Kein weiterer Ausbau der Windenergie zu Lasten der Menschen und der Umwelt – Thüringen braucht ein Moratorium für Windenergieanlagen 1/2

Daniel Reinhardt

Zum Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/49

 

„Die Landesregierung wird gebeten zu prüfen, ob in Zukunft ein Atomkraftwerk in Bornhagen und ein Kohlekraftwerk in Erfurt errichtet werden kann. Denn die Vision ist es, planbare, günstige und sichere Energie für Thüringen zu produzieren.“ So, Abgeordnete der AfD, müsste Ihr Antrag gegen Windkraft konsequent lauten.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aha!)

 

Werte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne, liebe Menschen, die sich offen kritisch gegenüber Windenergie hier in Thüringen in unserer Demokratie engagieren dürfen, weil sie aus ihrer Sicht gute Begründungen dafür haben.

Liebe Waldbesitzer, die heute wahrscheinlich einen Eingriff in ihr Eigentum erfahren werden. Liebe 80 Prozent derer, die still sind und schweigen, obwohl sie Windenergie gut finden, und denken, die anderen werden es schon richten.

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich muss gleich weinen!)

 

Herr Möller, geben Sie doch einfach ein öffentliches, ordentliches Interview bei ARD und ZDF, bevor Sie mich unterbrechen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wer im 21. Jahrhundert auf Windkraft als einen Baustein der Energiewende verzichten will, muss sich die Frage gefallen lassen: „Woher kommen sie denn dann, die erneuerbaren Energien?“ Und warum wollen wir denn in Thüringen nicht zukunftsfähige Technologie einsetzen?

Ich kann und ich will es auch gar nicht anders ausdrücken: Der vorliegende Antrag der AfD „Ein Moratorium gegen Windkraft“, was nichts anderes bedeutet, als Windkraftenergie aufzuschieben – ja –, zu stoppen, ist nichts anderes, als Verhinderungspolitik, es ist sogar rückwärtsgewandte Politik, verbunden mit einem vorweggenommenen Pessimismus. In Ihrem gestellten Antrag ist kein einziger konstruktiver Vorschlag zu finden.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Was aber Thüringen braucht, was unsere Bürgerinnen und Bürger verdient haben, ist, dass wir eine klare gesetzliche Vorgabe für unsere Behörden haben, wie wir rechtssicher und nachvollziehbar arbeiten können, sodass die Belange in der Regionalplanung in unseren Windvorranggebieten gegenüber dem § 35 im Baugesetzbuch klar umgesetzt werden können.

 

Mir war bis heute gar nicht bewusst, dass die Abgeordneten der AfD für den Vogelschutz eintreten.

 

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Schon immer, Herr Kollege!)

 

Dass Windkraft nicht das Allheilmittel ist, ist ja klar. Dass es auch Argumente gibt, die gegen Windkraft sprechen – selbstverständlich. Aber die Scheinheiligkeit in Ihrem Antrag, dass die AfD auf einmal für Vogelschutz wäre, das geht ganz einfach zu entlarven.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Ihre Scheinheiligkeit ist kaum zu überbieten!)

 

Wenn Sie sich tatsächlich für den Vogelschutz einsetzen wollen würden, würden Sie sich vielleicht mal um die Hauskatzenproblematik kümmern. Hier werden über 18 Millionen Vögel jährlich zum Opfer fallen.

 

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mörderische Biester!)

 

Ja, mörderische Biester! Ich als Mensch, der eine Katzenhaarallergie hat, bin sowieso gegen Katzen.

 

(Unruhe AfD)

 

Also, Herr Möller, ich bin tatsächlich verwundert. Sie hätte ich jetzt mal ein bisschen rechtschaffener eingeschätzt, dass Sie mich und meine Meinungsfreiheit, die ich hier äußern darf, nicht unterbrechen. Verstehe ich gar nicht, dass Sie sich hier diesen guten alten Werten, sich gegenseitig aussprechen zu lassen, gar nicht Folge leisten können. Aber scheinbar treffe ich ja bei Ihnen genau den Punkt.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wenn Sie sich tatsächlich für den Vogelschutz einsetzen wollen würden, würden Sie sich vielleicht mit der Gehölz- und Waldart auseinandersetzen. Die hat nämlich eine viel größere Auswirkung auf die Vogelpopulation als Windkraftwerke.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Oder wenn Sie sich für Fledermäuse und deren Schutz einsetzen würden, würden Sie vielleicht mal das Fledermaus-Monitoring lesen, in dem empfohlen wird, dass diese Windenergiekraftanlagen mit Fledermausabschaltalgorithmen ausgestattet werden könnten, und damit fliegen sie nicht mehr da rein. Oder Sie würden in Ihren Wahlkreisen bei denkmalgeschützten Häusern solche Brutkästen sponsern, die sind nämlich schweineteuer, wo Fledermäuse drin nisten können.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die Thematik der Speichermöglichkeiten führen Sie auf, aber Sie bringen natürlich wie so oft keine einzige Lösung. Klar ist es richtig, dass wir Probleme haben und dass die Speicher nicht ausreichen, um unsere produzierte Energie zu sichern und sie dann zu verbrauchen, wenn sie benötigt wird. Wer aber schlussfolgert, dass wir dadurch im 21. Jahrhundert auf regenerative Energie verzichten können, der hat das 21. Jahrhundert verschlafen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Konstruktiv wäre es, wenn Sie beispielsweise die Landesregierung auffordern würden, Vattenfall die Hohenwarte-Talsperre oder die Bleilochtalsperre abzukaufen, um diese für die Speicherung der überschüssigen Energie zu nutzen. Das wäre die Vision für ein energieautarkes Thüringen. Wer dem Moratorium gegen die Windkraft heute zustimmt, sollte sich zuvor fragen, wie wir die Klimaziele denn dann erreichen wollen. Auch, wenn man so wie die AfD nicht an den menschengemachten Klimawandel glaubt, ist es doch sachlich nachvollziehbar, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind. Lassen Sie uns doch in Zukunft auf die fossilen Brennstoffe verzichten! Und ja, das geht eben auch mit Windenergie. Wer Arbeitsplätze schützen möchte, sollte tatsächlich den Ausbau der Windenergie weiter vorantreiben. Zurzeit werden in Deutschland über 325 Windenergieanlagen beklagt. Die Windenergiewirtschaft bricht ein und so werden über 25.000 Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet. Mit diesem Moratorium werden noch mehr Arbeitsplätze vernichtet. Nebenbei sei gesagt, dass Ihr Antrag einfach gesetzeswidrig ist und dem Bundesrecht nicht entspricht. Im Übrigen müsste die Bundesrepublik Deutschland über 60 Milliarden Euro Strafen zahlen, wenn wir unsere Ziele in der Klimapolitik nicht erreichen. Wollen Sie das?

 

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Na klar!)

 

Thema „Wald“: Eingangs möchte ich gern erwähnen, dass in Deutschland 14,5 Prozent überhaupt den Namen „Wald“ verdienen,

 

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hätte ich auch eine Lösung!)

 

alle anderen Flächen sind Wirtschaftswälder. Ja, es sind Wirtschaftswälder. Aber sei es drum. Im Kriterienkatalog des Regionalplans Ostthüringen für Vorranggebiete Windenergie stehen zwei Seiten von Kriterien, wo gebaut werden darf oder wo eben nicht gebaut werden darf in einem Wirtschaftswald. Beispielsweise in Landschaftsschutzgebieten darf nicht gebaut werden, da wo Biotope sind, darf nicht gebaut werden, in Wäldern mit Klimaschutz darf nicht gebaut werden, in Wäldern, wo der Emissionsschutz da ist, darf nicht gebaut werden, in Wälder mit Erholungsschutz darf auch nicht gebaut werden, in waldarmen Gebieten darf auch nicht gebaut werden, da wo seltene Böden sind oder Nassstandorte, überall dort darf nicht gebaut werden. Ich persönlich finde es gut, wenn Ersatzforstungen und Aufforstungen in unseren Wäldern, auch wenn es Wirtschaftswälder sind, stattfinden.

 

Weil wir es eben gerade mit der Wirtschaft hatten. Den Kapitalismus und die Strompreise führen Sie ja an, Sie wollen ja so eine Art Kapitalismuskritik vornehmen. Die Universität Erlangen-Nürnberg hat in einer Studie herausgefunden, dass Stromverbraucher/-innen in den letzten vier Jahren durch die regenerative Energie, also auch durch die Windkraft, 40 Milliarden Euro gespart haben.

 

(Zwischenruf Abg. Czuppon, AfD: Das ist geil!)

 

Wenn wir in die Zukunft, in die Jahre 2022 bis 2023 schauen, ist mit Versorgungsengpässen zu rechnen. Wie wollen wir denen denn begegnen, wenn wir nicht auch Windkraft ausbauen? Dass die Strompreise so hoch sind, ist von Ihnen natürlich nur ein halbherziger Versuch, für den kleinen Bürger und Oma Renate Symbolpolitik zu betreiben. Die Kritik muss viel schärfer sein und zwar muss es eine klassische Kapitalismuskritik sein. Die aktuelle Energie- und Wirtschaftspolitik ist die Ursache für zu hohe Strompreise, weil die großen Energiekonzerne Milliardengewinne machen, vom Staat subventioniert sind und weil eben die Schwerindustrie zum Beispiel keine Ökosteuer zahlen muss und die Bürgerinnen und Bürger Strompauschalen zahlen müssen. Aber auch hier, denke ich, gibt es Lösungen und Hoffnungen. Das EEG-Gesetz beispielsweise, das Kommunen energieautark machen möchte, oder beispielsweise die schon vorzufindenden Bürgerenergiegenossenschaften hier in Thüringen, die gegründet sind, um dezentral regenerativ Strom zu produzieren, um den Menschen vor Ort günstigeren Strom zu geben, damit sie am Ende weniger zahlen. Man könnte so im Übrigen auch auf diese unsäglichen Stromtrassen von Nord nach Süd verzichten. Oder Vorschlag: Lassen Sie uns doch ein Gesetz einbringen, mit dem Kommunen, die sagen, wir wollen eine Windenergiekraftanlage bei uns hier in der Kommune bauen, quasi den Ertrag von 10.000 oder 20.000 Euro im Jahr erhalten und diesen zweckgebunden einsetzen dürfen. Das wäre doch mal fortschrittlich. Letztendlich

 

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Es kann doch gespeichert werden, Herr Kollege!)

 

benötigt man eine Veränderung – Herr Höcke, auch für Sie noch mal: Geben Sie doch ein öffentliches Interview bei ARD und ZDF, da lässt man Sie aussprechen. Aber unterbrechen Sie mich nicht!

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Letztendlich benötigt man, wenn man die Kapitalismuskritik ernst nehmen möchte, auch eine Änderung der Moral und da schließe ich mich selber mit ein. Nur so kann tatsächlich langfristig eine Änderung stattfinden.

Natürlich wird auch immer das Thema „Sicherheit“ mit aufgezogen, um so mit den Ängsten der Menschen zu spielen. TÜV und Sicherheit führen Sie auch auf in Ihrem Moratorium.

Die Windenergieanlagen sind so wie jedes andere technische Bauwerk zu bewerten und so werden natürlich auch Windenergiekraftanlagen unter Beachtung von DIN Vorschriften und Sicherheiten erbaut und betrieben. Der TÜV Nord hat herausgefunden, dass eine Windenergieanlage nach 10.000 bzw. 100.000 Betriebsjahren den ersten Schaden erleiden kann. Wer also hier schon wieder mit Ängsten spricht, dass hier irgendwelche Sicherheitsprobleme stattfinden, spielt mit den Emotionen der Menschen.

Und ja, auch die Möglichkeit eines Brandes kann mal stattfinden. Aber auch hier gibt es klare Vorschriften, wie die Feuerwehr vorzugehen hat. Und wer mit den Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr vor Ort spricht, weiß, dass sie sagen: Mach dir mal keine Sorgen, das Ding lassen wir großflächig abbrennen und sperren ab.

 

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Einschließlich Wald!)

 

Natürlich wäre das nicht schön. – Wir reden ja nicht nur vom Wald, wir reden ja von Ihrem sogenannten Moratorium gegen Windkraft.

Also, werte Abgeordnete der AfD, wenn Sie sich tatsächlich eingehend mit der Thematik „Windenergie“ beschäftigen, dann müssten Sie eigentlich Ihren eigenen Antrag ablehnen.

Werte Abgeordnete, Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft das hehre Ziel, die Vision haben werden, dass wir ein Thüringen haben wollen, was energieautark und zukunftsfähig sein wird.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Auf den Änderungsantrag zum Waldgesetz der CDU möchte ich nur stichpunktartig eingehen, ich hoffe dann auf eine tatsächlich sachliche Debatte mit Ihnen im Ausschuss.

Sie sagen, dass sich eine Windkraftenergieanlage auswirkt auf den Wald beispielsweise. Ja, selbstverständlich, jedes Bauwerk wirkt sich aus, egal wo es steht, und das weiß auch jeder. Das ist ein vorgeschobenes Argument. Sie sprechen von sogenannten Konfliktbereichen, dabei benennen Sie die Konfliktbereiche aber gar nicht. Und es gibt jetzt schon für jeden sogenannten Konfliktbereich unzählige Gutachten, die vorher erstellt werden. Hier also von Konfliktbereichen zu sprechen, ohne zu sagen, dass sowieso schon große Gutachten gemacht werden, halte ich für nicht zielführend.

 

Sie sprechen von Repowering dieser Windenergieanlagen. Ja, Repowering klingt erst mal gut, das wollen wir grundsätzlich auch. Lassen Sie uns aber darüber sprechen, was es bedeutet, wenn die Rotorblätter größer werden, wir aber nicht mehr Platz für diese größeren Rotorblätter haben. Dann würde sozusagen Repowering dazu führen, dass wir noch weniger Energie durch unsere Windenergieanlagen bekommen.

Sie von der CDU wollen eine neue Abstandsmessung – 1.250 Meter. Aktuell haben wir in Thüringen 1.000 Meter. Vielleicht können wir im Ausschuss debattieren, woher die neuen 250 Meter kommen.

 

(Zwischenruf Abg. Montag, FDP: Mathematik!)

 

Die Nachtkennzeichnung wollen Sie auch, das wollen wir auch. Wichtig wäre hier, dass man keinen Wettbewerbsnachteil für die Energieanlagen, die jetzt schon da sind, vorbringt. Das heißt, das sollte man gleichzeitig überall in Deutschland machen.

Ich bitte Sie darum, dass wir an dem Ziel, der Vision „Thüringen energieautark“ weiterhin arbeiten und dass wir auch weiterhin Windenergieanlagen in Thüringen betreiben und bauen können. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dateien