den Einrichtungen der Kindertagesstätten und der frühkindlichen Bildung und Betreuung in Anspruch genommen wird. Ich kann auch sagen, meine Kinder waren alle beide zwei Jahre bei einer Tagesmutter und das war ein sehr guter Prozess. Da gab es einen engen Austausch auch über die Entwicklung meiner Kinder und ich begrüße das auch persönlich sehr.


Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ungeachtet der gegenüber der institutionellen frühkindlichen Bildung qualitativ nachrangigen Rolle der Kindertagespflege ist uns das Wohlergehen der in der Kindertagespflege betreuten Kinder und sind uns die Arbeits- und Einkommensbedingungen der in der Kindertagespflege Tätigen genauso ein Herzensanliegen. Wir sind überzeugt, dass wir mit dem, was das Ministerium bereits an Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, und nicht zuletzt mit dem heute vorliegenden Antrag auf einem guten Weg sind, den wir gemeinsam mit dem Jugendhilfeausschuss und in der Kindertagespflege tätigen Personen sowie mit dem zuständigen Landtagsausschuss weiter beschreiten wollen, um den Koalitionsvertrag, den ich eingangs zitiert habe, auch zu erfüllen. Ich danke Ihnen für heute für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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