Heimat für Fachkräfte – Maßnahmen gegen Fachkräftemangel ergreifen, Thüringens Zukunft sichern 2/2

Lena Saniye Güngör

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/6825

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Einbringung bin ich schon auf mehrere Einzelmaßnahmen unseres Alternativantrags eingegangen. Deswegen würde ich jetzt noch mal zwei grundlegende blinde Flecken betonen wollen, die wir beim Antrag der CDU-Fraktion sehen. Der erste ist ganz offensichtlich, weil wir aktuell in Thüringen und auch in Gesamtdeutschland ein grundlegendes Problem hinsichtlich des Umgangs mit Migrantinnen und geflüchteten Menschen haben.

 

Herr Bühl, Sie hatten das, glaube ich, als Missverständnis formuliert. Ich würde es wirklich eher als eine Frage der Haltung formulieren, denn einerseits zu sagen, wir brauchen Fachkräfte, wir wollen eine gezielte Anwerbung, und andererseits zu verkennen, dass diejenigen, die aus einem Asylanspruch nach Deutschland gekommen sind, auch Arbeits- und Fachkräfte sind und darstellen können, zeigt schon, dass es eine Gegenüberstellung ist, bei der mal wieder rechte Narrative insofern bedient werden, als wir eine Zweiklassenkategorisierung machen in diejenigen, die wegen Asyl hierherkommen, und diejenigen, die wir aktiv wegen unseres Arbeitsmarktes und seiner Bedarfe angeworfen. Das ist Punkt 1, der problematisch daran ist.

 

Und Punkt 2, der problematisch daran ist: Es wird irgendwie immer ganz gern mal vergessen, das ist weiterhin auch eine simple Nutzen-Argumentation von Menschen. Also wir wollen nur diejenigen, die uns auf irgendeine Art und Weise nützen. So eine Art des Nutzen-Alltagsrassismus wird vor allem dazu führen, dass sich viele Menschen hier in Thüringen eben kein Leben vorstellen können und sich hier kein Leben mit ihren Familien aufbauen werden. Deswegen glaube ich, dass unser Alternativantrag hier sehr deutlich jeden einzelnen Menschen mit seinen oder ihren Potenzialen in den Mittelpunkt stellt.

Der zweite blinde Fleck Ihres Antrags – Forderung der CDU-Fraktion nach einer pauschalen Absage der Landesregierung, eine 4-Tage-Woche oder Vorschläge für eine steuerfreie Anerkennung von Mehrarbeit: Das sind alles antiquierte Ideen, die die Ursachen des Arbeits- und Fachkräftebedarfs verkennen. In die Richtung war jetzt auch, ich sage mal, üblicherweise Herr Kemmerich unterwegs, der über die Erhöhung des Renteneintrittsalters philosophiert hat. Ich fand es schön, Sie haben gesagt – ich habe es mir mitgeschrieben –, wir müssen mehr arbeiten. Vielleicht nehmen Sie das doch mal für Ihre eigene Parlamentarische Gruppe ganz ernst, was Sie da gesagt haben, statt immer nur veraltete Forderungen zu wiederholen, die keine Lösung darstellen. Denn, wenn wir uns angucken, worin das Problem begründet liegt: Es sind schlechte Arbeitsbedingungen, es ist eine Mehrarbeit, es sind prekäre Arbeitsbedingungen statt guter Arbeit. Beschäftigte gehen eben dann aus Ihren Jobs raus, wenn die Arbeitsüberlastung zu hoch ist, wenn die Personalschlüssel unzureichend sind, wenn immer alles auf Kante genäht ist und man sich fragen muss, Mist, jetzt geht es in den Herbst und Winter, wenn die Kollegin/der Kollege ausfällt, wie viel anstrengender wird dann heute mein Arbeitstag. Das sind alles Probleme, mit denen man seinem Job im Fall der Fälle den Rücken kehrt und eben auch Thüringen den Rücken kehrt. Deswegen wollen wir genau hier ansetzen, dass Menschen gut und gern hier arbeiten und hier leben und hier leben bleiben wollen. Und gute Arbeit wird dabei der Goldstandard sein, an dem sich die zukünftige Bewältigung des Arbeits- und Fachkräftemangels bemisst. Denn gute Arbeit bedeutet eben, gern zu meiner Arbeitsstelle zu gehen, nicht nur als Humankapital angesehen zu werden oder als Verschiebemasse benutzt zu werden, sondern als konkretes Individuum mit vielfältigen Biografien und Talenten. Und gute Arbeit bedeutet eben auch, dass ich durch meine Arbeit gut leben kann, also, dass wir unsere Tarifbindung erhöhen müssen, dass ich einen gerechten Lohn für meine Arbeit erhalte, anstatt einen immer noch größeren Niedriglohnsektor, den wir in Thüringen leider historisch bedingt haben, weiter auszubauen.

 

In dem Sinne freue ich mich auf die Debatte in den Ausschüssen. Ich glaube, es ist noch gar keine Ausschussüberweisung beantragt worden bisher, deswegen würde ich das doch zumindest für die Anträge von CDU, von Rot-Rot-Grün und von FDP an den zuständigen Arbeitsausschuss vornehmen wollen. Den Antrag der AfD, der vor diversen Rassismen nur so strotzt, werden wir natürlich ablehnen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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