Gute Pflege in Thüringen braucht gute Arbeitsbedingungen: 30-Stunden-Woche für Pflegekräfte bei vollem Lohnausgleich

Lena Saniye Güngör

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 7/5094

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, in Pandemiezeiten ist das Thema „Arbeitsbedingungen in der Pflege“ dauerhaft aktuell. Auch wenn einige nicht verstanden haben, dass weiterhin Pandemie ist – Stichwort „Freedom Day“ –, lässt sich das Ende der Pandemie und damit auch das Ende der medizinischen Überbelastung eben nicht herbeireden.

 

Die Folgen der Pandemie haben besonders die systemrelevanten Berufe, wie in der Pflege- und Gesundheitsbranche sichtbar wird, getroffen. Für viele Pflegende war die Belastung in der Pandemie ausschlaggebend, dem Pflegeberuf den Rücken kehren und den Beruf wechseln zu wollen. Heute ist vom DGB noch mal eine neue Umfrage sichtbar geworden. Daran zeigt sich wieder die Legendenbildung, die die AfD hier betreibt: Nur 5 Prozent der Befragten geben die Impfpflicht als Grund an, den Job wechseln zu wollen; 95 Prozent der Befragten sagen ganz klar, es hat nichts mit der Impfpflicht zu tun, uns geht es hier in diesem Job nicht mehr gut. Ich denke, das müssen wir ernst nehmen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die SPD greift mit ihrer Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich in der Pflege einen Vorschlag auf, den die Bundestagsfraktion der Linken bereits in der letzten Legislatur eingebracht hatte.

Und wenn wir bei Verantwortung auf Bundesebene sind, Herr Zippel, ich glaube, ich würde mich da als CDU wirklich sehr zurückhalten; ich finde das gerade fast schon humoristisch, was Sie hier geliefert haben.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Eine Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich kann ein wichtiger Bestandteil sein, um die bereits Pflegenden zu entlasten und sie auch langfristig im Beruf zu halten. Es kann auch ein Bestandteil sein, um die Attraktivität des Berufes zu steigern und entsprechend neue Fachkräfte zu gewinnen. Aber – und Frau Kollegin Klisch, da ist das Belgien-Beispiel leider ganz unpassend – es darf eben nicht dazu führen, dass, wie in Belgien praktiziert, wir das Ganze Vier-Tage-Woche nennen, es aber die gleiche Arbeitszeit beinhaltet, sondern es muss natürlich eine reelle Arbeitszeitverkürzung, nicht nur eine Arbeitszeitverschiebung sein.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Es gibt bei der Forderung nach einer 30-Stunden-Woche auch einige Einschränkungen, auf die ich noch eingehen will. Stand 2019 waren in Thüringen knapp 34.000 Pflegekräfte beschäftigt und davon lediglich knapp 10.000 vollzeitbeschäftigt. Das heißt, wir haben hier eigentlich zwei Drittel, die in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt arbeiten. Ich glaube, es muss geklärt werden, was eine Arbeitszeitverkürzung genau für diese Personengruppen bedeuten würde, was das auf ihre Lohnansprüche bedeuten würde, denn nicht in Vollzeit zu arbeiten, heißt eben auch, dass ein Großteil des Thüringer Pflegepersonals unter gleich harten Bedingungen eben ein geringeres Entgelt erhält und im Alter ein höheres Risiko von Altersarmut durch die geringeren Rentenansprüche bekommt. Außerdem steht zur Debatte – das wird genannt –, inwiefern die Arbeitszeitverkürzung auch das Schichtsystem in der Pflege betrifft, inwiefern das angepasst werden müsste, um trotzdem den gleichen pflegerischen Umfang abdecken zu können.

 

Zentral bleibt dabei für uns als Linke die Forderung nach einem Personalbemessungsverfahren in der Pflege und natürlich auch nach vernünftigen Tarifverträgen und ihrer Allgemeinverbindlichkeit, denn ich glaube, das ist einer der Kernaspekte, wenn wir über die Verbesserung in der Pflege reden.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Wenn wir über Verbesserung in der Pflege reden, scheint es ganz oft so, als würden wir einen Großteil vergessen, nämlich genau diejenigen, die privat betriebene Pflege betreiben und auch da schwere Arbeitsbedingungen haben. Die pflegenden Angehörigen in Thüringen gehen entgegen der öffentlichen Wahrnehmung von ca. 80 Prozent in der Häuslichkeit und nicht im Pflegeheim stattfindender Pflege aus. Die Lücken unseres Pflegesystems werden eben durch unbezahlte Arbeit von Angehörigen ausgeglichen, nichts anderes sagt diese Statistik aus. Meist sind es Frauen, es sind Ehe- und Lebenspartnerinnen, es sind Töchter und Schwiegertöchter, die im Alltag dafür sorgen, dass ältere Angehörige gepflegt werden und die ihre Berufstätigkeit einschränken, teilweise sogar ganz aufgeben. Das verringert wiederum die Rentenansprüche und damit sind auch diese Pflegenden in der Altersarmut. Und da haben wir noch gar nicht über die sogenannten privaten 24-Stunden-Pflegedienste und ihre Missstände gesprochen. Hier zeigt sich wieder, Arbeitskämpfe sind dann ganz konkret feministische Kämpfe.

Es gibt und bleibt viel zu tun, um das Thema „Arbeitsbedingungen in der Pflege“ wirklich umfassend anzugehen und die von der SPD dargestellten Forderungen können hier, glaube ich, nur ein Baustein von vielen sein. Deshalb gilt abschließend auch mein Dank allen Pflegekräften, die, egal ob stationär, ob ambulant oder als pflegender Angehöriger, für ihre Arbeit endlich aufgewertet werden müssen. Danke schön.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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