Haltung der Landesregierung zu aktuellen Forderungen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen

Aktuelle Stunde - Drucksache 5/1419 -


Frau Präsidentin, Herr Innenminister, Ihnen fehlt immer noch der Mut, sich einer offenen Diskussion zu stellen. Sonst hätten Sie erst gesprochen und dann dem Parlament die Möglichkeit gegeben, zu reagieren. Das wäre schon gut gewesen.

Ich will nur ein paar wenige Anmerkungen machen. Herr Fiedler, zu dem Gutachten: Sie kennen doch die Problematik, wenn man über Strukturveränderungen in Wahlkampfzeiten diskutiert, dann ist das immer schwierig. Wir haben jetzt eine relative Ferne zu den Kommunalwahlen, die sind im Jahr 2014. Wenn Sie jetzt das Gutachten machen - wir haben Erfahrungen mit Gutachten dahin gehend, dass es zwei Jahre dauert, bis eine Bewertung vorliegt -, dann sind wir schon wieder sehr nah an dem Termin 2014 dran. Da befürchten wir einfach, dass dann aufgrund der anstehenden Wahlkämpfe eine sachliche Diskussion nicht mehr möglich ist. Deshalb also wirklich die Bitte, noch einmal zu überlegen, ob wir wirklich ein Gutachten brauchen. Wir sagen nein. Eigentlich sind alle Fakten auf dem Tisch. Jetzt müssen nur mit den Partnern, mit den Betroffenen die unterschiedlichen Konzepte diskutiert werden. Da haben wir ein Diskussionsangebot unterbreitet und wir haben immer gesagt, das ist ein Diskussionsangebot, wir sind keine Dogmatiker. Wir sagen nicht, das ist der einzige Weg. Aber wir können natürlich gerade von der Landesregierung erwarten, dass sie konkret wird. Das, was bisher konkret auf dem Tisch liegt, ist nicht einmal ansatzweise als Reform zu bezeichnen.

Herr Fiedler, ich bitte Sie auch zu differenzieren, ob die Finanzsituation in Suhl und Eisenach tatsächlich den kommunalen Akteuren vor Ort anzulasten ist. Ich sage nein; es ist ein strukturelles Problem und damit sind wir natürlich als Land gefordert.


(Beifall DIE LINKE)


Es ist nicht möglich, dass Eisenach ein gegenwärtiges Defizit von 10 Mio. € aus eigenen Kräften ausgleicht, sondern wir haben die Ursachen gesetzt - also nicht wir, sondern eine Mehrheit hier im Landtag -, indem man eben Eisenach vor etwas mehr als 10, 12 Jahren aus dem Wartburgkreis herausgenommen hat. Wenn man das als Fehler jetzt erkennt, kann man nun nicht sagen, der Innenminister soll jetzt mit irgendwelchen Sanktionen gegen die kommunalen Akteure vor Ort vorgehen, sondern der Landtag muss seine damaligen Fehlentscheidungen korrigieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch mal auf das Problem, was der Vertreter der FDP angesprochen hat, Bürgernähe und Größe der Verwaltung eingehen: Ich bin davon überzeugt, Bürgernähe ist kein Problem der Entfernung in Kilometer. Der Bürger kann neben dem Rathaus wohnen und trotzdem die Verwaltung als ganz weit entfernt wahrnehmen.

Bürgernähe hat etwas mit Strukturen zu tun, wie ich die Bürger einbeziehe. Ich habe einfach die Befürchtung, dass Verwaltung mit zehn bis zwölf Mitarbeitern, die ja typisch in Thüringen sind bei einer Einheitsgemeinde mit 3.000 Einwohnern oder Verwaltungsgemeinschaft mit 5.000 Einwohnern, überhaupt nicht in der Lage sind, diese Bürgernähe zu praktizieren, weil Bürgernähe personeller Ressourcen in der Verwaltung bedarf. Die Verwaltung muss ja Partner sein für die Bürger, wenn ich Bürgernähe realisieren will.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Projekt Bürgerhaushalt auf den Weg bringen. Frau Enders hat da Erfahrung, wie viel Ressourcen das kostet. Das kann ich natürlich nicht mit Kleinstverwaltungen machen, die sind überhaupt nicht spezialisiert. Von daher ist eine leistungsfähige Gemeindeverwaltung Voraussetzung für Bürgernähe. Wenn ich das nicht habe, dann funktioniert es nicht.

Wir haben ja in Thüringen bereits - um einmal auf Größe einzugehen - eine starke Differenzierung, was Mandatsdichte betrifft. Nehmen Sie die Stadt Erfurt, da kommen auf einen Stadtrat 4.000 Einwohner. Wir haben die Gemeinde Gerstengrund im Wartburgkreis in der Rhön, da kommen auf einen Gemeinderat sechs Einwohner. Da wollen Sie sagen, dass jetzt in Gerstengrund das demokratische Paradies, während in Erfurt eine Diktatur besteht? Ich sage, man muss überlegen, also in Gerstungen wählen sie fast zu 100 Prozent die CDU. Ich habe da Probleme, ob das auch der Weg ist.


(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Gerstengrund.)


Von daher hat Größe, Mandatsdichte alles aus unserer Sicht nichts mit Bürgernähe zu tun, sondern mit den entsprechenden Strukturen.

Noch zum Problem kommunale Gemeinschaftsarbeit: Uns haben Sie da auf der Seite, aber bitte nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, die aus dem Jahr 1935 resultiert. Die kommunale Gemeinschaftsarbeit war damals der Versuch, kommunale Selbstverwaltung ins Leere laufen zu lassen. Wenn wir uns heute die Strukturfehler in der kommunalen Gemeinschaftsarbeit ansehen, die starke Dominanz des Bürgermeisters als Verbandsrat, dass es keine Wechselbeziehungen zwischen Mitgliedsgemeinden und den Zweckverband gibt, dass der Bürger nicht mitreden, dann kann die kommunale Gemeinschaftsarbeit nicht der Weg sein, außer wir demokratisieren auch diesen Bereich. Da haben Sie uns da auf unserer Seite. Danke.


(Beifall DIE LINKE)

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