Immer mehr Einsprüche gegen Grundsteuerwertbescheide – Welche Konsequenzen muss der Freistaat ziehen?

Ronald Hande

Aktuelle Stunde auf Antrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP

 

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Aktuellen Stunde der FDP ist in Bezug auf 50.000 Einsprüche Folgendes zu lesen – Zitat: „Das ist ein Tsunami, der sich Tag um Tag höher auftürmt.“ Sie reden von einem Tsunami. Ein Tsunami ist eine Naturkatastrophe, wie Sie wissen. Trifft eine solche – auch Erdbebenwoge genannte – Wassermasse auf Land, türmt sie sich zu einer hohen Flutwelle auf, deren Kraft zerstörerisch ist und unendliches menschliches Leid verursacht. Das kennen Sie alle, das brauche ich nicht weiter auszuführen. Die Einsprüche bei der Erhebung der Grundsteuer mit einem Tsunami zu vergleichen, ist meiner Meinung nach schon etwas pietätlos, und da ist es auch vollkommen egal, ob Sie den Vergleich bei der Steuergewerkschaft abgeschrieben haben, so was macht man einfach nicht.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Überschrift fragt die Gruppe der FDP, welche Konsequenzen wir ziehen müssen, weil es eben so viele Einsprüche gibt. Dazu würde ich dann noch weiter ausführen. Wie Ihrer Begründung und auch der Presse zu entnehmen ist, gibt es in Thüringen bereits rund 50.000 Widersprüche, meist mit der Begründung verfassungsrechtlicher Zweifel an der gesetzlichen Grundlage, also einem Bundesgesetz. Diese Zweifel werden genährt durch den Aufruf des Steuerzahlerbundes, Haus & Grund, einer Reihe von Steuerberatern und nicht zuletzt dieser Aktuellen Stunde der FDP, den Bescheiden eben zu widersprechen. Das kostet nichts, das kann also auch nichts schaden, also kann man das auch machen – so denken sicherlich viele Menschen, und sie werden ja unweigerlich dazu aufgerufen.

 

Die Einwände der genannten Lobbyverbände fußen auf gutachterlichen Bedenken vom genannten Prof. Gregor Kirchhoff. Diese bemängeln einige Punkte, die ja schon teilweise benannt wurden, im sogenannten Bundesmodell, also der Berechnungsgrundlage des Bundes, die elf Bundesländer, unter anderem eben auch Thüringen, anwenden. Dem entgegen sieht der Gutachter beim Flächenmodell, welches Bayern, Hessen, Niedersachsen und Hamburg anwenden, keine Probleme und empfiehlt den elf Ländern, die auf das Bundesmodell setzen, ein entsprechendes Umsteuern.

 

Baden-Württemberg zum Beispiel geht noch mal einen ganz anderen Weg, wonach dort einzig die Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Hierzu führt Prof. Kirchhoff aus – ich zitiere –: „Eine Grundsteuer zu erheben, die auf Bodenrichtwerte und Grundstücksgröße abzielt, nicht aber auf die Gebäude, die darauf stehen, ist ersichtlich gleichheitswidrig.“ Dem stimme ich so zu, hinterfrage aber, ob nicht noch mehr Faktoren den Grundstückswert ausmachen. Ein – wie vorgeschlagen – Umsteuern auf das Flächenmodell wie in Bayern ist aber eben keinesfalls ohne Bedenken zu vollziehen, auch verfassungsrechtlich nicht. Unabhängig von Bundesland und Berechnungsmodell betrachten zahlreiche Fachleute, über den zitierten Prof. Kirchhoff hinaus, die mangelnde Bestimmtheit als verfassungswidrig, also den Umstand, dass die reale Steuerlast noch gar nicht feststeht, da die Kommunen dies über ihre Hebesätze eben festlegen. Und eben die Kommunen spielen auch eine – wie gesagt – nicht unerhebliche Rolle, denn immerhin bestimmen sie den letztendlich zu zahlenden Steuerbetrag über ihre Hebesätze und bestimmen damit maßgeblich, ob diese Steuer auch tatsächlich aufkommensneutral sein wird, wie gesagt wurde, oder eben nicht.

 

Ein weiterer Punkt bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit beim Flächenmodell ist außerdem, wie zum Beispiel in Bayern, eine fehlende Lagedifferenzierung. Es geht demnach nur um die Fläche, nicht wo sich die Fläche befindet oder welche Rahmenbedingungen es gibt, ähnlich wie der geschilderte Fall in Baden-Württemberg, nur eben auch zuzüglich der Gebäudefläche.

 

Auch deshalb wird von den eingangs genannten Akteuren auch in den Ländern, die das Flächenmodell nutzen, zum Einspruch gegen die dortigen Bescheide aufgerufen. Es ist demnach vollkommen egal, wer und wo von der neuen Grundsteuer betroffen ist, es soll erst mal pauschal widersprochen werden. Falls das Bundesverfassungsgericht irgendwann tatsächlich die Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung zur Grundsteuer feststellen sollte, dann werden eben Bund und Länder entsprechend die Regeln anpassen müssen, was, wie gesagt – Kollege Müller hat das ausgeführt – dann jedoch in die Zukunft gerichtet sein würde und eben nicht die bisherigen Bescheide betreffen könnte oder würde. Von daher halte ich diese Aktuelle Stunde der FDP für reine Panikmache. Auf jeden Fall erreichen Sie damit keinen, wie Sie es hier gesagt haben, Rechtsfrieden, Herr Kemmerich.

 

Was will die FDP also dann? Wollen Sie vielleicht eine realistische Bewertung von Grundeigentum oder die Abschaffung der Festlegung oder die Überwindung der Festlegung der Reichsfinanzdirektion aus dem Jahr 1935 oder wollen Sie vielleicht eine hundertprozentige Gerechtigkeit? Ich mutmaße mal, die FDP möchte keine Steuergerechtigkeit, sondern vielmehr die Abschaffung der Grundsteuer an sich. Das Schicksal der Vermögensteuer soll offenbar auch die Grundsteuer ereilen, das heißt erst Verfassungszweifel, dann keine Einigung im Bundestag, dann Fristablauf und dann die Aussetzung des Vollzugs und am Ende ist die Grundsteuer weg. So gehen der öffentlichen Hand jedes Jahr 15 Milliarden verloren; für die Thüringer Kommunen sind das minus 250 Millionen.

 

Zusammenfassend, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf die Frage, welche Konsequenzen muss der Freistaat ziehen, antworte ich: vorerst keine. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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