Heimat für Fachkräfte – Maßnahmen gegen Fachkräftemangel ergreifen, Thüringens Zukunft sichern 1/2

Lena Saniye Güngör

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6825

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauer hier im Raum und am Livestream! Ich freue mich sehr, dass wir endlich in diesem Plenum zum Antrag „Heimat für Fachkräfte [...]“ kommen, und ich freue mich auch, weil diese Woche Montag der 62. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei begangen wurde, ein Jahrestag, der für viele nicht nur die eigene Familiengeschichte prägt, sondern der auch darauf verweist, wie langjährig die Erfahrungen in Deutschland in Ost und West mit dem Thema „Migration“ und dem deutschen Arbeitsmarkt sind. Deswegen stelle ich voran, ich bin es wirklich leid, dass wir die gleichen unwürdigen Debatten führen müssen wie unsere Eltern- und unsere Großelterngeneration.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wir müssen endlich über gute Arbeit für alle reden, statt immer wieder über eine rassifizierte Unterwanderung des deutschen Arbeitsmarkts.

Lassen Sie mich zunächst noch auf die Prognosen der Fachkräftestudie 2035 der Thüringer Landesregierung eingehen. Die Bevölkerung wird bis 2035 von gegenwärtig 2,5 auf 1,9 Millionen absinken und gleichzeitig sinkt der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung. Vielen Arbeitsangeboten stehen also in den nächsten Jahren immer weniger Arbeits- und Fachkräfte gegenüber. Das ist nicht neu, aber es immer noch aktuell und es ist auch jetzt schon handlungsleitend für unsere Thüringer Landesregierung.

Dabei ist es einerseits erfreulich, dass in Thüringen bereits jetzt eine sehr hohe Erwerbsbeteiligung von 77,9 Prozent vorherrscht und dass der Anteil von erwerbstätigen Frauen mit 65,5 Prozent ebenfalls auf einem hohen Niveau und auf einem Spitzenplatz bundesweit liegt. Andererseits steht Thüringen eben auch vor der Aufgabe, den immer weiter steigenden Arbeits- und Fachkräftebedarf zu decken und dabei nicht allein auf inländische Potenziale zurückzugreifen. Mit unserem Alternativantrag der rot-rot-grünen Koalition, der Arbeits- und Fachkräfteentwicklung im Freistaat Thüringen durch Schaffung guter Arbeit für alle gezielt zu begegnen, werden wir Maßnahmen vornehmen, die zu einer menschenfreundlichen und zu einer zukunftsfähigen Arbeitskultur beitragen. Gute Arbeit wird hierbei die Richtschnur sein, an der sich die einzelnen Maßnahmen ausrichten. Denn für eine nachhaltige Arbeit zur Fachkräftegewinnung muss allen Menschen in Thüringen ein gleichwertiger Zugang zu guter Arbeit, nicht nur zu irgendeiner Arbeit, ermöglicht werden.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dieser Antrag betont also das Recht nicht nur auf Arbeit, sondern auf gute Arbeit, denn nur dadurch wird die Attraktivität des Standorts Thüringen gestärkt und nur dadurch werden Arbeitnehmerinnen langfristig an den Freistaat Thüringen gebunden. Hier geht es nicht nur um die Schaffung guter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, es geht auch um die Erhöhung der Tarifbindung und die Verbesserung der Begleitstrukturen zur Aus- und Weiterbildung innerhalb der Betriebe. Und es geht darum, die durch die Fachkräftestrategie 2021 bis 2025 der Thüringer Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung etablierten Maßnahmen konsequent umzusetzen und alle zuständigen Stellen des Landes einzubeziehen und – das sage ich natürlich vor der Haushaltsdebatte, die wir aktuell für 2024 führen – auch dafür zu sorgen, dass die erfolgreichen Landesarbeitsmarktprogramme weitergeführt werden.

Ein gezielter und praxis- und arbeitsplatzbezogener Unterricht in den Schulen kann ebenfalls dazu beitragen, die Attraktivität von Ausbildungsberufen zu steigern und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Außerdem wollen wir das Vorhaben „Faire Mobilität“ sowie „Faire Integration“ strukturell erhalten.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Die Aktivierung bereits vorhandener Potenziale, wie der Verbesserung der Arbeitsmarktintegration auch von Studienabbrecherinnen, der Förderung von Langzeitarbeitslosen sowie die Verbesserung der Nachqualifizierung von Personen, die bereits arbeiten, aber ohne Abschluss sind, wird durch eine Förderung von Zuwanderung und deren Unterstützung bei allen im Zusammenhang stehenden Belangen ergänzt. Ich verweise hier wie so häufig auf die Handlungsempfehlung aus dem Maßnahmenkatalog der Enquetekommission aus der letzten Legislatur.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Über die Bundesebene wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Visa-Verfahren schneller durchgeführt und vor allem die Visa-Gebühren für Bürgerinnen von Drittstaaten reduziert werden. Das alles nur als Darstellung von verschiedenen Maßnahmen, denn der Freistaat Thüringen kann bei der Fach- und Arbeitskräftegewinnung und -bindung nur langfristig dann erfolgreich sein, wenn er gute Arbeit für alle ermöglicht und dazu eine sozial nachhaltige Strategie verfolgt, die Menschen nicht aus-, sondern einschließt. Über den dafür nötigen Struktur- und vor allem Spurwechsel haben wir bereits mehrfach ausgeführt und ich freue mich auf die Debatte. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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