Kinder- und Jugendliche schützen – Cannabis-Legalisierung stoppen, Gesundheitsschutz stärken, Aufklärung und Prävention ausbauen

Kati Engel

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9606

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Menschen, die sich nicht zuordnen möchten! Liebe CDU, ich bin es leid. Ich bin es so leid, dass wir seit Jahren, ja – seit Jahrzehnten, über dieselbe Sache reden, ohne dass Sie den Anschein erwecken, irgendetwas von dem, was wir sagen, aufgenommen zu haben. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, und daher wiederhole ich

 

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Und die ganzen Interessenvertreter der Anhörung, denen haben wir auch nicht zugehört!)

 

für Sie die wichtigsten Fakten noch einmal. Und vielleicht ist es jetzt Ihre Gelegenheit, einfach mal einen Stift zu nehmen und mitzuschreiben, dann muss ich das das nächste Mal nicht wiederholen.

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Haben Sie bei mir mitgeschrieben, haben Sie mal zugehört?)

 

Ich habe Ihnen zugehört.

 

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Offensichtlich nicht!)

 

Also welche positiven Aspekte hat uns ein Cannabisverbot bisher gebracht? Das bisherige Ziel einer cannabisabstinenten Gesellschaft ist augenscheinlich nicht erreicht und ich denke, das können Sie alle so auch bestätigen. Weder konnte das Angebot durch das Verbot merklich eingeschränkt werden noch wurde die Nachfrage eingeschränkt und inzwischen ist bekannt, dass es für die Ablehnung von Drogen anderer Gründe als der Strafverfolgung bedarf. Es gibt keine belastbaren Untersuchungen, die belegen, dass Drogenverbote den Konsum einschränken oder eine Legalisierung den Drogenkonsum steigern würde.

 

So, und welche negativen Aspekte hat uns ein Cannabisverbot bisher gebracht? Konsumierende werden durch das Verbot stigmatisiert. Ansonsten unbescholtene Bürgerinnen werden kriminalisiert, was oftmals eine Zäsur im Lebenslauf und im beruflichen Werdegang nach sich zieht. Mit dem Verbot fördern wir illegale Strukturen sowie die sogenannte organisierte Kriminalität. Diese haben wiederum durch fehlende legale Konkurrenz das Monopol inne und können Preise hochtreiben. Künstlich hohe Preise wiederum führen zur Beschaffungskriminalität und belasten damit die Gesellschaft. Ebenso fördern hohe Preise in Verbindung mit kurzfristiger Angebotsverknappung einen gesundheitsschädlichen Mischkonsum mit anderen Substanzen, meist mit Tabak, Alkohol oder anderen Drogen. Hinzu kommt, dass durch fehlende staatliche Kontrollen die Qualität der Drogen starken Schwankungen unterliegt. Für die Konsumierenden ist es oftmals überhaupt nicht klar, wie hoch der Wirkstoffgehalt ist oder ob Streckstoffe in ihren Substanzen sind oder nicht, was wiederum zu gesundheitlichen Schäden führt. Außerdem ist es dem Dealer an der Ecke nicht nur egal, was er verkauft, sondern auch, an wen er es verkauft. Durch eine staatlich regulierte Abkehr wäre ein verlässlicher Verbraucher- und Jugendschutz überhaupt erst möglich.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ein Verbot geht auch immer mit einer Tabuisierung einher. Ein ehrlicher, offener Diskurs über den Konsum wird dadurch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Zum Beispiel können so Schülerinnen ihre Erfahrungen kaum mit Lehrkräften oder mit ihren Eltern thematisieren oder reflektieren. Das ist doch das, was eigentlich eine gelungene Präventionsarbeit, die auf Augenhöhe stattfindet, erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.

 

Vizepräsident Bergner:

 

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zippel?

 

Abgeordnete Engel, DIE LINKE:

 

Am Ende.

 

Vizepräsident Bergner:

 

Am Ende der Rede.

 

Abgeordnete Engel, DIE LINKE:

 

Nicht zuletzt belastet eine Kriminalisierung die Polizei und die Justiz. Es werden Kapazitäten gebunden, welcher es wiederum in anderen Bereichen bedarf. Außerdem entstehen auch hier wieder enorme Kosten für die Gesellschaft.

 

Das Cannabisverbot hat nicht nur sein eigentliches Ziel verfehlt, es hat erst eine Vielzahl neuer Problemlagen geschaffen. Bis hierher ist meine Rede einfach Copy-and-paste von 2018, weil wir das ganze Ding hier schon mehrmals diskutiert hatten. Es macht mich müde, dass Sie, liebe CDU-Fraktion, wieder einmal besseren Wissens Unwahrheiten und Verzerrungen verbreiten, nicht nur inhaltlich, sondern auch rein formell. Letzten Endes wissen Sie, dass das Cannabisgesetz nicht zustimmungsbedürftig im Bundesrat ist, sondern dass Sie maximal eine zeitliche Verzögerung bewirken können. Während wir hier weiter diskutieren und politische Spielchen dieses Verfahren blockieren, wird immer noch alle drei Minuten ein Strafverfahren gegen einen Cannabiskonsumenten oder eine Cannabiskonsumentin eröffnet. Dann kann man das mal hochrechnen. Eine Verschiebung des Inkrafttretens dieses Cannabisgesetzes um ein halbes Jahr würde also zu 90.000 weiteren Strafverfahren führen. Das bedeutet nicht nur zusätzliche Arbeit für die Justizbehörden, sondern es bedeutet auch eine sinnlose Verlängerung staatlicher Verfolgung ansonsten unbescholtener Bürgerinnen.

 

Nun zum Inhalt: Natürlich kann man das Cannabisgesetz kritisieren. Es ist nicht die vollmundige Koalitionsversprechung, die alle erwartet haben. Es gibt ein kompliziertes Abgabesystem und statt einer deutschlandweiten kontrollierten Abgabe gibt es nur regionale Modellprojekte. Das sind nicht die einzigen Punkte, die es zu diskutieren und zu verbessern gilt. Aber wenn ich mir in Ihrem Antrag Ihre Sorgen anschaue und näher betrachte, so passen diese eins zu eins zu einer ganz anderen Substanz, die wirklich eine problematische Substanz für unsere Gesellschaft ist. Das ist nämlich Alkohol.

Alkoholkonsum führt im Vergleich zu Cannabis deutlich häufiger zu aggressiven Straftaten. Fast jede dritte Gewalttat wird unter Alkoholeinfluss verübt. Außerdem beeinträchtigt Alkoholkonsum die körperliche und geistige Entwicklung Jugendlicher in der Pubertät. Psychische Erkrankungen könnten die Folge sein oder auch verstärkt werden. Ich möchte daran erinnern, dass Bier und Wein bereits ab 16 Jahren gekauft werden können und jeder dritte Jugendliche unter 25 Jahren in Deutschland das sogenannte Rauschtrinken betreibt. Laut der WHO geht jeder 20. Todesfall auf Alkohol zurück. Dadurch sterben jedes Jahr mehr Menschen als durch AIDS, Gewalt und Verkehrsunfällen zusammen. Nur so am Rande, der Vollständigkeit halber: Am 24. März 2020 hat das Bundesministerium für Gesundheit auf fragdenstaat.de mitgeteilt – ich zitiere –: „[...], dass uns keine Todesfälle aufgrund von Cannabiskonsum bekannt sind.“

 

Liebe CDU, Sie müssen endlich aufhören, sofort in Schnappatmung zu verfallen, sobald das Wort „Cannabis“ fällt, und Sie müssen ganz dringend aufhören, dieser Unterteilung von illegalen und legalen Drogen zu verfallen, denn diese Unterteilung sagt nichts, aber wirklich gar nichts über die Gefährlichkeit einer Substanz aus.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Kollektive Besäufnisse unter dem Deckmantel der Brauchtumspflege sind der beste Beweis, dass Alkoholmissbrauch kein Problem einer Randgruppe ist. Alkohol ist eben die Gesellschaftsdroge schlechthin. Raphael Gaßmann, der bis 2020 der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen war, beschreibt dies so – ich zitiere –: „In Deutschland haben wir ein Konsumverhalten, das völlig unvernünftig ist. Das kann eine Gesellschaft sich nur leisten, wenn sie das Problem herunterspielt. Als einzige von allen psychoaktiven Substanzen wird nur Alkohol nicht geahndet. Die deutsche Politik erlaubt, bewirbt und fördert ihn sogar.“ Und hier schließt sich wieder der Kreis. Denken Sie doch bitte das nächste Mal daran, liebe CDU, wenn Sie zum Beispiel am Tag des Bieres ein vollkommen unreflektiertes Sharepic posten und dort den Alkohol sogar noch als Kulturgut bezeichnen. Das ist nämlich die wahre Doppelmoral, und dafür sollten Sie sich schämen!

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Vizepräsident Bergner:

 

Halt, jetzt wäre noch die Zeit für die Zwischenfrage. Frau Abgeordnete Engel, Sie hatten eine Frage erlaubt.

 

(Zwischenruf Abg. Reinhardt, DIE LINKE: Sie hat nicht gesagt, ob sie die Frage beantwortet!)

 

Abgeordneter Zippel, CDU:

 

Vielen Dank, Frau Kollegin, für die Ausführungen. Ich hätte eine Nachfrage. Sie sprachen, wie wichtig Ihnen der Schutz von Jugendlichen sei. Mich würde interessieren, da es nachgewiesen ist aus Portugal und Colorado, wo es die Legalisierung gab, dass der Schwarzmarkt, wenn es legalisiert wurde, sich dann verstärkt auf die Minderjährigen konzentrierte und der Konsumdruck bei den Minderjährigen besonders hoch ist, wie sich das deckt mit Ihrem besonders hervorgehobenen Schutz von Jugendlichen, weil genau das eben nicht die Konsequenz aus der Legalisierung ist.

 

(Beifall CDU)

 

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Sie wollen doch gar keine Antwort!)

 

Abgeordnete Engel, DIE LINKE:

 

Ja, das war ein Statement, das war überhaupt keine Frage.

 

(Unruhe im Hause)

 

Indem man eine regulierte Abgabe erst ermöglicht, legt man den Schwarzmarkt trocken. So einfach ist das.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Unruhe im Hause

Dateien